Berlin – U8
Von der Verwahrlosung.
Ich wohne berlinerdings eigentlich in einer guten, aufgeräumten Gegend – in Berlin Mitte. Und zwar genau auf dem ehemaligen Todesstreifen. Vor 10 Jahren hatte ich noch die Original-Straßenleuchten des DDR-Grenzübergangs Heinrich-Heine-Straße vor dem Küchenfenster, auf dessen Fläche dann ein Supermarkt und ein Gebrauchtwagenmarkt (welcher kurz danach durch Neubauhäuser ersetzt wurde) entstanden.
Kreuzberg ist nur einen Steinwurf weit weg, und die Bodenmarkierung für den ehemaligen Verlauf der Mauer geht auch an der nächsten Straße vorbei. Obwohl es nur ein paar Meter sind, merkt man einen Riesen-Unterschied zwischen Mitte und Kreuzberg. Ich hatte ja geschrieben, dass sie neulich die RAF-Terroristin hier gleich um die Ecke festgenommen hatten, in einem Haus, an dem ich schon unzählige Male vorbeigekommen bin. Ich hatte schon mal im Blog von einem Haus erzählt, dessen Bewohner den Müll nicht immer in die Tonne, sondern oft davor werfen. Und es deshalb – zeitweise – dort so viele Ratten gab, dass wenn man da abends vorbei lief, die einem vor den Füßen rumhuschten (allerdings völlig friedlich). Das war das, in dem die da festgenommen wurde. Sie kaufte ja auch in dem Supermarkt ein, der schon Gegenstand vieler Blogartikel war. Da, wo die Bewohner den Müll in die Tonnen werfen, und sauber gemacht wird, gibt es auch keine Ratten. Ich habe vor ca. 8 Jahren hier mal eine gesehen, die offenbar die Lage erkundete, und sonst niemals eine. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass ich hier schon Füchse gesehen habe, und mal auf dem Rückweg von besagtem Supermarkt mit dem Einkaufskram im Schlepp ein Fuchs über etwa 10 Meter direkt neben mir hergeschlendert ist, als wären wir beste Freunde, bis er halt abbog, weil er woanders hin musste.
Ich schrieb aber auch schon, dass wir hier ein Einbruchsproblem haben. In die Wohnung sind sie mal eingebrochen, während ich im Bett lag und schlief, weil ich vergessen hatte, ein schräg gestelltes Fenster zu schließen. In den Keller sind sie schon einige Male eingebrochen, und in den Nachbarhäusern haben auch schon „ungebetene Gäste“ im Treppenhaus übernachtet, obwohl das hier – sehr gepflegt von der Verwaltung – eigentlich noch eine der besten Gegenden in Berlin im Innenstadtring ist.
Man merkt das auch an den U-Bahnen. Die U8, die hier vorbeiläuft und dann nach Kreuzberg und Neukölln fährt, ist eine Katastrophe. Die U2, die auf der anderen Seite fährt und die Innenstadt entlang, ist drastisch vornehmer und sauberer. U2 fahre ich gerne. U8 meide ich, wenn möglich. Ich kann mich noch erinnern, dass ich mal vor vielen, vielen Jahren sehr früh morgens U8 fahren musste, um einen Flieger zu einem beruflichen Termin zu kriegen, und die Zwischenetage so voller Drogendealer und -kunden war, dass ich schlicht nicht durchkam und bitten musste, mich mal durchzulassen. Ich habe auch die Druckwelle in der Wohnung gespürt, als sie in der U8-Station mal den Geldautomaten gesprengt haben. Es gibt Obdachlose, die in den U-Bahnstationen der U8 „wohnen“. Pinkeln. Rauchen. Sonstiges.
Vor vielen Jahren hatte ich darüber mal mit einem Lokalpolitiker gesprochen. Der erklärte mir, dass die eigentliche Drogenlinie die U1 sei, wo es zwischzeitlich mal so war, dass man von der Hochbahn nicht auf die Straßenebene kam, ohne von mindestens drei Drogendealern angequatscht zu werden, um Drogen zu kaufen. Die Strecke hätten die Afrikaner übernommen, die gewalttätiger seien, und deshalb hätten die anderen Dealer in die Nebenstraßen ausweichen müssen und seien nun an der U8.
Es hatte sich wieder gebessert, aber so dann und wann lagen hier schon noch Spritzen auf Grünstreifen entlang den Straßen rum. Man freut sich über jeden Grünstreifen, der durch einen Neubau ersetzt wird.
Gerade informiert ein Nachbar per Rundschreiben, dass die Sicherheit in den Häusern nun beeinträchtigt sei.
Die Berliner Verkehrsbetriebe nämlich würden gerade einiges daran setzen, die U8 durchzuwischen und wieder ordentlich zu machen. War zu schlimm. Das nun aber führe dazu, dass eben diese Leute, die man dort rauswirft, sich in die umgebenden Häuser einnisten würden.
Der Hausmeister werde künftig eine zusätzliche Runde am Morgen machen, um unerwünschte Gäste zu wecken und rauszubitten.
Wohlgemerkt: Eine der bestgepflegten und überhaupt besten Gegenden, die man im Innenstadtbereich Berlins finden kann. Genossenschaftswohnungen, alles sehr sorgfältig und zuverlässig gepflegt. Als ich vor 10 Jahren hierher gezogen bin, war das noch alles bestens.
Ach, und sie sparen jetzt an Polizeiautos.