Ansichten eines Informatikers

Auf der Spur des gelben 400-kg-Bandes

Hadmut
24.3.2024 21:26

Das Rätsel ist gelöst: Es hat was mit Fliegen zu tun.

Nach fast 40 Jahren weiß ich endlich, was es mit diesem gelben Band auf sich hat.

Leserzuschrift:

40(0)-Kilo-Band

Sehr geehrter Herr Danisch,

eben lese ich Ihre Frage zu dem o.g. Bundeswehrmaterial.

Iin den achtziger Jahren war ich Soldat der Fallschirmtruppe der BW und kenne das von Ihnen beschriebene Band (auf Rollen, gelb, Kunstfaser ohne “Seele” und mit rechteckigem Querschnitt) nicht als 400- Kilo-, sondern als “40-Kilo-Band”.

Es wurde zum Verschließen der Fallschirmpakete der Automatikschirme der Bundeswehr (Modell T 10) verwendet. Die Reissfestigkeit von 40Kg sollte ausreichende Haltbarkeit des Pakets und gleichzeitig eine sichere Trennung des Fallschirmspringers vom Luftfahrzeug erreichen, nachdem der Fallschirm nach dem Absprung vollständig aus dem Paket herausgezogen worden war und sich damit im Luftstrom des fallenden Springers öffnen konnte. Dann musste der Springer natürlich vom Luftfahrzeug getrennt werden, um selbständig zu Boden fallen zu können und nicht am Flugzeug oder Hubschrauber hängen zu bleiben.

Damit war gleichzeitig ein Mindestgewicht von 45Kg für den Fallschirmjäger vorgeschrieben (auch wenn das effektive Gewicht im Fall bzw. beim Absprung aus dem Transportflugzeug bei 240Km/h wegen der Beschleunigung sicherlich trotzdem ausgereicht hätte, um das Band zu zerreissen).

Es gab bei uns einen sehr klein gewachsenen und schlanken Soldaten, der wohl nur knapp auf das Gewicht kam (wäre eher als Jockey geeignet gewesen) und darum vom Truppenarzt “sprunguntauglich” geschrieben und deshalb als Busfahrer eingesetzt wurde.

Dass man mit diesem Band sicher auch einiges Anderes zusammenbinden konnte, glaube ich gerne, aber Auto abschleppen wäre sicher nicht gegangen.

Wenn Sie dieses Band meinten, das sicher infolge der Massenproduktion für die BW auch in anderen Truppengattungen für die von Ihnen beschriebenen Zwecke als “Rödelband” eingesetzt wurde, dann könnte es im Bereich Fallschirmsport zu bekommen sein. Da Produkte für den militärischen Gebrauch allerdings kein CE-Zeichen bekommen, könnte im zivilen Bereich ein nur ähnliches Produkt Verwendung finden.

Ob ein ähnliches Band mit höherer Reissfestigkeit für die BW geliefert wurde, wäre mir nicht bekannt. Paracord, also Fallschirmleine, hat jedenfalls wegen der Seele, also einer Vielzahl dünner, weisser Schnüre im Inneren der olivgrünen Ummantelung, eine erheblich höhere Zugfestigkeit. Ob das fürs Autoabschleppen reicht, glaube ich aber auch nicht.

Vielleicht helfen meine Ausführungen bei der Lösung Ihrer Frage.

Offenbar kennt der Leser das Band, denn er beschreibt es genau. Aber es ist kurios, dass er es als „40-Kilo-Band“ bezeichnet, während die Unteroffiziere es in der Kompanie, in der ich war, als „400-Kilo-Band“ bezeichneten, und ich kann mich ja erinnern, dass da mal einer durch die Bezeichnung versehentlich 400 Kilo von dem Zeug bestellte.

Es wäre insofern plausibel, weil die Namensähnlichkeit frappierend ist und ich mich damals schon wunderte, warum ein Band, das nur den Querschnitt eines Schnürsenkels und eben keine Seele hat (im Gegensatz zu Paracord), 400kg halten soll (was ja der Grund ist, warum ich so danach suche), aber das ist bei uns nie gerissen, wir haben damit alles gemacht und es auch als „Rödelband“ bezeichnet, wir haben es verwendet, um eine Palette Minen „zusammenzurödeln“, einer (der geschätzt auch zwischen 80 und 100 kg gewogen haben mag) hat sich damit eine Hängematte zwischen zwei Bäume gehängt, und da wirken größere Kräfte, obwohl auf vier Bänder, weil an jedem Ende doppelt genommen.

Andererseits habe ich mich bei der Bundeswehr pausenlos gewundert und ständige Leute, Dinge und Vorgänge gesehen und erlebt, die ich vorher nicht für möglich gehalten hätte.

Das kann natürlich sein, dass die das verwechselt haben, denn die meisten hatten schon Probleme mit Lesen und Schreiben, und es wurde nie erwähnt, dass das Band etwas mit dem Fallschirmspringen zu tun hat und bei 40kg reißen soll. Das wurde immer als universelles Pack- und Bindeband für alles und jedes hingestellt.

Es könnte aber erklären, wieso die Kompanie aber an das Zeug kam, das sonst niemand zu kennen scheint (mehrere Leser, die später beim Bund waren, auch als Zeitsoldaten, schrieben mir, dass sie noch nie so ein Band gesehen hätten), das Zeug aber eher knapp und schwer zu beschaffen war. Ich war zwar in einem Pionierbataillon, aber eine Kompanie davon – mit der ich glücklicherweise gar nichts zu tun hatte, die waren äußerst ruppig und rauh, sind gerne mal nach dem Antreten zum Üben alle ins 1. OG gerannt und sind aus dem Fenster gesprungen, und haben in einer Strafaktion auch mal einen in seinen eigenen Spind eingeschlossen und den aus dem 1. OG rausgeworfen, immerhin in einen Baum, der das etwas gefangen hat, hat überlebt – war eine Luftlandeeinheit. Fallschirmspringer.

Das könnte natürlich erklären, wie man in der Kompanie, in der ich war, erstens Kenntnis von dem Band hatte, zweitens so ungefähr den Namen kannte, drittens das Zeug überhaupt bestellen konnte, viertens aber nur knapp, und fünftens dessen genauen Zweck nicht kannte und die Traglast verwechselte. Wenn die Fallschirmspringer das brauchten, war das im Bataillon natürlich bekannt, da gab es ja auch Personalbewegungen.

Es würde erklären, warum wir das damals hatten, aber sonst so viele sagten, dass sie das noch nie gesehen hätten und ihnen das völlig unbekannt sei.

Wenn das Zeug nur 40, und nicht, wie es damals hieß, 400kg hält, und das auch nicht die Mindesttraglast ist, sondern eher die Höchsttraglast, weil es ja bei dem Gewicht reißen sollte (was es bei uns aber nie tat), also eine Sollbruchstelle darstellt, ist das für mich natürlich nicht mehr so interessant. Ich habe seit Jahren immer wieder mal nach dem Zeug gesucht, weil das damals eben so gut war, aber das ist jetzt sehr ernüchternd. Da nehme ich dann lieber doch Paracord (wovon ich auch schon einige Packungen und eine Rolle habe), obwohl ich das nicht so mag, weil Rund und mit Seele, da verrutscht die Schutzummantelung leicht gegenüber dem weißen Innenseil, das die Last trägt. Das bekommt man aber ohne weiteres beim China-Versand, bei Amazon und so weiter.

Erstaunlich.

Seit Jahrzehnten suche ich immer wieder mal nach dieser Strippe, und jetzt, fast 40 Jahre nach meinem Grundwehrdienst, erfahre ich so, was das eigentlich für ein Zeug war, wozu das gut war, und dass ich das eigentlich gar nicht so sehr will, wie ich das immer dachte.

Wenigstens ist mir jetzt klar, warum praktisch niemand dieses Band kennt, auch keine Soldaten, und warum man das im freien Handel nie zu kaufen bekam.

Und wie ich diesen Blogartikel gerade rausschicken wollte, schickt mir der Leser noch eine zweite Mail hinterher:

Weil Ihre Frage auch mein Interesse (wieder)erweckt hat, siehe hier die TDv zum T-10:

https://paraorg.dfv.aero/uploads/h5001003651.pdf

Das Band heisst Aufziehleine – das war mir entfallen, da im Falli-Jargon eben nur von 40-Kilo-Band gesprochen wurde.

„Aufziehleine“. Ich habe mal danach gesucht, das sieht aber auf den ersten Blick nicht danach aus, weil die „Aufziehleinen“, die ich ergoogelt habe, alle einen sehr stabilen, aber flachen Karabiner und ein zwar gelben, aber sehr stabilen und gut vernähten mehrere Zentimeter breiten Gurt zeigen, der nicht das ist, was ich suche. Wenn ich aber das verlinkte PDF durchlese, dann ist darin die Rede davon, dass der, der den Fallschirm packt, da was mit einem Sollbruchband zusammenbinden muss, das auf den schlechten Schwarzweißfotos auch danach aussieht. Googelt man zum Thema Fallschirm und Sollbruchband, dann findet man eine Bemerkung, dass das eher nur im militärischen Bereich und nicht beim zivilen Springen Verwendung findet. Was wiederum plausibel ist, weil die von der Luftlande, genauer gesagt, die Kumpels von der Grundausbildung, die dorthin gekommen sind, mir mal erzählten, dass das kein Spaß wäre, und sie da nicht mit Spaß vom Himmel fallen, sondern im Tiefflug aus einer Transall oder einer CH-53 rausgeworfen werden, sofort der Fallschirm aufgerissen wird, den man vorher einklinkt, und man dann auch schon gleich auf dem Boden aufschlägt, und man gar nicht erst zu einem freien Fall käme, und so schnell auch selbst gar nicht ziehen könnte. Die springen ohne Freifall, die reißen sich schon mit dem Verlassen des Flugzeugs automatisch den Fallschirm auf, und da ergibt das dann auch funktionalen Sinn, dass die das mit Sollbruchstellen machen, damit man nicht am Flieger hängen bleibt, aber auch nicht verpennen kann, den Schirm rechtzeitig zu ziehen. Demnach wäre das nicht die Aufziehleine, sondern nur das Sollbruchband, mit dem die Aufziehleine mit dem Fallschirm verbunden wird.

Auf Seite 36.7 der Vorschrift = Seite 49 im PDF wird das beschrieben, wie das Band einzuknoten ist, und dort ist die Rede von „Sollbruchband (36 daN)“. Die Einheit daN bezeichnet deka-Newton, was 10 Newton oder der Gewichtskraft von ungefähr 1kg entspricht, also bei ungefähr 36 kg, also rund 40kg reißt, um den Fallschirmspringer freizugeben. Was mich daran irritiert: Sie binden es auf dem Foto zur Schlaufe, womit das Gewicht also an zwei Strängen hängt, und damit erst bei ungefähr 80 kg reißen dürfte – das wäre noch getrennt zu diskutieren.

Mit solchem Wissen und Begriffen konnte ich jetzt neu googeln und bin dabei auf ein einziges Foto auf einer einzigen Facebook-Seite gestoßen. Da gibt es nicht nur ein – neues, Jahr 2017 – Foto von eben jenem Band, von dem ich rede, sondern auch den denkwürdigen Text

Bundeswehr
14. Mai 2017 ·
Red Griffin 2017

Bewegliche Teile am Fahrzeug werden Innen und Außen fixiert. Dafür wird Tape oder Sollbruchband verwendet. Das Sollbruchband gibt es in gelb oder weiß.
Gelb hat eine Reißkraft von bis zu 400 Kilogramm und weiß bis zu 50 Kilogramm.
Für Luftfracht wird ein 5/7er Knoten verwendet.
(Foto: Bundeswehr / Jane Schmidt)

Also hat das gelbe Band doch eine Reißkraft von etwa 400 Kilogramm.

Und das würde erklären, warum wir dieses Band verwendet haben, um Minen auf der Palette zusammenzubinden („festzurödeln“), die dann als Außenlast an der UH-1D angehängt wurden (habe ich ja auch mal erwähnt, dass ich mal auf so einem Stapel Minen obendrauf stand, um den an einer fliegenden UH-1D unten am Haken einzuhängen, das war genau so eine Minenhaufen), und das kann natürlich sein, dass dieses 400-kg-Band speziell für Luftfracht gemacht ist, eben damit es bei definierter Kraft reißt, und den Heli nicht gefährdet.

Ich hatte das nämlich mal erzählt, dass an jenem Tag auch etwas schief lief, denn wir haben das den ganzen Tag geübt, einige mussten sich mal auf den Minenstapel stellen und den unten an die heranfliegende UH-1D einhängen, coole Sache das, wann man da mit dem großen Schäkel in der Hand auf den Minen oben drauf stand, dann vor einem die UH-1D vor einem kurz auf den Boden aufditschte, um sich elektrostatisch zu entladen, damit man keine gewischt bekommt, und man dann direkt auf Augenhöhe mit den Piloten des auf einen zufliegenden Helis war, in der Hoffnung, dass einen die Rotorblätter nicht enthaupten, und der dann über einen flog, man unten den Schäkel in den Haken einhängte, und dann nach schräg vorne rechts wegrennen musste, damit der Pilot sehen konnte, dass man weg war und nicht mehr auf den Minen drauf sitzt, bevor er damit losfliegt. Dann flog der damit eine Runde, setzte die Minen wieder ab, indem er im Cockpit ein Pedal getreten hat, das den Haken öffnete, und der nächste war dran.

Und der musste später eine Notlandung machen, weil eben jenes Pedal klemmte, und er den Haken nicht mehr aufbekam, das Lastnetz, in dem die Minen hingen, aber zu kurz war, um aufzusetzen und neben den Minen zu landen: Der konnte nicht mehr landen, weil er mit Minen nicht landen und sie auch nicht mehr abwerfen konnte. Saugefährlich. Wir haben gestikuliert, dass er sie aufsetzen soll, und wir dann wieder auf die Minen steigen, um sie aus dem Haken zu nehmen, notfalls den Schäkel aufzudrehen, er fand dann aber eine Stelle mit einer natürlichen Kuhle, in der er die Minen so abstellen konnte, dass er nebendran landen konnte.

Das ist vermutlich ein Grund, warum da normalerweise Packmaterial mit Sollbruchstelle eingesetzt wird, damit der Heli nicht festhängen und sich im Notfall immer losreißen kann. In dem Fall war es aber ein Netz mit Schäkel wohl ohne Sollbruchstelle.

Das nun aber würde erklären, warum wir in der Kompanie dieses „400-kg-Band“ hatten: Dann nämlich war es nicht das Band der Fallschirmspringer für 36 oder 50kg Bruchlast, sondern ein spezielles Band zum Zusammenbinden von Außenlasten bei Luftfracht mit Sollbruchlast von 400kg, weil wir ja mit deutschen und amerikanischen Hubschraubereinheiten zusammenarbeiteten, die unseren Kram durch die Luft transportierten. Und deshalb hieß es „400-kg-Band“.

Und jetzt habe ich nach 40 Jahren endlich verstanden, was es mit diesem Band auf sich hatte und warum man das nicht zu kaufen bekommt. Und sogar ein Foto davon.

Rätsel gelöst.