Ansichten eines Informatikers

Der übergriffige Staat – wie wehrt man sich gegen ihn?

Hadmut
31.10.2023 19:24

Leser fragen an.

Im Internet findet man zunehmend Hinweise auf Verfahren wegen unerlauter Äußerungen:

Sowas spricht sich ja herum. Es besteht eigentlich kein Zweifel mehr, dass unsere Strafverfolgung enormen Aufwand investiert, eine politische Strafverfolgung zu betreiben, und wie wir ja alle wissen, sind die Staatsanwaltschaften politisch gesteuert.

Eine Leserin fragt verängstigt an:

Wissen Sie bescheid?

Sehr geehrter Herr Danisch,

ich will Sie gar nicht lange aufhalten, aber wie schützen Sie sich bitte vor einem verrückt geworden, übergriffigen Staat, der allzu gern in Wohnungen einbricht und die Kommunikationsgeräte einkassiert? Es reicht doch heute schon ein unbedachter Kommentar im Internet aus, um einem die Tür aufbrechen und mich wie einen Schwerverbrecher zu behandeln.

Es geht nicht um Ihre geheimen Details. Ich bin mit Windows 10 zu Linux Mint gewechselt. Ein guter Freund hat mir das damals eingerichtet. Da gebe ich beim Start ein Passwort ein gleich nach dem Einschalten. Niemand kann oder will mir sagen, ob das vor dem Staat schützt? Und falls Sie fragen, ja ich habe was zu verbergen. Ich schreibe zum Beispiel darin mein Tagebuch. Jeden Abend. Eine Art Ritual für mich. Das brauche ich, um wieder runterzukommen bei dem täglichen Irrsinn.
NIEMANDEN geht der Inhalt etwas an. Auch habe ich keinen großen Spiegel in meiner kleinen Wohnung und nutze halt die Webcam, um Klamotten auszuwählen, selbst manchmal beim Schminken. Ich will nicht, dass das jemand anders jemals sieht als ich. Das ist allein meins!

Wissen Sie vielleicht mehr und teilen es bitte mit uns? Ja ich kann danach googeln, aber stimmt das noch, was ich auf den Webseiten finde? Oder haben eine viel bessere Idee?

Vor ca. 2 Jahren wurden Sie mir und ihre Webseite empfohlen. Schade, ich wäre viel eher gern dabei gewesen. Bitte machen Sie so weiter. Eine mittlerweile sehr treue, morgendliche Lesern.

Mit freundlichen Grüßen

Das ist keine einfache Frage.

Denn erstens ist es keine bestimmte Frage. Wie schützt man sich der Maßnahme X wäre eine Frage, bei der man weiß, was gefragt ist. Aber generell vor dem Staat als solchem? Schwierig, eine so breit bestimmte Frage zu beantworten.

Zweitens würde der Staat keine allgemeingültige Methode hinnehmen, denn der Staat meint ja, dass er das ultimative Gewalt- und Durchsetzungsmonopol (jedenfalls gegenüber Deutschen) hat. Gäbe es eine allgemeingültige Methode, würde man Gesetze dagegen machen.

Drittens gibt es zwar einiges, was man tun kann, aber das ist alles nichts für Anfänger, das sind keine einfachen Tricks. Etwas böse gesagt: Man kann das nicht als Antwort auf eine Frage erklären, weil jemand, der weiß, wovon man redet, und das versteht, die Frage nicht stellen würde. Es ist so eine typische unbeantwortbare Frage, weil jemand, der die Frage stellt, die Antwort nicht verstehen würde, weil er, wenn er das Wissen dazu hätte, die Frage nicht stellen würde.

Die kanonische Antwort wäre: Den Staat zu wechseln.

Ein wesentliches Problem daran ist, dass der Staat sich auch nicht mehr an sein eigenes Recht hält.

Würde sich der Staat innerhalb seines Rechtes bewegen, wäre das alles relativ überschaubar. So ist es rechtlich gesehen beispielsweise so, dass eine Haus-/Wohnungs-/Firmendurchsuchung beendet ist, wenn der bezeichnete Gegenstand gefunden ist. Eine typische Abwehrmaßnahme gegen eine solche Durchsuchung ist deshalb, sich erst einmal den Durchsuchungsbeschluss zeigen zu lassen und dann die darin bezeichnete Sache einfach herauszugeben. Dann ist die Durchsuchung nämlich schon wieder beendet. Das geht aber auch nur, wenn die morgens um 11 in eine Firma kommen, in der ein Justiziar sitzt, der fit ist. Versuch das mal, wenn morgens um 6 das Rollkommando kommt, die Tür aufbricht und Dich mit vorgehaltener Knarre aus dem Bett holt. Das dürften sie nämlich eigentlich auch nicht, weil sie erst den Beschluss vorzeigen müssen.

Das ganze Durchsuchungsrecht ist auch nicht dafür gemacht, wie es da im Äußerungsrecht angewandt wird.

Eigentlich nämlich war das mal so, dass in einem Durchsuchungsbeschluss steht, dass man etwa die Tatwaffe, Diebesgut, Hehlerware, Drogen und so weiter beschlagnahmt, als bestimmte Dinge. Schema: Die Leiche wurde erstochen – wir suchen das Messer. Die Leiche wurde erschossen – wir suchen die Schusswaffe zur Kugel.

Ich habe mal vor einiger Zeit in der Informatiker- und Sachverständigenszene einen Fall mitbekommen, in dem sich jemand in den Social Media angebermäßig mit einer Schusswaffe zeigte, die er nicht besitzen wurde. Das Foto so scharf, dass man sie Seriennummer lesen konnte. Also gab es einen Durchsuchungsbefehl, der zum Inhalt hatte, diese Knarre mit dieser Nummer zu finden.

Typisch ist auch, bei Ladendieben das Diebesgut einzusammeln. Ich habe mal von einem Fall mitbekommen, in dem das Kind notorisch geklaut und sein Kinderzimmer unter dem Bett und so weiter mit dem ganzen Krempel vollgestopft hatte. Da hieß es dann, den ganzen Krempel einzusammeln und abzuholen.

Übrigens sind sogenannte „Umschauen“ verboten. Ein „Guckt mal, was Ihr sonst so findet“ ist nicht zulässig. Ich hatte im Blog schon einige Mal erwähnt, dass ich als Student mal im Bekanntenkreis gebeten wurde, einen sehr dubiosen Fall des Vorwurfs eines versuchten Mordes zu untersuchen, in dem es zu viele Ungereimtheiten gab und die ganze Story überhaupt nicht rund und schlüssig war. Damals hatte ich mich da mal eingelesen. Einer der Knackpunkte war nämlich, dass man die Wohnung des angeblichen Täters durchsucht hatte und keinen Durchsuchungsbeschluss hatte, und auf die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage man das getan habe, behauptete, es habe Gefahr im Verzuge bestanden, man habe dringend die Tatwaffe finden müssen. Was mehrfacher Quatsch war, denn

  1. Der Einzeltäter war direkt bei der „Tat“ am Tatort festgenommen worden. Wie soll die Tatwaffe, die laut Akte am Tatort mit der Festnahme sichergestellt wurde, in die 45 Fahrtminuten entfernte Wohnung gekommen sein? Magie?
  2. Die Durchsuchung fand um die Mittagszeit eines Wochentags statt. Nach BVerfG setzt Gefahr im Verzuge aber voraus, dass der Zweck durch Einholung eines Beschlusses vereitelt würde, also kein Richter verfügbar ist oder das zu lange dauern würde. Was sie aber abgehalten hat, einen Beschluss einzuholen, war nicht ersichtlich.
  3. Sie hatten den Täter noch am Tatort festgenommen. Wie sollte von einer Waffe in der Wohnung eine „Gefahr im Verzuge“ ausgehen?

Da war schon immer viel Bullshit im Spiel.

Allerdings war das bei herkömmlichen Straftaten immer auch inhaltlich begrenzt. Wenn man etwa das Messer sucht, mit dem die Leiche umgebracht wurde, hat man normalerweise nie einfach alle Messer einschließlich der Besteckschublade mitgenommen, weil man mit einem normalen Buttermesser niemanden ersticht. Man sucht da mehr so den blutigen Klassiker.

Liest man aber die Berichte aus dem Äußerungsrecht und der politischen Verfolgung, dann ist das da eher so, dass die einfach alles mitnehmen, was nach Computer aussieht, einschließlich der Vielfachsteckdose.

Ich halte das für völlig rechtswdirig, missbräuchlich und übergriffig, weil es den Begriff der „Tatwaffe“ oder des Tatmittels völlig überdehnt. Ich habe noch nie davon gehört, dass man jemandem das Telefon beschlagnahmt hat, weil er sich mit seinem Kumpanen telefonisch zum Überfall verabredet hat. Oder die Lampen von der Decke geholt hat, weil er ja Licht brauchte, um das Geld zu zählen. Wobei man unterscheiden muss, ob ein Gegenstand als Beweismittel beschlagnahmt, oder als Folge der Verurteilung eingezogen wird.

Aber einen Computer als Tatwerkzeug einer Äußerung auf Twitter?

Das ist Schwachsinn. Man reißt ja auch nicht die Treppe aus dem Treppenhaus, weil die Treppe notwendig war, um aus der Wohnung zum Tatort zu kommen.

Es ist auch unverhältnismäßig. Weil die Auswirkungen eines beschlagnahmten Computers ganz enorm sind und großen Schaden hervorrufen, Leute beruflich ruinieren können. Und was soll das, alle Computer und Festplatten mitzunehmen? Wieviele Computer verwendet man denn, um einen Tweet abzusetzen? Und wie soll eine Festplatte als Tatwaffe in Betracht kommen?

Es kommen noch andere Aspekte hinzu. Denn eigentlich hat der Betroffene das Recht, bei der Durchsuchung anwesend zu sein. Nehmen die die Rechner aber mit, findet die Durchsuchung im Labor ohne Anwesenheit statt. Das ist eigentlich verfassungswidrig, weil ein Computer mit Festplatte eben etwas anderes als ein Messer oder eine Pistole oder ein Tüte Drogen ist. Auf der Festplatte hat man vielleicht auch die Pornosammlung oder die Nacktfotos der Frau. Oder die Diagnosen vom Arzt. Eigentlich dürfte das alles nur in Anwesenheit des Betroffenen (oder dessen Anwaltes) durchsucht werden.

Dazu kommt, dass es da keine Abwehrmittel gegen die unzulässige „Umschau“ gibt. Man darf beispielsweise bei jemandem, dem vorgeworfen wird, ein Auto geklaut zu haben, nicht auch noch die Fotoalben durchsuchen, ob er nicht auch noch Kinderpornos hat. Auf Festplatten geht man aber genau so vor.

Ich finde es auch erstaunlich, dass man wegen eines Tweets dann gleich alle Rechner und Handys beschlagnahmt, als habe man fünf Rechner für einen Tweet gebraucht. Eine Rechtsgrundlage dafür gibt es meines Erachtens nicht.

Wir sehen hier, wie ein ideologischer Staat zum übergriffigen Staat wird, und wie die Durchseuchung der Strafverfolgung mit politischen Aktivisten, die sich um geltendes Recht einen Scheiß kümmern, Polizei und Staatsanwälte selbst kriminell werden und staatliche Gewalt zum Rechtsbruch missbrauchen.

Das zentrale Motiv für diese Entgleisungen ist, dass es hier nicht mehr um Strafermittlungen, sondern um außergerichtliche Bestrafungen geht, dass man also mit den Mitteln der Strafermittlung eine effektive Bestrafung vorwegnimmt, bevor man freigesprochen oder das Verfahren eingestellt wird. Man sieht das ja auch in der politischen Kommunikation, dass man auch die nicht strafbaren, legalen, aber unerwünschten Äußerungen bekämpfen will, und dafür braucht man eben Mittel jenseits gerichtlicher Verurteilungen. Die Strafe soll deshalb erfolgen, bevor es zum Gerichtsverfahren kommt, damit es auf das Gerichtverfahren nicht mehr ankommt.

Was man dagegen machen kann?

Schwierig, denn die Frage ist ungenau.

Will man das verhindern, oder will man nur die Folgen abmildern?

Unerlässlich sind

  • Plattenverschlüsselung
  • Backups, ein ordentliches Backup-Konzept, bei dem man alle wichtigen Daten auch außerhalb der Wohnung lagert. Beispielsweise in der Cloud. Vorteilshaft im Ausland. Oder bei irgendwem anderen, auf den man nicht so leicht kommt. Und so, dass man sie bei einer Durchsuchung nicht sofort findet. Auch wichtig, wenn die Wohnung abbrennt oder von Dieben ausgeräumt wird.
  • Eine „Disaster Recovery“-Strategie. Was macht man, wenn die Rechner – wodurch auch immer – alle weg sind? Wie lange braucht man, und wie geht man vor, um neue Rechner zu beschaffen und den ganzen Kram wieder aufzusetzen und zum Laufen zu bringen?
  • Rechtskunde. Wenn man sie braucht, ist es zu spät, sie sich anzueignen. Wenigstens die wichtigsten Dinge vorbereiten, wie man reagiert, was man macht. Uhrzeit und Teilnehmer der Durchsuchung aufschreiben, etwa die Ausweise abfotografieren oder kopieren. Den Durchsuchungsbeschluss verlangen. Lesen, was drin steht, was überhaupt gesucht werden soll. Rechtswidrigkeiten erkennen.

Früher waren auch mal sogenannte „Thin Clients“ in Mode, auf denen praktisch keine Daten gespeichert wurden, und an denen es dann faktisch nichts zu beschlagnahmen gab. Die haben sich aber etwas überholt, weil man ja inzwischen „komplette“ PC schon für kleines Geld bekommt, eigentlich billiger als die „Thin Clients“.

Eigentlich müsste es von strafrechtserfahrenen Anwälten Anleitungen, Seminare und Vorträge dazu geben. Sowas gibt es auch, aber ich kenne das nur aus dem Firmenumfeld, wenn die Steuerfahndung kommt.

Es wäre aber dringend notwendig, mal diesen Blödsinn anzugreifen, dass wenn jemand irgendwo was twittert, gleich der oder sogar alle Rechner „als Tatwerkzeug beschlagnahmt“ werden, weil sie „Tatwaffe“ seien, weil man einen Browser verwendet hat.

Ein Wundermittel habe ich nicht.

Ich halte es aber für notwendig, das Thema in der Aufmerksamkeit zu halten und solche Fälle rigoros durchzuanalysieren und anzuprangern, und vor allem auch die Rechtsbrüchigkeit und auch technische Inkompetenz der Politiker aufzuzeigen, denn von denen geht das aus.

Es ist notwendig, diese Fälle zurückzuverfolgen, wer politisch dahinter steckt, und die rückzuverfolgen und das öffentlich zu machen.

Vor allem aber sollten wir darauf achten, diese Propaganda anzugreifen, dass es in Deutschland Meinungs- und Pressefreiheit und nur in anderen Ländern eine politische Verfolgung gäbe. Es muss in das öffentliche – nationale und internationale – Bewusstsein, dass wir in diesem Land eine massive politische Verfolgung haben, hinter der vor allem Grüne und SPD, aber eben auch CDU und CSU stecken. Das muss öffentlich gemacht werden, und zwar so, dass es auch weh tut.

Und ein ganz wesentliches Element darin ist der Qualitätsverlust bei Polizei und Staatsanwaltschaft. Die Leute werden immer rechtsbrüchiger und korrupter, bilden sich aber immer mehr ein, dass sie die Guten, die Gerechten, die Moralischen, die Befugten seien. Typisch sozialistisches Parteidenken.

Es ist deshalb erforderlich, deren Rechtsbrüche in beißender Schärfe öffentlich zu kritisieren, damit das „sichtbar“ wird, dass sie eben nicht mehr die „Guten“ sind, die Recht und Verfassung schützen. Sondern dass sie inzwischen die sind, vor denen uns Recht und Verfassung schützen sollten.

Eigentlich aber habe ich diesen Staat längst aufgegeben und schaue nur noch kommentierend bei dessen Ver- und Zerfall zu.