Ansichten eines Informatikers

Vom Unterschied zwischen einem Binär- und einem Dualsystem

Hadmut
26.7.2024 13:54

Noch etwas Klugscheißerei zum Tage.

Nochmal zu diesem Tweet der Gesellschaft für Informatik:

und weil mir dazu ein Leser schreibt

Nun sie haben das Binärsystem nicht verstanden: Entweder/oder sind ZWEI Möglichkeiten, binär 10 entspricht doch 4 oder?

(Nein, 10 entspricht 2, und 4 wäre 100)

dazu noch eine Informatiker-Klugscheißerei: Die GI ist zwar vorrangig ein Lobbyverein von Informatikprofessoren, durch Sachkunde sind die aber schon öfter nicht aufgefallen.

Der Witz bezieht sich nämlich nicht nur auf 10 statt „Zehn“, sondern auf das Dualsystem und nicht das Binärsystem. Mit so einer Aussage hätte man in der Prüfung drastisch Punkteabzug bekommen.

Das Dualsystem ist ein Binärsystem, aber nicht jedes Binärsystem ist ein Dualsystem. „Binärsystem“ sagt nämlich nur, dass das System aus einem Zeichenvorrat mit zwei Zeichen besteht, aber nicht, was sie bedeuten und wie sie verwendet werden. Deshalb verwendet man in der Elektronik auch nicht 0 und 1, sondern L und H (Low und High) für die Spannungzustände, weil die Logikgbausteine auf zwei Zuständen beruhen (binär sind), man dabei der Sache aber noch keine Bedeutung zuordnen will.

Erst dann, wenn man Zahlensysteme reinbringt und man damit auch eine Basis-Darstellung zu einer festen Basis hat, und das auf deren Potenzen aufbaut, bekommen die Dinger Bedeutung, dann heißen die vier geläufigen nämlich nach ihrer Basis + “al”

  • dezimal (10)
  • dual (2)
  • octal (8)
  • hexadezimal (16)

Was übrigens ein informationstheoretisches Problem aufwirft, weil diese eigentlich noch ein drittes, nämlich ein Stopp-Zeichen brauchen (also eigentlich nicht binär im engeren Sinne sind), weil Zeichenketten ohne Längenangabe und Stopp-Zeichen unendlich lang sind (Nachrichtenquelle usw.) Bei Zahlen behilft man sich, indem man unterstellt, dass es lediglich die Schreibweise und Notation ist, die unendlich vielen Nullen davor wegzulassen. Es ist sprachtheoretisch ein erheblicher Unterschied, ob eine Sprache in der Lage ist, 010 und 0010 zu unterscheiden. (Damit habe ich mal bewiesen, dass der One-Time-Pad nämlich nicht, wie in der Kryptographie immer behauptet, unbrechbar sicher ist, weil er das nämlich nur auf Nachrichten fester Länge (genauer gesagt: einer endlichen Nachrichtenmenge) oder unendlich langen Nachrichten sein kann, aber nicht auf einer unendlichen Menge von Nachrichten endlicher Länge. In dem Moment, in dem Nachrichten unterschiedlich lang sein können, gibt es keine beliebige und damit unbrechbare Zuordnung von Klartexten zu Chiffretexten mehr. Das ist wichtig, wenn man sich wirklich gegen Abhören schützen will.)

Auch ein binäres Zahlensystem wäre etwa, einfach die Einsen zu zählen und die Nullen zu ignorieren: 01101 = 3

Ein bekannteres, früher in der Computertechnik gebräuchliches, binäres, aber nicht duales Zahlensystem war das BCD-System (BCD = Binary Coded Decimal), in der Zahlen im Dezimalsystem dargestellt wurden, und jede Ziffer in vier Bit (nicht zu verwechseln mit dem Hexadezimalsystem, in dem die vier Bit von 0 bis F = 0 bis 15 , währen sie hier nur von 0 bis 9 gingen). Das war ein binäres Dezimalsystem.

Vereinfacht gesagt: Die Attribute, die auf -är enden (wie binär) sagen, wieviele Zeichen es im Zeichenvorrat gibt, sagen aber nicht, was und wie sie es darstellen. Und die, die auf -al enden, bezeichnen über Potenzen einer Basis aufgebauten Zahlendarstellung zu eben dieser Basis.

Wenn Ihr das verstanden habt, wisst Ihr schon mehr als viele Informatik-Professoren. Und erstaunlich vielen Informatik-Professorinnen fällt zu „binär“ ohnehin nur noch Geschlechtssausen ein.

Die Gesellschaft für Informatik greift da aber nicht zum ersten Mal daneben.

2006 wollten sie schon mal witzig sein und gaben Aufkleber aus mit „Ich bin eine Null dank Informatik – www.informatikjahr.de“ und „Ich bin eine Eins dank Informatik – www.informatikjahr.de“

Auf die Semantik von „Ich bin eine Null dank Informatik“ sind die damals auch nicht gekommmen.