Ansichten eines Informatikers

Opa muss weg

Hadmut
29.7.2024 16:14

Lösungen für Wohnungsnöte.

In vielen Medien berichtet, aber die Urquelle ist wohl die Neue Osnabrücker: Bauministerin Klara Geywitz will die Leute aus der Stadt aufs Land verfrachten.

Also dahin, wo in Deutschland kaum Internet, schlechte Mobilfunkabdeckung herrscht, man 20 Minuten zum Supermarkt fährt und der Bus einmal am Tag (Mo-Fr) kommt, keine Bibliotheken, keine Theater, keine Kinos, einfach gar nichts mehr hat. Wo dann auch keine Polizei und kein Rettungswagen mehr hinkommt, sondern nur der Bestatter im Sammeltransport über die Dörfer fährt und Kundschaft einsammelt. „Bei Ihnen ist er immer Dienstags.“ – oder jeden 3. im Monat. Oder der DHL-Bote holt die mit ab, Spezialkarton.

Und wie formuliert man das? Nein, nicht als Problem der Wohnungsnot, sondern:

So ist es, knapp zwei Millionen Wohnungen in Deutschland stehen leer. Zwei Drittel der Bevölkerung lebt zudem in Regionen, wo Wohnen bezahlbar ist. Aber in unseren Großstädten oder Metropolregionen herrscht ein riesiger Bedarf. Wir werden Ende des Jahres eine Strategie gegen den Leerstand vorlegen. Denn es ist auch viel umweltfreundlicher, vorhandene Häuser zu nutzen, statt neu zu bauen.

Strategie gegen den Leerstand. Deutschland leide unter Wohnungsleerstand.

Wie sieht Ihre Anti-Leerstand-Strategie aus?

Wir suchen gerade mit der Wissenschaft und anderen Ressorts nach neuen Wegen, Menschen für die Nutzung von leerstehendem Wohnraum zu interessieren. Gerade in kleinen und mittelgroßen Städten ist das Potenzial groß, weil es da auch Kitas, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Ärzte gibt. Es wird da viel schwarz-weiß gemalt, die Metropole wird gegen das fast verwaiste Dorf mit einer einzigen Bushaltestelle gestellt…

Was braucht man auch mehr als Kita, Schule, Einkaufsmöglichkeit und einen Arzt? Sozialistische Basisausstattung?

Heißt im Klartext: Die Deutschen sollen raus aus den Städten. Ein Effekt, der in vielen Großstädten der Welt schon zu sehen ist, dass die Städte fast nur noch migrantisch besetzt sind und sich die eigene Bevölkerung auf das Land zurückziehen muss. Man ginge auf die Barrikaden, würde man mit Indianern genauso umgehen.

Etwas anders formuliert die TAZ dasselbe Problem: Wohnungsknappheit: Opa hat Platz

Ah, ja. Obwohl Frauen im Durchschnitt 5 Jahre länger leben und man bisher beklagte, dass Witwen alleine in Häusern für eine Familie hocken, sind nun – wie immer – die alten weißen Männer das Problem.

Die Konzentration auf die Kernfamilie bis hin zu Singlewohnungen im urbanen Raum ist nicht immer schon dagewesen. Wohnen unterliegt einem kulturellen Wandlungsprozess, der Zeit braucht. Wenn man die Infrastruktur und die Wohnangebote schafft, die es den Menschen ermöglichen, sich zu verändern, werden sie das auch tun.

Aha. Bietet man Leuten an, sich zu verändern, werden sie das auch einfach so tun. Man ist ja „progressiv“ und fragt nicht, ob es eine Verbesserung ist.

Besonders älteren Menschen wird oft nachgesagt, dass es ihnen schwer fällt, sich wohnlich zu verändern.

Die Frage nach dem Wohnen im Alter hat heute eine ganz andere Dringlichkeit und Qualität bekommen, als in früheren Generationen. Es wird gepredigt: „Alte Menschen verpflanzt man nicht.“ Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass das nicht stimmt.

Ach, eben hieß es noch, dass Menschen das von selbst tun. Und jetzt werden Alte „verpflanzt“.

Wie will ich wohnen, ist eine große Frage. Dahinter stehen sehr persönliche Geschichten. Wir wissen seit Jahren, dass sich immer mehr, vor allem ältere Menschen in großen Wohnungen überfordert fühlen.

Ich habe noch nie gehört, dass sich irgendwer von einer großen Wohnung überfordert fühlte. Im Gegenteil: Meine Großeltern sind irgendwann aus ihrem kleinen, alten Stadthäuschen aufs Land gezogen, nicht etwa weil sie aufs Land wollten, sondern weil sie es kostenneutral gegen ein viel größeres Haus austauschen konnten. Meine Großmutter war heilfroh, dass sie endlich – obwohl nur zu zweit – so ein richtig großes Haus hatten, für alles ein eigenes Zimmer. Endlich musste sie das Bügelbrett nicht mehr ständig raus- und einräumen, konnte es einfach stehen lassen, weil eigenes Zimmer nur für den Wäschekram. Und beide fanden es herrlich, endlich mal ein richtig großes Wohnzimmer mit getrennter Sitzlandschaft vor dem Fernseher und Esstisch mit Stühlen zu haben. Die haben sich sehr gefreut, endlich mal viel Platz zu haben, alles ordentlich aufräumen zu können und nicht alles immer so zusammengestopft zu haben.

Ich hatte ja auch schon große und kleine Wohnungen. Und ich fand die kleinen immer viel anstrengender, weil alles irgendwie im Weg steht, deshalb alles zerklüftet ist und verstaubt, sich letztlich überall Dreck sammelt, und man enorm viel Zeit mit Auf-, Um-, Weg- und wieder rausräumen vergeudet. Ich fand große Wohnungen immer viel angenehmer und zeitsparender, viel weniger anstrengend.

Über alternative Angebote für diese Gruppe nachzudenken, ist ein wichtiger erster Schritt. Das bedarf Beratung und Förderung und auch eine Kommune, die überhaupt mal auf die Menschen zugeht und fragt: „Geht es euch noch gut, so wie ihr wohnt?“

Wie könnte ein Alternativangebot aussehen?

Dafür muss man wissen, was die Menschen im Einzelfall wollen. Wollen sie ihre Wohnung gegen eine kleinere tauschen? Wollen sie gemeinschaftlicher wohnen? Oder können sie sich vielleicht vorstellen, Leute ins Haus zu holen und so ihre eigene Wohnfläche zu verkleinern?

Und wenn die Leute alles drei nicht wollen?

Wer will in heutigen Zeiten schon seine Wohnung aufgeben und mit irgendwelchen fremden Leuten teilen? Weiß der Henker, wen man sich ins Haus holt. Hört sich an wie Horror-Movie.

Ich kenne niemanden, der so etwas wollte.

Die Leute haben ja heute schon Angst, auf irgendein öffentliches Damenklo zu gehen, weil sie nie wissen, wer da lauert oder reinkommt. Wer will so etwas in der Wohnung haben? Für mich wäre das der Horror, mit irgendwelchen Leuten zusammenwohnen zu müssen. Ich habe das Studentenwohnheim gerade so verkraftet und das Gruseln in den WGs gelernt, die ich kannte und besucht habe.

Schaut man sich den Wohnungsbestand an, stellt man fest, dass es eigentlich keinen Mangel gibt. Der Bestand ist zu einem großen Teil in einer Zeit gebaut worden, in der es noch selbstverständlich war, in Familien zu leben und nicht überwiegend in Ein- und Zweipersonenhaushalten. Familienfreundlicher Wohnraum ist also eigentlich ausreichend vorhanden, er wird nur oft nicht von Familien genutzt.

Was auch nicht stimmt, denn früher war das selbstverständlich, dass bestimmte Leute alleine Wohnten, wie Pfarrer, Lehrerinnen und ähnliches. Das galt früher als nicht schicklich, unzüchtig zu leben, und deshalb lebte man da durchaus allein. Ausnahme war das Kloster.

Tatsächlich werden Einfamilienhäuser in Deutschland im Schnitt von etwas mehr als zwei Personen bewohnt. Der Wohnraum existiert also, er ist nur schlecht verteilt.

Ah, ja. Wohnraum umverteilen.

In Deutschland haben Menschen ab 65 Jahren durchschnittlich 44 Prozent mehr Wohnraum als die Gesamtbevölkerung.

Und?

Ich würde wetten, dass Menschen über 65 durchschnittlich auch 44 Prozent mehr gearbeitet und mehr Dinge haben als die Gesamtbevölkerung.

Und ich würde wetten, dass es Menschen über 65 durchschnittlich schwerer fällt, ihren Kram ganz unten in oder ganz oben auf Schränke zu räumen, sie also schon körperlich mehr Platz brauchen.

Und ich würde ebenso wetten, dass Menschen über 65 schlechter zu Fuß sind, schwerer aus dem Bett kommen, eher Rollator oder Rollstuhl brauchen, und schon deshalb mehr Platzbedarf haben. Stichwort: Altersgerechtes Wohnen. Wieviel Platz braucht ein Bettenlift für Pflegestufe?

Wieviel Platz braucht in Mensch im Bad, der sich nicht mehr bücken kann und unter der Dusche sitzen muss?

Nachverdichtungs- oder Umnutzungsprojekte scheitern häufig an Bauplänen und Flächennutzungsplänen. Da geht es um technische Normen, die sich etabliert haben. Schallschutz, Energieeffizienz, Brandschutz – da gibt es im Wohnbau ganz andere Anforderungen als im Nicht-Wohnbau. Wenn ich zum Beispiel nachverdichten will, scheitert das oft an der Stellplatzsatzung, die vorschreibt, wie viele Pkw-Stellplätze pro Wohneinheit gebaut werden müssen.

„Nachverdichten“ – das Wort ist für mich der blanke Horror. Hört sich an wie Beamten- und Sozialistendeutsch für „Vollstopfen“.

Es gibt in Deutschland viele Menschen, die nicht ausreichend Wohnraum zur Verfügung haben. Wenn man diese Menschen angemessen mit Wohnraum versorgen will, ohne alle Nachhaltigkeitsziele zu reißen, braucht man auch Menschen, die Wohnraum abgeben. In der Gruppe der Abgebenden gäbe es viele, viele Menschen, für die das kein Verzicht wäre, sondern ein Qualitätsgewinn.

Lasst Euch mal die Formulierung auf der Zunge zergehen: „Die Gruppe der Abgebenden.“

Laut Einsamkeitsbarometer des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fühlen sich Menschen über 75 besonders häufig einsam. Eine generationenübergreifende Wohngemeinschaft kann durch Gesellschaft, gemeinsamen Alltag und Aktivitäten gegensteuern.

Political correctness: Du hast Dich gefälligst einsam zu fühlen und um Gesellschaft zu bitten.

Ich hätte einen ganz anderen Vorschlag: Wir hätten nämlich genug Platz, wenn wir den Migrationskrampf bleiben lassen. Denn vor der Migration hatte wir mehr als genug Platz, obwohl wir auch da schon Singles und Alte hatten.

Vor knapp 20 Jahren war das noch so, dass wenn man in den Wohnungsportalen nach einer Wohnung in Berlin suchte, man so 3000 Angebote bekam, die einem auch versprachen, dass man einen Großbildfernseher dazugeschenkt oder die ersten drei Monate mietfrei bekam, wenn man bereit war, einzuziehen. Und da hatten wir schon Singles und Alte.

In dieser Wohnungsdiskussion wird die Schuld immer Alten und Singles zugeschoben. Das Wort Migration kommt darin nie vor. Als ob man Millionen Leute in ein Land quetschen könnte und die Wohnungsnot dann Schuld derer ist, die ihren Wohnraum nicht teilen wollen.

Zynisch wie Kommunismus.