Ansichten eines Informatikers

Die Politisierung der Wissenschaft

Hadmut
2.1.2013 20:27

In der Regel empfehle ich keine Bücher, die ich noch nicht selbst gelesen habe. Nur in ganz seltenen Ausnahmen.

Hier mache ich aber keine Ausnahme, also geben ich keine Empfehlung, sondern nur einen Hinweis auf die Existenz eines Buches:

Alex B. Berezow and Hank Campbell: “Science Left Behind: Feel-Good Fallacies and the Rise of the Anti-Scientific Left” ,

siehe z. B. hier oder hier.

Es geht wohl darum, wie immer mehr politische Strömungen Einfluss auf die „Wissenschaft” nehmen und Wissenschaftsbetrug betreiben, um die Öffentlichkeit zu manipulieren (womit wir ja wieder beim Thema wären). Der Wissenschaftsbetrug und das schiere Leugnen von Naturwissenschaft, die früher eher in konservativen und kirchlichen Kreisen üblich waren, scheint sich nun auf immer mehr andere Bereiche, wohl besonders auch Linke, überzugreifen.

Ich hab’s mir gekauft (Kindle-Version), aber auf der Leseliste, das dauert noch ne Weile.

16 Kommentare (RSS-Feed)

Heinz
2.1.2013 21:18
Kommentarlink

“wohl besonders auch Linke, überzugreifen.”

Naja ich denke nicht, dass es hauptsächlich die Linken sind.
Ich denke die konservativen z.B. CDU betreiben das ähnlich. Irgendwelche “wissenschaftlichen” Gutachten werden von vielen gern als Feigenblatt verwendet – die CDU/FDP verwendet daneben noch den “Ethikrat” für selbige Zwecke – meistens eine Kombination aus beidem.


Hadmut
2.1.2013 21:23
Kommentarlink

Ich habe das Buch, wie gesagt, noch nicht gelesen. Aber da es englisch ist, wird es sich wohl kaum so ganz exakt auf CDU/FDP usw. abbilden lassen. Außerdem war die Aussage ja nicht, dass es nur die Linken machen. Aber die Konservativen machen es laut Buch schon immer, und jetzt würden eben stark die Linken dazukommen.


Martok
2.1.2013 21:42
Kommentarlink

Er bezieht sich da auch nicht auf die ganze Linke, sondern die sogenannten “Progressives”, also das, was sich bei uns für Grün hält. Aufpassen, die amerikanische Ideologieeinteilung ist da etwas anders als unsere.

Vom Autoren gibt’s beim AEI eine Sammlung von Vortrags-Folien, welche auf dem Buch zu basieren scheinen. Wer also erstmal die Kurzfassung möchte, kann sie sich da angucken:

http://www.aei.org/files/2012/10/10/-science-left-behind-rise-of-the-antiscientific-left_092448686582.pdf

An ein paar Stellen scheint er sich selbst zu widersprechen, ich vermute aber, dass da einfach Dinge fehlen die er im Vortrag dazu gesagt hätte.


Hadmut
2.1.2013 21:45
Kommentarlink

> Aufpassen, die amerikanische Ideologieeinteilung ist da etwas anders als unsere.

Auch nicht mehr unbedingt. Man findet immer wieder mal Leute hier, die sich in den USA haben indoktrinieren lassen und amerikanische Ideologien zu uns bringen.


O.
2.1.2013 23:11
Kommentarlink

Also, nach den ersten zehn Seiten (eigentlich schon vorher)
dieser Folien, scheint mir das Buch nicht empfehlenswert zu sein.
Berechtiugte Bürgerpüroteste als Technikfeindlichkeit zu denunzieren ist echt eine billige Nummer.
Und “Wissenschaftsgläubigkeit” und Fortschrittsglauben als Gegenmodell zur Technik-Phobie ist keine notwendige Neuigkeit, sondern Rückschritt.
Oftmals verbirgt sich hinter dem Anspruch Wissenschaft zu betreiben nichts weiter als Lobbyismus, der sehr gerne allerlei Fakten ignoriert.

Die Medien und deren vermeintlich einseitige Berichterstattung als Begründung anzuführen, wieso man selbst ein einseitiges Buch verfasst, ist auch so eine billige Nummer.

Sich auf Wissenschaft zu berufen ist heute so, wie man sich früher (oder in anderen Ländern heute noch) auf Gott berufen hat.

Das sieht mir nach ganz übler Meinungsmache aus.

Aber Du hast es ja auch nicht empfohlen, nur erwähnt… *hust*


Stefan W.
2.1.2013 23:13
Kommentarlink

Inwiefern sich amerikanische Klassifizierungen als rechts/links auf deutsche Verhältnisse übertragen lassen halte ich auch für sehr zweifelhaft.

Nicht so sehr, dass Parteien, auf der Suche nach potentiellen Wählern, vor klaren Kampfansagen an Schwachsinn, Blödsinn, Religion und Esoterik zurückschrecken.


Martok
3.1.2013 3:19
Kommentarlink

@O.: er stellt ja auch (oder was das das Interview in der WashPost?) heraus, dass es da durchaus ethische Gründe geben kann, aber einfach aus politischen mit dem “Dagegen!”-Schild rumzulaufen, bringt keinen weiter.

Sehr schön illustrativ find ich ja das Fracking-Demo-Foto (“Fracking causes cancer”). Totaler Blödsinn (jedenfalls was die direkte Kausalität angeht), der einfach nur Angst machen soll – und dabei gäbe es so viele /gute/ Begründungen warum man Fracking bloß nicht tun sollte. Gasaustritt, Grundwasserverschiebungen, Erdrutsche/-verflüssigung etc. – aber diesem Demonstranten geht es eben nicht um wissenschaftliche Argumente, sondern um FUD. Kennt man bei uns eher aus den Pressemitteilungen einer gewissen Ökoterrorgruppe mit “Frieden” im Namen. Aber “Der Deutsche” hat auch nicht diese amerikanische Demo-Kultur, die einfach mal mit Pappschildern auf die Straße latscht 😉

Übrigens hab ich noch das Video (1h30min) vom Talk gefunden.
http://aei.org/events/2012/10/10/science-left-behind-feel-good-fallacies-and-the-rise-of-the-anti-scientific-left/
(Bei 06:45 gehts los)
Und genau das werd ich mir jetzt ansehen. Und dann werden wir ja sehen, wie er das meint und ob sich das Buch lohnt. Hoffe ich 😉


> Berechtiugte Bürgerpüroteste als Technikfeindlichkeit zu denunzieren ist echt eine billige Nummer.

Umgekehrt wird doch ein Schuh daraus: Wer Aktivisten widerspricht ist korrupt… Denn Aktivisten kämpfen aus edlen Motiven, Sachverständige sind geschmiert, denn sie widersprechen den Aktivisten mit ihren Edlen motiven. Durch diese haben die Aktivisten einen Glaubwürdigkeitsbonus, womit sie mehr Anhänger mit edlen Motiven gewinnen und damit noch mehr Glaubwürdigkeit erlangen, usw…

Ein Teufelskreislauf…


Ruru
3.1.2013 6:44
Kommentarlink

Nach dem Studium der Folien sage ich mir: Naja – eben ein Mikrobiologe… und irgendwie ideologisch Bush-indoktriniert (who’s not with us is against us). Er erinnrt mich stark an Zap Branagan aus der Zeichentrickserie Futurama, der das “neutral evil” bekämpft.
Lebte er in Fukushima könnte er das mit den Zweifeln an der Kernenergie sicher nachvollziehen, würde er (wie einige Amerikaner) inzwischen sein Trinkwasser aus dem Tanklaster erhalten, da das Erdgasphracking sein Leitungswasser giftig und dank Methangaseinlagerung “brennbar” gemacht hat, könnte er auch daran gewisse Zweifel sicher nachvollziehen. Wie auch z. B. als Landwirt, der ohne GMO-Pflanzen zu benutzen Patentgebühren an Mosanto für eingeschleuste Roundup-Resistenzen zahlen soll, etc.

Aber es ist so schön einfach, einfach eine Kategorie zu basteln, die für einen selber passt (‘good’) und eben Alles andere in den großen Sack der unwissenden, fanatischen Doofen (‘evil’) zu stopfen.
Dank an Martok für die Folien des Autors, an denen man den Geisteszustand des Autors grob erkennen kann: Das Buch ist sicher Nichts, was man lesen oder sogar kaufen sollte.


Wissenschaft und Wissenschaftsbetrug gehören doch zusammen wie Versuch und Irrtum.

Man sollte da nicht in einen Alarmismus verfallen wie die Grünen es gerne tun. Manchmal sind es ideologische Gründe, wie bei Baer, manchmal schnöde monetäre Sachzwänge. Die Vorstellung einer reinen, unbefleckten Wissenschaft würde ich in der Mystik und in der Utopie verorten.

Ich erfreue mich lieber gerne an wissenschaftlichen Höchstleistungen und bin mir dabei bewusst, dass es daneben jede Menge und viel mehr wissenschaftlichen Durchschnitt, ja unwissenschaftlichen Unfug bis hin zu Wissenschaftsbetrug gibt. Ja, das gibt es alles. Ja, die Welt und seine Menschheit kann böse und ungerecht sein. Das war sie aber immer schon. Aber auch immer wieder zu Höchstleistungen und Außergewöhnlichem fähig.

Der Mensch als solcher ist eben ambivalent. Die Religionen haben das schon immer gewusst: Einerseits Ebenbild Gottes und andererseits zum Bösen fähig, für Sünde anfällig, aber (begrenzt) einsichtig und (bedingt) lernfähig.


Herrmann
3.1.2013 8:46
Kommentarlink

“nicht auf die ganze Linke, sondern die sogenannten Progressives, also das, was sich bei uns für Grün hält”
Nota: Der Begriff ist wesentlich älter. Schon Roosevelt war progressiv. LBJ war progressiv. Die Progressive Era nicht zu vergessen. Alles linke weil staatsgläubige Bewegungen.

“da das Erdgasphracking sein Leitungswasser giftig und dank Methangaseinlagerung brennbar gemacht hat”
Ich dachte, der Drops wäre gelutscht und mittlerweile als Youtube-Hoax entlarvt. Campinggasflasche angeschlossen und schon lodern die Flammen aus dem Wasserhahn. Gutes Fracking für Thermalwasserbohrungen, schlechtes Fracking für Gas?

“Patentgebühren an Mosanto”
Das ist dann ja wohl ein Problem, was der Staat mit seinem Eingreifen erzeugt hat, und nicht die Pflanze.


Herrmann
3.1.2013 9:02
Kommentarlink

“Zweifeln an der Kernenergie”

Ganz so einfach isses leider nicht.

In der Physik gibt’s zwei für die Energiegewinnung relevante Formeln. Halbe Masse mal Quadrat der Geschwindigkeit. Aufgrund der geringen Masse von Wind und Wasser und der beschränkten Geschwindigkeiten müssen wir ziemlich viel Land für kümmerlich wenig Energie opfern.

Kernkraft basiert auf Einsteins Masse mal Quadrat der Lichtgeschwindigkeit. Mit ganz wenig Verbrauch an Land ergeben sich riesige Energiemengen … also zumindest außerhalb von D’land.


Phil
3.1.2013 16:40
Kommentarlink

@Antifeminismus mir währen aber Sachzwänge erheblich wohler als Ideologie.
Bei Sachzwängen kann ein Forscher mit Geld wieder wissenschaftlich arbeiten, aber bei Ideologie gibt es eine solche Möglichkeit nicht.


Allerdings hat sich dieser Hang zur Pseudowissenschaft unter auf anderen Gebieten seriösen Wissenschaftlern ausgebreitet – die Versuchung Ruf und Status für politische Zwecke auszunutzen ist zu stark, seit dem “die Wissenschaft” einen besseren Ruf geniest als Religion und hat damit auch den Missbrauch und die Korruption für politische Zwecke geerbt. Wo “die Wissenschaft” Verbote rechtfertigen kann, da sind die Manfred Spitzers (der wenigstens noch sachlich, gelassen wirkt) und die Jürgen Schönsteins dieser Welt nicht weit:

http://scienceblogs.de/geograffitico/2012/12/15/einfach-sinnlos/#comment-16350


@Phil: Es ist die Frage, ob Sie da wählen können. Um forschen zu können, brauchen Sie Geld. Dann dürfen Sie die Erwartungen des Geldgebers nicht enttäuschen, sonst gibt es nächstes Mal nichts. Und wenn nun das Frauenministerium den Forschungsauftrag oder eine Studie in Auftrag gibt, dann ist die Ideologie (Feminismus und Genderismus) schon unauflöslich mit den Sachzwängen verwoben. Oder machen Sie mal ideologiefreie Klimaforschung und bewerben sich um Forschungsaufträge …


Phil
6.1.2013 1:48
Kommentarlink

@Antifeminismus

Du hast mich falsch verstanden. Die Forscher selbst unterliegen ja in deinem Szenario keiner Ideologie, sondern die Geldgeber.
IMHO ist dies das kleinere Übel.
Problematisch wird es erst, wenn die Forscher selbst Ideologien unterliegen und bestimmte Ergebnisse von sich aus ausklammern, weil sie inkompatibel sind.