Vom ersten Schnee in Berlin
Und ich denk’ noch so „Hä!?“ …
In Berlin sind die Temperaturen nun bei Frost angekommen. Der Tag fing schon kalt an, im Radio erzählten sie nämlich davon, wie kalt es werden würde und dass es nicht mehr lange dauern werde, bis Schnee kommt. Auch selten, dass der Schnee schon im November angekündigt wird. Muss an der Klimaerwärmung liegen. Ich warte ja auf die ersten Bilder von schneebedeckten Klimaklebern, die gegen die Klimaerwärmung protestieren.
Ich komme also vorhin so um die Mittagszeit mal aus dem Haus, hatte auch schon die dickeren Winterklamotten angelegt, noch nicht die ganz dicken, aber eben schon für kaltes Wetter, gefütterte Jacke, Mütze, Handschuhe, erst mal alles um mich herum normal und trocken, nur eben kalt, komme so um die nächste Straßenecke und denke: „Hä!?“.
Und ich sage es in aller Deutlichkeit: „Hä!?“
Liegt denn da schon Schnee?
Alles weit und breit trocken und kein bisschen Schnee, aber geradeaus so 15 Meter vor mir ein deutlicher Haufen Schnee, so vielleicht ein bis eineinhalb Quadratmeter mit so einer Corona außenrum, Schneehaufen halt.
„Hä!?“
Nun kennt man das ja, dass es nachts schneit, und das dann nicht liegen bleibt, sondern am Vormittag schon wieder alles wegschmilzt, und nur vereinzelt irgendwo was liegen bleibt, wo jemand Schnee zusammen- oder von einem Autodach gekehrt hat. Aber das hätten sie im Radio gesagt, und dann müsste es warm (über 0) und etwas feucht und nicht kalt und trocken sein.
Außerdem hat dieser Schneehaufen so einen ganz leichten Grünstich.
Bei erster Näherung stellte sich heraus: Das war kein Schnee. Das waren Glasscherben. So diese kleine, krümeligen, die entstehen, wenn vorgespanntes Sicherheitsglas bricht. An einer Bushaltestelle mit einer überdachten Sitzgelegenheit, die an drei Seiten mit Glasscheiben geschlossen ist, damit man etwas wind- und regengeschützt ist (im Englischen gibt es das schöne Wort shelter dafür), fehlten die drei großen Glasscheiben an der Rückseite und dahinter – allerdings nur am Ort einer dieser Scheiben, die anderen beiden waren anscheinend schon früher zu Bruch gegangen – lag eben dieser große und hohe Haufen Glasscheiben, der sich auch relativ weit um die Bushaltestelle herum verteilte, so dass man zwangsläufig über die Glassplitter laufen musste.
Nun sitzt man da fast völlig ungeschützt gegen Wind und Regen, an einer Haltestelle, die normalerweise schon nur alle 20 Minuten bedient wird, und das auch nur, wenn man Glück hat und Busse nicht wieder ausfallen oder der Fahrplan gekürzt wird. Man merkt das, dass der Fahrplan abends immer früher endet.
In Berlin muss alles kaputt sein. Jede Annehmlichkeit muss zerstört werden. Nichts, wirklich gar nichts darf sauber, intakt und bequem sein, damit man sich nirgends mehr setzen, schützen, austreten kann. Alles muss lebensfeindlich sein, weil sich gewisse Kreise nur dann wohl fühlen, wenn alles kaputt ist und nichts mehr geht.
Bin mal gespannt, wie lange das dauert, bis jemand die Glasscherben wegräumt und ob und wann der Unterstand wieder geschlossen wird.