Ansichten eines Informatikers

Redefreiheit I: Fernsehen

Hadmut
26.11.2023 15:37

Thomas Gottschalk: „Dann sag’ ich lieber gar nichts mehr“.

Habt Ihr gestern abend „Wetten, dass…?“ gesehen?

Kam mir ziemlich mild vor, als wollte man verhindern, dass da auf dem letzten Meter noch was anbrennt. Und unbedingt was für alle Arten von Zuschauern liefern, was ja genau der Punkt ist, an dem das Großfernsehen heute krankt und aus der Zeit fällt, und den Gottschalk ja auch schon selbst angesprochen hatte.

Der beste Punkt der Sendung, und den will ich ausdrücklich – auch vor dem Hintergrund der ständigen Themen meines Blogs – herausheben, ist die Abschiedsansprache von Gottschalk:

Und der zweite Grund ist natürlich der, dass ich, und das muss ich wirklich sagen, immer im Fernsehen das gesagt habe, was ich zu Hause auch gesagt habe. Inzwischen rede ich zu Hause anders wie im Fernsehen, und das ist auch keine dolle Entwicklung. Und bevor hier irgendein verzweifelter Aufnahmeleiter hin und her rennt und sagt: “Du hast wieder einen Shitstorm hergelabert”, dann sag ich…, dann sag ich lieber gar nichts mehr.

Ich finde es gut, dass er es gesagt hat. Aber ich finde es schlimm, dass es so ist.

Das ist diese „Cancel Culture“, in der eine – gewiss nur eine kleine Minderheit – Gruppe, oder besser eine Sorte von Leuten, ihren winzigen Anteil an der öffentlichen Meinung überhöht, indem sie rumkrakeelen und – meist übrigens äußerst ungebildete Leute – meinen, es müsste alles nach ihren persönlichen moralischen und politischen Vorstellungen laufen.

Was mich daran besonders entsetzt sind nicht die Shitstorms an sich, sondern dass deshalb verzweifelte Aufnahmeleiter hin und her rennen. Das heißt nämlich, dass diese Shitstormer enormen Einfluss auf den ÖRR haben, und dass es dann schon mindestens eine Größe, ein Urgestein wie Gottschalk braucht, der nicht mehr auf den Job angewiesen ist und es sich leisten kann zu sagen „rutscht mir alle den Buckel runter“. Jüngere in dieser Branche können das ganz sicher nicht, wenn sie finanziell noch darauf angewiesen sind, ihren Job zu behalten.

So schlimm das alles ist, sehe ich das wieder mal als Beleg dafür, dass sich die großen Sendeanstalten überlebt haben und das Fernsehen für alle, das ja eigentlich ab den 1950er und 1960er Jahren enstanden ist, weil man sich mehr als ein, zwei Kanäle technisch und finanziell noch nicht leisten konnte, und damit auch die großen Sendeanstalten, völlig veraltet und nicht mehr zeitgemäß sind. Und damit eben auch solche Sendungen, in denen große Hallen belegt werden und große Stars auftreten.

Es erinnert mich in gewisser Weise auch an „Verstehen Sie Spaß?“. Das hat mir so gut gefallen, als das noch eine kleine Sendung im Studio war, in der Kurt Felix nur und ganz alleine auf einem Barhocker saß, die Filme angekündigt und erklärt hat, die dann zeigte, und außer ihm niemand da war. Seit das aber zur großen Samstag-Abend-Show wurde und dann noch Paola, Karl Dall und irgendwelche Stars auftraten, hat mich das nicht mehr angesprochen. Und ich bin der Meinung, dass wir wieder zu Kurt Felix auf dem Barhocker zurück müssen, dass dieses aufgeblasene Show-Event, das ja eigentlich auch ein Kind der 1950er, 1960er, 1970er Jahre war, in der diese großen Shows entstanden sind und ihre große Zeit hatten, Straßenfeger waren, riesige Einschaltquoten hatten, weil sie ein Ereignis waren und es sonst nichts gab, einfach vorbei ist. Damals hieß das noch „Der goldene Schuß“, „Der große Preis“, „Wünsch Dir was“, „Einer wird gewinnen“, „Auf los geht’s los“, „Am laufenden Band“, „Dalli Dalli“, „Musik ist Trumpf“, und als Sonderfall „Was bin ich?“, eine Billigstproduktion von extremer Langeweile und Bräsigkeit, die trotzdem irgendwie zu Kultstatus kam.

Das ist einfach vorbei.

Und ein wesentlicher Teil der Shitstorms, die auf Gottschalk niedergingen, lagen meines Erachtens nicht einmal an Gottschalk und seiner losen Klappe selbst, sondern einfach an dem längst nicht mehr zeitgemäßen Versuch, eine Sendung für alle zu machen. Weil „alle“ heute so breit gestreut ist, dass das gar nicht mehr geht. Und das weiß auch Gottschalk. Und wenn man versucht, eine Sendung mit dem größten gemeinsamen Teiler zu machen, den jeder erträgt, kann man nicht mal mehr die Studiouhr als Dauersendung zeigen. Selbst dafür würde man noch geshitstormt. Aber dann ist es auch nicht mehr Gottschalk. Dann ist es Silbereisen oder Fischer oder sowas.

Und wenn man das auch nicht mehr versucht, die gesamte Breite des Publikums mit einer Show anzusprechen und für jeden was dabei zu haben, dann passt das auch besser.

Heißt: ARD und ZDF können weg. Braucht man nicht mehr.