Ansichten eines Informatikers

IKEAs Windows-Krämpfe

Hadmut
19.12.2023 20:46

Ich kam, sah, und fragte, warum.

Ich war einkaufen. Bei IKEA.

Ich weiß, Ihr rümpft die Nase. Ich kann IKEA auch nicht leiden, und doch habe ich die Wohnung voll von IKEA-Kram, weil die Alternativen irgendwie auch nichts sind, und man bei IKEA das Zeug zumindest für gewisse Zeit und ortsunabhängig nachkaufen kann. Ich habe nochmal Kunststoff-Boxen (oder -Container, je nach Begriffsvorliebe) gekauft, weil ich es halt mag, meinen Kleinkram sortiert und ordentlich aufgeräumt beisammen zu haben. Ich hasse das so abgrundtief, wenn man genau weiß, dass man etwas hat, und es nicht findet, oder bei irgendwas, zu dem mehrere Teile gehören, Zubehör und so weiter, irgendwas fehlt. Deshalb habe ich eine Vorliebe, alles in Container, Koffer, Beutel einzusortieren und aufzuräumen.

Ich könnte jetzt natürlich kalauern, dass ich man ja immer wieder liest, dass Informatiker jetzt alles mit Container-Technik machen und ich ja auf dem Stand der Technik sein will, mir also sofort welche in allen Größen gekauft habe, aber der ist mir jetzt doch zu blöd, und am Ende würde das noch jemand glauben.

Und um die auch unterzubringen, wollte ich mir noch ein kleines Aufsatzmodul für ein kleines Regalchen, das ich schon habe, mitnehmen, um das nach oben etwas zu erweitern.

Aber, ach.

Modul gerade ausverkauft, im Lager nichts mehr da.

Also bin ich zum Informationsstand, um zu fragen, wann es das wieder gibt. Es ist mir nämlich auch schon so gegangen, dass sie sagten, sie haben von irgendwas noch welche, müssen es nur mit dem brachialen Hochregalgabelstapler als Palette von ganz oben herunterholen und auspacken, und es also doch noch welche gab.

Also versuchte ich, zu fragen.

Und wie ich schon sagte: Aber, ach.

Die Rechner wollten nicht. Beide.

Irgendwas war abgestürzt und ging nicht mehr. Sie versuchten, die Rechner neu zu booten, und sie entschuldigten sich gleich, dass das länger dauern könne. Ich warte.

Weitere Kollegen kamen hinzu. Einer, der sich gut auskennt. Einer, der sich damit gar nicht auskennt. Half alles nichts.

Er meinte, dass es manchmal auch mit der App gehe. Die Mitarbeiter-App, nicht die Kunden-App. Nein, geht auch nicht.

Auch als die Rechner endlich gebootet hatten, lief irgendwas anderes nicht. Ich habe nur kurz ein Windows-Menü und die Windows-Zeile gesehen. Sie schwitzen und machen nervös herum, aber es wird nichts. Irgendwas ist nicht zum Laufen zu bringen, aber wohl nicht nur auf Netz- und Serverseite, sondern auch bei den Arbeitsplätzen und so weiter.

Die Kundenschlange hinter mir wird immer länger, und sie kriegen keinen hoch.

Es heißt dann, dass das leider vorerst nichts mehr werde mit Auskunft.

Ich fragte – allerdings nur mich selbst, die waren schon vom Computer ziemlich genervt, die brauchten keinen Schlaumeier, der dazu noch blöde Fragen stellt – warum man eigentlich gerade an solchen Arbeitsplätzen, die ja sehr standardisiert sind und vom Anforderungsprofil gerne als „Kiosk-Modus“ beschrieben werden, die eigentlich nichts anderes machen, als einen Webbrowser mit ein paar fest vorgegebenen Webseiten anbieten, dazu noch ein Mitarbeiter-Login und vielleicht eine Druckfunktion für einen angeschlossenen Drucker, sich mit so einem Windows-Krampf herumärgern.

Es ist doch längst Stand der Technik und des Wissens, für solche standardisierten Arbeitsplätze mit wenigen, immer wiederkehrenden Anwendungen und wenig oder keinem lokalen Speicherbedarf monolitische Systeme zu bauen, die sich am Stück aktualisieren und wenige Anwendungen und Funktionen haben, die aber stabil, wie eben den Browser, und sehr schnell booten. Google macht uns das seit Jahren mit ChromeOS vor, Fedora hat so etwas mit Silverblue, als Serversysteme gibt es CoreOS und Ubuntu Core, und angekündigt ab 24.04 auch einen Ubuntu Desktop.

Und eigentlich hatten wir so etwas schon einmal. Wie ich unter den Alten in der Informatik immer so gerne sage, ist der Web-Browser auch nichts anderes als ein graphisch orientiertes Block-Terminal. Vor 30, 40, 50 Jahren gab es Blockterminals, die keine Wartung brauchten, die man einfach ein- und ausschalten konnte. Habt Ihr mal Anfang der 90er Jahre eine Reise im Reisebüro gebucht? Die hatten da sowas noch. Dann kam der „Personal Computer“ und alles musste komplex und ein großer verfilzter Haufen sein, obwohl die meisten Anwendungen – gerade an solchen standardisierten Arbeitsplätzen – Browsergebrauch sind. Letztlich braucht man nur noch den Kernel, etwas Rudimentärbetriebssystem und einen Webbrowser. Wie ChromeOS. Ich habe einen arrogant-eingebildeten Computermonitor, der sowas alleine kann und keinen Computer mehr dafür braucht. Im Prinzip würde es reichen, in den Monitor einen kleinen Einbauschacht zu bauen und dann etwas wie ein Raspberry Pi Compute Module reinzustecken. Sowas gab es sogar schon mal als großen Fernseher für Anzeigen, hat sich aber nicht durchgesetzt.

Warum also haben wir hier in Europa nicht längst eine Basis für solche Systeme, die man leicht „customizen“ kann, Firmenlogo, Netzwerkeinstellungen, vielleicht noch ein Zusatzprogramm, damit dann jedes Unternehmen solche Arbeitsplätze leicht bauen kann, die aber bespielsweise auch für Schulen, Lehrer, Schüler zur Verfügung stehen und selbst in vielen Privathaushalten völlig ausreichen würden um zu streamen, mailen, surfen usw.

So etwas zu entwickeln wäre weit billiger als die Lizenzgebühren, die man an Microsoft zahlt.

Und der Wartungsaufwand, die ganze Komplexität wären auch viel niedriger.

Stattdessen habe wir Flugtaxis. Jede Menge Flugtaxis. Der Himmel über Berlin ist voll mit Flugtaxis.

Ach, verdammt, Apropos Flugtaxis, was schickte mir da heute morgen eine Leserin mit dem Kommentar „Es ist Windows 7. Frag nicht, aber mir ist grad schlecht.“:

Stell Dir vor, die Russen kommen, und Dein System aktualisiert gerade oder kommt nicht hoch.

Aber es ist ja auch nur der hintere Sitz. Vielleicht ist das nur das Bord-Entertainment.