Physikalischem Denkfehler aufgesessen
Mehrere Leser wiesen mich darauf hin, dass ich einen Denkfehler gegangen habe – fast.
Ich hatte geschrieben, dass mir nicht einleuchtet, warum die Erdrotation durch die Klimaerwärmung langsamer werde, denn ich war der Auffassung, dass wenn Gletscher schmelzen, das Wasser ja dann Richtung Schwerkraft (vulgo: nach unten) fließt, deshalb die Erde kompakter wird, und man dadurch – Physikexperiment mit Drehhocker und Hanteln – schneller wird, nämlich wegen der Drehimpulserhaltung.
Der Drehimpuls ist das Produkt aus Masse, Radius der Drehumlaufbahn und der Geschwindigkeit (oder besser gesagt, weil es ja keine punktförmigen Körper gibt, das Integral über den Radius aus Masse und Geschwindigkeit auf dem jeweiligen Radius), und weil das ohne äußere Einflüsse konstant ist, muss bei abnehmendem Radius (Wasser fließt nach unten) folglich die Geschwindigkeit zunehmen.
Dabei bin ich einem Denkfehler unterlegen.
Ich hatte dabei das Bild im Kopf etwa von den Alpen, auf denen der Gletscher schmilzt und das Wasser deshalb nach unten fließt und sich dann, flüssig, näher am Erdmittelpunkt befindet.
Es gehe aber wohl hauptsächlich um das Eis an den Polkappen, das abschmelze (wobei neulich irgendwo stand, dass es das wider Erwarten nicht tue, sondern am Südpol sogar zunehme), und die Polkappen liegen nun mal – drum heiß sie so – nahe an der Rotationsachse. Wenn das Eis an den Polen aber schmilzt, dann läuft es zwar ins Meer und damit nach „unten“, also Richtung Erdschwerpunkt, aber es verteilt sich über die Weltmeere, und damit auch Richtung Äquator, von den Polen weg.
Und damit verringert sich zwar der Radius, der Abstand bezogen auf den Erdmittelpunkt, aber der Radius, der Abstand bezogen auf die Rotationsachse vergrößert sich, weil das Wasser da, wo es hinfließt, weiter von der Rotationsachse weg ist als an den Polen.
Weil nun mal Erdmittelpunkt und Rotationsachse zwei verschiedene Dinge sind. Man kann sich ersterem nähern und trotzdem von der Rotationsachse entfernen.
Das heißt, dass wenn das Wasser von den Polen zum Äquator fließt, kommt es der Erde zwar näher, aber entfernt sich von der Achse, und verliert dadurch zwar an Potentialenergie, gewinnt aber an Drehmoment-Radius, muss also langsamer werden.
Stimmt, diesem Denkfehler bin ich aufgesessen. Den Fehler habe ich gemacht.
Man kann sich das so vorstellen, dass das Wasser auf eine umso höhere Bahngeschwindkeit beschleunigt werden muss, je weiter es von der Achse weg ist, und diese Bewegungsenergie dem Rest der Erde dabei entnommen wird.
Die Erdabplattung
Mir ging dabei noch eine andere Sache durch den Kopf. Denn die Erde ist keine perfekte Kugel. Und es gibt noch die Zentrifugalkräfte.
Der Knackpunkt ist, dass die Erde abgeplattet ist. Was übrigens Positionsberechnungen auf der Erde ein schwieriges Thema macht. Der Radius zum Pol ist ungefähr 6356,7523 km, zum Äquator hin etwa 6378,1370 km. Am Äquator ist die Erde also über 21 km höher als an den Polen. Wegen der Zentrifugalkraft, die der Erdanziehung entgegenwirkt. Deshalb ist man am Äquator leichter als an den Polen, und deshalb schießt man Raketen möglichst nah vom Äquator aus ins All. So gesehen ist nicht der Mount Everest der höchste Berg, sondern der Äquator.
Wenn also Wasser an den Polen schmilzt, kann es dann bergauf fließen Richtung Äquator, oder bleibt es auch im flüssigen Zustand an den Polen? Wasser fließt ja nicht einfach so 21 km den Berg hoch.
Letztlich aber markiert der Meeresspiegel genau die Ebene, in der sich das die Waage hält, also die Fliehkraft durch die Rotation genau dem Drang, zum niedrigeren Pol zu fließen, entgegenwirkt. Sonst würde das Wasser ja Richtung Äquator oder Pol fließen, wenn eine Kraft stärker ist. Man könnte also auf den ersten Blick annehmen, dass die Abplattung der Erde keine Rolle spielt, weil der Kraftgradient überall senkrecht auf der Oberfläche steht, und sich deshalb schmelzendes Polkappenwasser einfach gleichmäßig über die ganze Welt verteilt.
Was es allerdings auch tut und nicht tut (es tut sich bewegen, es tut sich nicht gleichmäßig verteilen), denn das Meer ist auch keine homogene Flüssigkeit, sondern hat durch unterschiedliche Temperaturen und Salzgehalte auch unterschiedliche Dichten. Deshalb haben wir ja Meeresströmungen wie den Golfstrom. Da ist ja Thermik drin, weil sich das Wasser am Äquator stärker aufheizt und warmes Wasser leichter ist, oben schwimmt.
Wasser, das von den Polkappen abschmilzt, ist aber zunächst mal kalt. Das heißt, dass es nicht an die Oberfläche fließt, sondern nach unten.
Das hilft zwar auf den ersten Blick auch nichts, weil es selbst im Mariannengraben, der tiefsten Stelle, weiter von der Achse weg wäre, weil sich ja insgesamt die Meere ausdehnen.
Man müsste aber mal überlegen, ob die unterschiedlichen Temperaturen und damit die unterschiedlichen Dichten
- den Prozess physikalisch verstärken
- dem Prozess entgegenwirken
- oder keine Auswirkung haben
Vielleicht schrumpfen die Meere durch die Abkühlung ja sogar, rücken also insgesamt näher an die Rotationsachse?
Könnte es also sein, dass die Eisschmelze den Meeresspiegel nicht ansteigen, sondern erst einmal absinken lässt? Eher nicht, denn wenn man kaltes Wasser ins Meer kippt, dann ist es zwar kälteres Wasser, aber trotzdem mehr Wasser.
Interessant wäre aber die Frage, inwieweit eine solche Verlangsamung der Erdrotation der Abplattung entgegenwirkt, weil ja die Fliehkräfte abnehmen. Und damit Wasser vom Äquator in Richtung der Pole schwappt. Ob also das Schmelzwasser mehr zu einem Anstieg des Meeresspiegels, oder die Verlangsamung zumindest in Äquatornähe eher zu einem Absinken führen wird.
Vulkanismus
Ganz blöde Frage: Wenn das Abschmelzen der Polkappen die Erdrotation verlangsamt, damit also abbremst, weil Wasser, das sich noch nicht auf einer Umlaufbahn befindet, beim Abfließen ins Meer dadurch auf Umlaufgeschwindigkeit beschleunigt wird, und damit über den Meeresboden die Erde abbremst, führt das dann zu Erdbeben und Vulkanismus?
Bisher schien ja sicher, dass Erdbeben und Vulkane durch das Klima nicht beeinflusst werden können. Können sie das aber indirekt über die Abbremsung der Erdrotation?
Denn die Erde ist ja kein fester Körper, sondern in den Meeren und unter der Kruste flüssig. Das schwappt ja zwangsläufig.
Jedenfalls könnte man den Klimajüngern damit herrlich Angst machen.