Ansichten eines Informatikers

China-Ärger bei Amazon

Hadmut
28.3.2024 16:45

Grrr!

Eigentlich bestelle ich sehr gerne bei Amazon.

Und ich bestelle auch gerne – bestimmte, nicht alle – Sachen in China. Auch über Aliexpress und ähnliche. Ich habe da bisher noch keine schlechten Erfahrungen gemacht, außer dass es manchmal länger dauerte, bis das Zeug da war. Einmal kam etwas beschädigt an, weil die es nur in so dünne Plastikbeutel verpacken und deshalb etwas zerdrückt wurde. Da reichte ein Handy-Foto vom defekten Artikel, und sie haben ein neues Exemplar hinterhergeschickt (zwar genauso schlecht verpackt, aber beim zweiten Versuch kam es gut an).

Bisher (genauer: bis vorhin) wüsste ich nichts Negatives zu sagen. Im Gegenteil: Man bekommt aus China manchmal noch etwas dazugeschenkt. Und wenn man die Geduld hat, zwei, drei, vier oder manchmal auch sechs Wochen zu warten, bekommt man vieles identisch, aber billiger, als hier in Deutschland, weil viele Läden hier auch nur noch China-Kram verkaufen. Bei Dingen, die am 230-Volt-netz hängen, bin ich sehr vorsichtig, weil das nicht immer unseren Sicherheitsvorschriften entspricht (oft aber schon, schließlich wird unser Zeug auch dort hergestellt). Aber gerade so Kleinelektronik und Kleinspannungszeugs bis 5 oder 12 Volt, Fotokleinteile und so Zeugs bestelle ich gerne dort.

Deutlich kritischer sehe ich Temu. Das Zeug, was Temu verschickt, ist meist von minderwertiger Qualität. Ich habe da zwei, dreimal bestellt, und das kam zwar immer flott, aber man kann eigentlich nur Sachen bestellen, die man von anderen Shops oder Lieferanten schon kennt. Bei der ersten Bestellung hatte ich eine Windjacke bestellt, weil es die da in weiß gab und ich eine helle Jacke suchte, die dort 35 Euro gekostet hätte und ich als Willkommensgeschenk nur so etwas um die 3 Euro für die Jacke gezahlt habe. Die macht zwar an sich keinen schlechten Eindruck, aber das auf den Fotos gezeigte Innenfutter existiert nicht und ist nur als Muster innen aufgedruckt, und das Emblem außen drauf schon sehr billig. Bei 35 Euro hätte ich die Stirn gerunzelt, bei 3 Euro ist die Jacke voll in Ordnung, die geht dann mal mit auf Reisen ohne Notwendigkeit der Wiederkehr.

Positiv fällt mir an Temu eigentlich nur auf, dass sich Aliexpress seither mehr Mühe gibt, Konkurrenz belebt das Geschäft. Inzwischen versenden die viel schneller und bieten Kleinkram deutlich günstger und in Sammelversandbeuteln an. Das ist der Vorteil, den ich an Temu sehe, dass dadurch Aliexpress besser geworden ist.

Was mir jetzt allerdings Sorge bereitet, und mit denen war ich bisher auch sehr zufrieden, ist Amazon.

Bisher war das Zeug von Amazon fast immer gut, und wenn mal nicht, dann war die Rückgabe immer schnell, einfach und unproblematisch. Also risikolos.

Amazon wird aber auch immer schräger, seit sie nicht mehr nur Laden sind, sondern da verschiedene Läden Amazon nur als Plattform nutzen, und man nicht mehr weiß, zu welchen Konditionen man etwas kauft. Ob etwas mit Rechnung und mit oder ohne Mehrwertsteuer daherkommt, ist oft ein Rätselraten. Man weiß effektiv immer erst dann, wenn man Artikel, Rechnung und Lastschrift hat, was man bezahlt, und kann nicht einmal die Fristen des Finanzamtes damit einhalten.

Gerade aber habe ich erstmals ein Problem, das mir so noch nicht untergekommen ist.

Ich beschäftige mich gerade damit, Dinge zu erfassen. So im Sinne einer Inventarisierung, mit noch etwas mehr Funktion. Dazu braucht jedes Ding eine eindeutige Nummer.

Also habe ich das Problem analysiert und nach verschiedenen Lösungen gesucht, und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine einheitliche gute Lösung für alles gibt, sondern dass man das etwas mischen muss. Für manche Dinge sind Aufkleber gut, auf die man den Inhaber und eine Nummer schreibt, die man entweder mit einem Labelprinter erstellen kann (die dann aber wegen des Thermodrucks vergilben), oder, am einfachsten, man bedruckt mit einem gewöhnlichen Laserdrucker Klebeetiketten, die es in unterschiedlichen Preislagen und Qualitäten auf Papier, weißer Plastikfolie und Aluminium gibt (wobei Alu auch kein Alu, sondern eine mit einem Hauch von Metall unterlegte Plastikfolie ist, die dann wie Alu aussieht) und damit auch ordentlich aussehen, aber nicht ohne weiteres automatisiert lesen kann. Man kann da natürlich einen Barcode draufdrucken, entweder irgendeinen eindimensionalen, oder einen QR-Code, und optische Barcodeleser für beides bekommt man ja längst für Kleingeld hinterhergeworfen.

Die Crux daran ist, dass man an vielen Gegenständen nur sehr kleine Aufkleber anbringen kann. Die gibt es auch zu kaufen, aber die sind so klein, dass ein 1D-Barcode (also so ein herkömmlicher aus Linien) oder ein QR-Code nicht draufpassen, schon weil die Auflösung des Laserdruckers auf den Plastikfolien schnell an Grenzen stößt und zu kleine Strukturen nicht haften oder abbröseln, aber auch von Lesern nicht erfasst werden. Auch dafür gibt es eine Lösung, die sogenannten Micro-QR-Codes, die nur in einer Ecke das typische QR-Quadrat haben und deshalb viel kleiner ausfallen. Das können zwar nur modernere Barcode-Leser lesen (bei manchen muss man das als Sonderfunktion erst einschalten, weil sie mit jeder Barcodevariante, die sie verstehen, auch langsamer werden), aber auch das geht, ist kein grundsätzliches Problem.

Schwieriger wird es mit Gegenständen, die auf der Außenseite keine sichtbaren Aufkleber vertragen, weil es das Erscheinungsbild verschandelt, oder auf der Außenseite Aufkleber nicht gut halten. Bücher zum Beispiel.

Dafür gibt es dann RFID-NFC-Tags, auch als hauchdünne Aufkleber in schwarz, weiß und transparent, die man etwa unauffällig innen in den hinteren Buchdeckel kleben kann, fällt nicht auf. Prima Lösung, auch wenn da die Haltbarkeit nur für 10 Jahre garantiert wird. Die sind in Deutschland nicht so billig, aber aus China bekommt man sie günstiger, wenngleich auch zu sehr schwankenden Phantasiepreisen. Man denkt, das wäre günstig, und dann findet man einen, der nicht mal die Hälfte dafür verlangt. Geht aber. Das Problem sind eher die Produktfälschungen und dubiosen Varianten, weil es da auch Exemplare gibt, die keine eindeutige Seriennummer haben oder bei denen man die Seriennummer sogar verändern kann, um Dubletten anderer Karten zu erstellen und beispielsweise Zutrittskarten zu fälschen. Die meisten der Originalchips kommen von der Firma NXP, die dafür sorgt, dass jeder Chip eine eindeutige 7-Byte-Seriennummer hat, aber es gibt Behauptungen, dass Fälschungen im Umlauf sind, und die Fälscher sich nicht darum scherten, eindeutige Seriennummern zu verwenden, Seriennummern mehrfach vorkommen können. Man solle deshalb keine RFID-Tags aus China kaufen. Die haben auch noch welche, die keine Fälschungen sind, sondern eigene Typen, aber damit werben, dass man die Seriennummer beliebig schreiben kann, also Dubletten erzeugen.

Geschenkt.

Die Seriennummern sind in den meisten Anwendungen sowieso nicht eindeutig, weil viele Kartenleser aus Rückwärtskompatibilität zu früheren RFID-Standards nicht die 7-Byte-Seriennummer anzeigen, sondern nur eine 10-stellige Dezimalnummer, die u.a. aus den unteren 3 Byte der Seriennummer gebildet wird, und damit sowieso nicht kollisionsfrei ist. Die Details habe ich noch nicht herausgefunden, weil ich keine wirklich aufschlussreiche kostenlose Dokumentation gefunden habe, und die Normen wohl sehr teuer sind.

Das macht bei Inventar aber eigentlich nichts, weil man das ja beim Datenbankeintrag merkt, wenn man Seriennummern doppelt hat. Banal gesagt: Auch wenn es Fälschungen sind und Seriennummer nicht eindeutig oder austauschbar – egal, es erfüllt den Zweck trotzdem, Hauptsache billig und funktioniert. Es löst das Problem.

Aber, ach.

Während man für QR-Codes, selbst für Micro-QR-Codes schon für unter 50 Euro gute, voll taugliche, robuste oder sogar kleine, tragbare Leser bekommt, auch mit Akku und Zwischenspeicher, ist das Lesen von RFID-Tags kein so triviales Ding.

Nicht nur, weil es die in verschiedenen Frequenzen gibt, sondern auch, weil es – soweit ich herausgefunden habe, wie gesagt, ohne Literatur – zwei Kategorien von Lesern gibt, nämlich die einfachen, die man für Zugangssysteme, Inventarsysteme und so weiter verwendet, und die sich gegenüber dem Rechner – wie ein Barcodeleser – als Tastatur ausgeben, und einfach nur die 10-stellige Dezimalseriennummer eingeben, als hätte man sie auf der Tastatur eingegeben (und deshalb prächtig mit Webbrowsern zusammenarbeiten), und die komplexeren, die nach PC/SC wie ein Kartenleser funktionieren und das genaue Lesen und Schreiben auch des RFID-Speichers samt der 7-Byte-Seriennummer erlauben, aber Spezialsoftware benötigen). Moderne NFC-fähige Handys können die Dinger auch lesen und schreiben, aber die Funktion mit der 10-Stelligen Seriennummer habe ich für Handys noch nicht gefunden.

Deshalb wäre es wunderbar, einen günstigen Leser zu haben, der beides lesen kann – Barcode und RFID-Tags.

Gibt es in sauteuer, groß und schwer, so in Hochregallagerqualität, aber ich wollte es klein und billig. Gibt es auch, allerdings nur einen, der unter verschiedenen Handelsnamen auftaucht. Das Original ist wohl der Sycreader R58, der aber beschissen dokumentiert ist. Es gibt wohl den R58B, R58C, R58D, und nicht etwa R58A, sondern R58BC, und es wird nicht klar, welcher was davon kann, oder was überhaupt die Unterschiede sind. Die Beschreibung liest sich so, als könnten die alle Barcode, RFID mit 125kH und RFID mit 13,56 MHz, und unterschieden sich nur im Zubehör und in der Farbe.

Also hatte ich mir bei Amazon einen bestellt, wo sie vier Modelle anpreisen, nämlich die „Farben“ #1, #2, #3 und #4, ohne zu sagen, was die können und machen, und welchem Modell sie entsprechen. Ich hatte die Bilder so verstanden, dass die alles können und sich nur in Farbe und mitgeliefertem Zubehör unterscheiden, und deshalb erst einmal nur den günstigsten bestellt, #3 für 64,23 Euro, weil ich USB-Kabel und Tags reichlich habe.

Kam vorhin.

Macht zwar einen ordentlichen Eindruck, kann aber keine 13,56 MHz – Tags lesen, nur 125kHz. Dafür USB-Kabel und fünf Tags dabei.

Und auf Barcodes reagiert das Ding gar nicht. Genauer untersucht: Da ist gar keine Leseelektronik, keine Optik für Barcodes drin, hinter dem Fenster ist es einfach leer. Nix drin.

Viel, viel, viel googlen und vergleichen führt zu dem unbestätigten Verdacht, dass das B für Barcode, das C für 13,56 MHz und das D für 125kHz steht, denn auf dem Modell, das ich bekommen habe, ist unten ein Aufkleber für R58C und R58D, auf dem D angestrichen ist. Die Anleitung ist für die Modelle B, C und D, aber keinerlei Steuerungscodes dabei, wie man sie normalerweise für Bardodeleser braucht. Vermutlich hätte ich das nirgends näher erwähnte Modell BC gebraucht. Unklar, ob #1, #2, #3 oder #4, vermutlich das Teuerste.

Womöglich ist das Gerät an sich nicht schlecht, aber die Verkaufsdokumentation und das Benutzerhandbuch sind einfach Schrott und unbrauchbar.

Also wollte ich es zurückschicken, weil ich mit dem Gerät ja nun wirklich gar nichts anfangen kann, denn es liest weder Barcodes, noch 13,56-MHz-Tags.

Und bekam von Amazon eine Versandmarke zugeschickt.

Aber: „Ausreichend frankieren“

Die Rücksendung ist nicht kostenlos. Und obwohl ich bei einem „EU“-Shop bestellt habe, muss ich das Ding nach Shen Zhen in China zurückschicken, um das Geld wiederzubekommen. Und ich muss es als Paket mit Sendungsnummer schicken, nicht als Päckchen.

Der Hammer: Das kleinste DHL-Paket nach China kostet schon 45,99 Euro. Päckchen ist billiger, aber ohne Sendungsverfolgung.

Das heißt, ich müsste 45,99 Euro Porto zahlen, um dann – vielleicht – die Rückerstattung von 64,23 Euro zu erhalten. Wobei ich an der Rechnung gerade sehe, dass ich ja einen „Aktionsrabatt“ bekommen hatte und nur 58,84 gezahlt haben soll, was noch zu prüfen wäre, weil da wohl noch steuer drauf kam, ich also nur 58,84 Euro erstattet bekäme.

Und dazu dann noch Verpackungsmaterial und Arbeitsaufwand reinstecken müsste, um ein Teil zurückzuschicken, das nicht der Beschreibung entspricht, denn die Beschreibung suggeriert, dass das Ding alles kann und die sich in Farbe und Zubehör unterscheiden, jedenfalls nicht den Zusammenhang zwischen #1, #2, #3, #4 und Funktionen klarstellt.

Soll ich jetzt also auf das schlechte Geld nochmal 45,99 Euro obendrauf legen, noch Verpackung suchen und das Ding zur Post bringen, um dann vielleicht irgendwann 58,84 Euro oder was auch immer zurückzuerhalten, also bestenfalls 12,85 Euro abzüglich Verpackungsmaterial und Arbeitsaufwand?

Oder belasse ich es dabei, das Ding als Totalverlust zu betrachten, von der Steuer abzusetzen (und damit mehr zurückzubekommen) und einfach nur einen bösen Blogartikel darüber zu schreiben, und vor solchen Geschäftspraktiken zu warnen?

Es mag durchaus sein, dass es ein Modell gibt, vermutlich R58BC, das das tut, was ich will, nämlich Barcodes und 13,56-MHz-Tags lesen. Aber das wäre dann sehr teuer, und – ich habe ja nun eine Anleitung gesehen – unzureichend dokumentiert, weil Barcode-Leser mit einem Buch mit Steuercodes geliefert werden müssen.

Bei Aliexpress bekommt man übrigens für knapp über 10 Euro so kleine RFID-USB-Sticks, zwar im billigen Plastikgehäuse und nicht drahtlos, sondern für an den USB, die aber – zumindest in Bezug auf RFID-Tags – genau das machen, was ich brauche: Die geben sich als Tastatur aus, und tun, wenn man ein Tag dranhält, so, als habe man die 10-stellige dezimale Seriennummer auf der Tastatur eingegeben, prima für eine Eingabe über den Webbrowser.

Ob man USB-Geräten aus China, die sich als Tastatur ausgeben (und damit auch Befehle eingeben könnten) in Sachen IT-Sicherheit traut, und sowas überhaupt anschließt, ist eine andere Frage.

Ich würde mir das mal von unserer Regierung wünschen, die sonst jeden Scheiß detailreguliert und micromanaged, zu klären, ob Dinge, die ich über eine deutsche Amazon-Webseite trotzdem chinesischen Kundenrechten unterliegen (ich weiß nicht mal, welche Rechte man in China als Kunde hat) und ob das nicht hinreichend gekennzeichnet werden muss, wenn man da volles Risiko trägt, oder ob Amazon das so überhaupt darf.

Ich finde es nämlich kurios, dass ich dann, wenn ich direkt in China bestelle, nämlich bei Aliexpress, im Prinzip besser geschützt bin, und die Händler sich da mehr Mühe geben. Ich hatte zwar mal ein externes Akkupack für einen Blitz dort bestellt, das nach dem ersten Tag schon kaputt war, und bin mit dem Händler überein gekommen, dass der mir nur die Platine als Ersatzteil schickt und ich die selbst austausche (es zeigte sich, dass an der Originalplatine eine Lötstelle abgerissen war), aber das ist mir allemal angenehmer, wenn die sich da bemühen.

Man könnte sich jetzt natürlich die Frage stellen, ob deutsche Händler, die den ganzen Rücksende- und Rücknahmekram mitspielen müssen, selbst wenn am Produkt nichts kaputt ist, damit systematisch gegenüber ausländischen Händlern benachteiligt werden, wenn man solche Praktiken zulässt und hinnimmt. Als wollte man deutsche Händler so zerstören wie die Automobilindustrie.