Ansichten eines Informatikers

Das Schweigen der Juristen: Was macht Annalena Baerbock zur „Völkerrechtlerin“?

Hadmut
6.4.2024 14:54

Entlarvender Kommentar eines Rechtsanwaltes.

Allerdings eines Schweizer Rechtsanwaltes, Emrah Erken, Arbeitsrechtler aus Zürich, bei NiUS: „Ich komme aus dem Völkerrecht“ – Wie Annalena Baerbock die Bevölkerung in die Irre geführt hat

In die „Irre geführt“?

Früher nannte man sowas „Hochstapler“. Aber das gibt es ja nicht mehr, seit der Feminismus durchgesetzt hat, dass jede einfach alles sein kann, wenn sie nur will. Es gab ja genug Kommentare aus dem feministischen Umfeld, dass Baerbock auch Kanzler kann, „weil sie sich das zutraut“. Einbildung ersetzt Bildung.

Jedenfalls führt er schön aus, und das anhand internationaler Kriterien und Anforderungen an Juristen, dass Baerbock nie und nimmer eine „Völkerrechtlerin“ sein könne.

Nur mit einem Detail bin ich nicht ganz einverstanden:

Annalena Baerbock verfügt über kein abgeschlossenes Jura-Studium. Insofern kann sie von Vornherein keine Bezeichnung haben, die mit “-rechtler” oder “-rechtlerin” endet.

Das ist in der Schweiz vielleicht etwas anders, denn in Deutschland gibt es den Begriff des „Bürgerrechtlers“. Der ist zwar als Begriff anerkannt, aber qualitative Anforderungen werden an den gar nicht gestellt, das ist oft so eine Art Aktivist mit großem Maul, der nichts gelernt hat. Es gibt auch „Tierrechtler“, die normalerweise auch keinerlei Ausbildung außer im Aufbrechen von Türen haben. Und Klimaaktivisten heißen gerne „Klima- oder Umweltrechtler“. In der Folge hat man auch viele Feministinnen als „Frauenrechtlerin“ bezeichnet, obwohl die Birne leer war. Es gibt sogar das Schimpfwort „Männerrechtler“ (synonym zu „Maskulist“) als Gegenbewegung. Ich habe eine ganze Reihe von Interview- und Fernsehanfragen bekommen, weil irgendeine Redaktion einen „Männerrechtler“ (zum Vorführen als Watschenhansel) suchten. Wenn ich rückfragte, wie sie darauf kämen, dass ich so etwas sei, hieß es immer, ich kritisierte doch den Feminismus und Frauenrechte – also müsse ich doch „Männerrechtler“ sein. Ich habe solche Anfragen allesamt mit der Begründung abgelehnt, dass mir jemand entschieden zu blöd ist, der mir unterstellt, dass ich genau denselben Fehler machte, nachdem ich Frauenrechte für einen systematischen Fehler halte. Das ist in Deutschland immer etwas schwieriger, wann sich jemand als „-rechtler“ bezeichnet oder auch gegen eigenen Willen als solcher bezeichnet wird.

Dafür gefällt mir eine andere Stelle in seinem Kommentar umso besser, die ich ausdrücklich herausheben will:

Erstaunlich finde ich lediglich, dass in den Medien diese Selbstbezeichnung nie ernsthaft hinterfragt wurde. Man hat ihr, weil man offensichtlich ihre Kanzlerkandidatur unterstützten wollte, den Unsinn abgekauft. Noch erstaunlicher finde ich, dass kein einziger deutscher Anwalt mit einem LL.M.-Titel nach vorne trat und sie entlarvte. Ein solcher Anwalt hätte auch anonym bleiben und einen kritischen Journalisten über diese Dinge aufklären können. Wie kann es sein, dass man es als deutscher Anwalt mit diesem Titel nicht als seine staatsbürgerliche Pflicht ansieht, einen solchen Humbug zu entlarven, und dies nicht einmal anonym? Warum muss ich als Schweizer Rechtsanwalt so etwas tun? Wovor haben die deutschen Kolleginnen und Kollegen Angst?

Deutschland ist doch euer Land und nicht meins, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Frage ist sehr gut. Darüber habe ich mich auch schon gewundert, denn in den letzten Jahrzehnten musste ich mir unzählige Male von Juristen anhören (inzwischen nicht mehr so, seit ich da einige Dinge geschrieben habe, den einen oder anderen habe ich da auch als Nichtjurist beeindruckt), dass man als Nichtjurist (=unterhalb der Staatsexamen) Rechtsfragen nicht nur nicht beurteilen könne, sondern sich noch nicht einmal dazu äußern dürfe.

Wurde mir auch schon per E-Mail und auf Twitter von Anwälten um die Ohren gehauen, dass man unterhalb der Staatexamen zur Exegese von Gesetzen und Verordnungen weder befugt noch befähigt sei und stets einen Juristen zu konsultieren habe.

Die Gegenfragen, nämlich a) wie man dann als Normalbürger überhaupt verpflichtet sein kann, sich an Gesetze zu halten, die zu verstehen man weder befugt noch befähigt sei, b) warum die Gesetze dann von völligen Rechtslaien und Universalversagern in den Parlamenten zusammengeschwätzt werden können, warum ich c) schon so viele Juristen auf einem Wissensniveau ertappt habe, dass kein Stück oberhalb von „ahnungsloser Laie“ liegt, und warum sich d) Juristen dann ohne jede Ausbildung berufen fühlen, in alle anderen Fächer und Berufe reinzureden, wurden mir noch nie beantwortet.

Das genaue Gegenteil dieses Effektes gibt es auch: Hat jemand die Staatsexamen, einen hohen Posten gar, gilt es automatisch als richtig und maßgeblich, was der sagt. Ist jemand beispielsweise mal Verfassungsrichterin geworden, egal, wie dämlich und inhaltslos seine Schriften sind, gilt das als Ausweis hoher Befähigung, gelten die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts als bibelgleich und Gottes Wort, das zu befolgen und keinesfalls anzuzweifeln oder zu kritisieren ist. Das ist mir gerade neulich wieder aufgefallen, bei meiner Stellungnahme für den Bundestag. Vergleich mal meine Stellungnahme mit der des Prof. Dr. Ferdinand Wollenschläger, Ordinarius für Öffentliches Recht, Europarecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg. Darin geht es ausschließlich darum, welches hohe Gericht etwas anerkannt, gestattet, erkannt hat. Eine qualitative Kritik findet nicht statt – wenn ein Gericht etwas entschieden hat, dann ist das so, basta. Die Frage, ob da Juristen gemurkst haben oder einfach nicht wussten, wovon sie schwätzen, kommt da nicht vor. Weil es bei den Juristen kein „richtig“ und „falsch“ gibt, sondern nur die Frage, ob eine Rechtsmeinung „vertretbar“ ist. Und damit hat man juristisch umso rechter, je höher man in der Hierarchie ist, weil eine Meinung, über der „Urteil“ steht, per se vertretbar sei. Umgekehrt kann die Meinung eines Laien per se nicht vertretbar sein, weil er mangels Examen weder meinungsbefügt noch vertretungsbefähigt ist. Bei den Juristen ist die Begründung ziemlich egal, es geht vorrangig darum, wer sie äußert und aus welcher Position heraus.

Gerade deshalb ist es aber eine hochinteressante Frage, warum der Normalbürger sich bei jeder Gelegenheit von Juristen sagen lassen muss, dass man unterhalb der berühmten „Befähigung zum Richteramt“ von Recht keine Ahnung haben könne, eine Annalena Baerbock aber völlig widerspruchslos daherkommen und sich als „Völkerrechtlerin“ aufspielen kann. Die ARD hatte sie ja sogar als Juristin und sinngemäß so etwas wie „von einer internationalen Eliteuniversität“ und „Spitzenausbildung“ bezeichnet. Den genauen Wortlaut müsste ich raussuchen.

Man ist aber der Frage nie nachgegangen, warum die ARD das behauptet hatte – kam die Falschinformation von Baerbock selbst?

Die Diskussion um Baerbock kam ja damals auch in Gange, als ich geschrieben hatte, dass Baerbock den angeblichen Bachelor, mit dem die Süddeutsche sie beschrieben hatte, nicht haben konnte, weil es den an dieser Universität zu der Zeit noch gar nicht gab, und die Süddeutsche ihren Artikel daraufhin korrigierte. Es wurde aber nie geklärt, an welcher Stelle die Falschinformation bestand, ob die von der Süddeutschen dazugedichtet oder verwechselt wurde, oder ob Baerbock selbst oder die Grünen sie falsch informiert hatten, denn auch bei den Grünen hieß es mal, sie hätte einen Bachelor.

Es ist eine sehr gute Frage, warum Baerbock in einem Land, in dem Juristen sonst eifersüchtig darüber wachen, dass nur Staatsexamensjuristen sich als Juristen ausgeben und zu Rechtsfragen äußern, ohne jede Gegenrede und jeden Juristenkommentar (zumindest wäre mir keiner bekannt geworden, und die Leser, auch Juristen, schickten mir normalerweise alles, was dazu zu finden war) durchgekommen ist.

Geht es Juristen da so wie Klimawissenschaftlern an der Uni? Wer etwas gegen die Regierung sagt, ist erledigt?

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man zumindest manche Juristen durchaus auch beeindrucken kann, wenn man sich juristisch äußert. Vor allem dann, wenn man ihnen Fehler darlegt oder etwas sagt, was sie noch nicht wussten. Und die einen dann ernster nehmen.

Aber hat Annalena Baerbock jemals irgendetwas zum Recht, wenigstens zum Völkerrecht, gesagt oder geschrieben, was man überhaupt kommentieren könnte?

Hat die bisher auch nur einen einzigen Piep zum Völkerrecht geäußert?

Warum also lassen die deutschen Juristen es ihr kommentarlos durchgehen, wenn sie sich als Völkerrechtlerin ausgibt?

Weil es wieder einmal nur mit der Stellung und dem Posten zu tun hat, und nicht damit, was man sagt, oder eben noch nie gesagt hat?