Ansichten eines Informatikers

Die Olympischen Spiele von Paris

Hadmut
12.8.2024 1:20

Auch wenn ich für meine positive Bewertung der Eröffnungsfeier schon Dresche bezogen habe: Ich fand die Spiele gut.

Die Abschlussfeier fand ich etwas dünn, obwohl gut gesungen, und von dem großartig angekündigten Tom Cruise und dem LA-Video hätte ich mir auch mehr erwartet, das war bei früheren Abschlussfeiern besser, aber die Spiele selbst fand ich gut.

Mir hat da zwar so ein Höhepunkt gefehlt, so etwas wie damals Eddie the Eagle oder irgendein totales Drama, also an sich viel von „Nichts besonderes“, aber ich fand die Spielstätten an historischen Orten schon sehr toll, auch wenn das vielleicht nicht die Idee von Paris alleine war, sondern angesprochen wurde, dass das IOC selbst einen neuen Stil vorgegeben hat, nämlich nicht alles neu zu bauen. (Es gab ja, unter anderem aus Griechenland, hässliche Bilder von völlig verfallenen Sportstätten, die extra gebaut worden waren und die hinterher keiner mehr nutzte. Was aber vorher schon bentuzt wurde, wird auch hinterher weiter benutzt.)

Und da hat Frankreich, da hat Paris, auch wenn in einem eigentlich ziemlich heruntergekommenen Zustand, doch noch einige beeindruckende, historische Locations zu bieten. Das war schon toll, und die Sportler haben sich ja über die Sportstätten auch begeistert geäußert.

Mir sind auch zwei Details sehr positiv aufgefallen: Ich fand es eine famose Idee, ein Stück Eifelturm in die Medaillen zu packen. Das macht das Ding zu einem echten Andenken an die Stadt. Und die Idee mit der Glocke, die jeder Goldmedaillengewinner läuten darf und die dann in Notre Dame aufgehängt wird, fand ich auch großartig. Obwohl ich den Verdacht habe, dass das nur die Prothese für das fehlende Stadionfeuer war. Trotzdem. Es war zu befürchten, dass das Olympische Feuer durch eine Handy-App ersetzt wird.

Die dreckige Seine war nicht so toll (angeblich ja, weil die neue teure Kläranlage von den Regenfällen überfordert war und übergelaufen ist), und das Schwimmbecken war nicht tief genug, manche Sportler beschwerten sich über die Kantine. Ansonsten würde mir da jetzt nichts Negatives einfallen.

Das mit den Boxern und die Problemstellung, ob Frauen gegen Männer antreten müssen, hat mir nicht gefallen, aber erstens kann man das Paris nicht anlasten, und zweitens hatte ich das da viel schlimmer erwartet. Solange das nur beim Boxen aufkam, war das ja nur eine Sportart und nicht alle.

Es war zwar jetzt auch nichts Herausragendes, und ich habe mich gewundert, warum man früher in den Fernsehübertragungen so oft die Stadionflamme sah, ich mich aber nicht erinnern könnte, dass sie mal diesen Balon gezeigt haben (immerhin haben sie zugegeben, was mir schon in der Eröffnung auffiel, nämlich dass das kein echtes Feuer, sondern von LEDs angestrahlter Wassernebel war). Dafür fand ich das in der Abschlussfeier eigentlich ganz schön, dass sie nicht mit großem Theater die riesige Flamme haben erlöschen lassen, sondern einer (Léon Marchand) mit einer kleinen Laterne reinkam, und sie die einfach ausgepustet haben. Das hat was und wirkt anders, als wenn es aussieht, als ob die Feuerwehr den Gashahn abstellt.

Mir ist noch etwas aufgefallen: Dieses überall zitierte Bild des Surfers, der in der Luft steht. Hatte ich ja schon im Blog erwähnt. Das Bild hat gewisse Situationskomik, es ist lustig. Aber es ist jetzt kein Jahrhundertfoto. Warum bejubeln die das alle so? Die Antwort ist: Weil es auch kein besseres gab. Es gab eine gewisse Not an herausragenden Fotos. Nur der Einheitskram. Ich hatte ja im Blog erwähnt, dass es da im Fernsehen einen kurzen Beitrag über Fotografie bei den Spielen gab, den ich in der Mediathek nicht wiedergefunden habe. Auch da ging es schon darum, dass sich unter Fotografen herumgesprochen hatte, wann der Mond so steht, dass er beim Eifelturm genau in der Mitte des oberen Olympia-Ringes steht. Ja, schön, aber nicht so wirklich ein Sport-Foto.

Ich habe das Gefühl, dass auch hier die Fotografie stirbt und durch Video ersetzt wird. Man zeigt keine Fotos mehr. Man zeigt Videoschnipsel. Die Kugelstoßerin schlägt sich vor Schreck die Hände vor das Gesicht, weil sie versehentlich zu weit gestoßen hat. Au verdammt, Gold! Sportlerinnen, die in die Kamera Rotz und Wasser heulen. Sieger, die am letzten Hindernis oder hinter der Ziellinie jubeln oder gleich ganz umfallen. Das ist Video. Das ist nicht Foto.

Mir hat das gefallen, die Stadt und ihre historischen Stätten mit einzubeziehen und zum Teil der Spiele zu machen. Dadurch war das französisch und nicht beliebig austauschbar.

Gerade deshalb halte ich es für problematisch, dass sich Deutschland um die Sommerspiele bewerben will. Wir haben nichts zu bieten.

Unsere Innenstädte sind verkorkst und Sehenswürdigkeiten haben wir so gut wie nicht, außer vielleicht wieder mal das Brandenburger Tor herzunehmen, wenn es nicht gerade wieder von Klimaspinnern zugekackt wurde. Wird sind viel zu marode, um noch irgendetwas oberhalb von Blamage hinzubekommen. Man könnte eigentlich aus der EM lernen, in der wir uns mit kaputter Infrastruktur, dysfunktionaler Bahn, außerordentlich hässlichen Städten und mittelmäßiger sportlicher Leistung blamiert haben. Ich glaube, wir würden uns mit olympischen Spielen nur blamieren. Denn alles, was wir noch zu bieten hätten, Land der Dichter und Denker, der Erfinder, haben wir kaputt geschlagen. Wir sind längst das Land der Schulversager und der Messerstecher.

Jedes Land, das Spiele ausrichtet, darf sich ein paar (früher waren es zwei) Sportarten aussuchen, um ein paar Medaillenchancen zu haben. Was sollen wir da nehmen? Klimakleben? Die 4×400-Meter-Staffel derer, die sich an Ort und Stelle festkleben? Staffelstab mit Sekundenkleber drauf? Oder sowas wie Speed-Klettern, nur mit Fassendbeschmiererei? Wer schafft es schneller, eine saubere Fassade oder ein Kunstwerk vorgegebener Größe mit Farbe zu versauen? Eine Wand aus Gemälden mit Tomatensoße zu versauen?

Oder Kampfsport Messerstechen?

Mir würde im Moment nicht viel einfallen, was Deutschland zu bieten hätte, was sich nicht wie Warten auf den Termin für einen Personalausweisantrag anfühlt. In Deutschland müssen die 100-Meter-Läufer einen Antrag stellen, bevor sie über die Ziellinie laufen.

Dafür laufen sie alle gleichzeitig drüber, weil die Startpunkte so verschoben werden, dass die alle Chancengleichheit haben.

Eigentlich können wir uns da nur blamieren.

Wobei ich gespannt bin, wie das in LA laufen soll. Die pfeifen ja auch auf dem letzten Loch. Wahrscheinlich hätten sie sich das so nicht vorgestellt, als sie ihre Bewerbung einreichten. Das könnte auch schief gehen.

Es hieß heute, irgendwer in Deutschland, irgendein Sportverband, halte das deutsche Ergebnis von Paris für „durchwachsen“. Mehr Gold, aber weniger Medaillen insgesamt als in Tokyo, und da war man schon nicht zufrieden. Während wir gleichzeitig den Wettbewerb bei den Bundesjugendspielen abschaffen.

Wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig, weil wir aus ideologischen Gründen jeden Wettbewerb als solchen ablehnen. Wollen aber Medaillen haben.

Dazu gab es massig Kritik, dass die Sportförderung bei uns nicht mehr funktioniere.

Ich weiß nicht, ob man die braucht. Weil ich nicht weiß, ob man überhaupt Sieger im Sport braucht. Beim Eurovision Song Contest haben wir uns ja auch bequem auf dem letzten Platz eingerichtet. Worin liegt der Zweck einer Sportförderung? Was hat man davon, Leute dafür zu bezahlen, dass sie eine Medaille holen (oder auch nicht)?

Die Antwort läge darin, die Leute, die Jugend für Sport zu begeistern. Dann hätte man ein Kosten-Nutzen-Verhältnis. Das geht aber nicht, wenn man gleichzeitig die Bundesjugendspiele abschafft und die Kinder in der Schule nicht mehr schwimmen lernen. Wir müssten erst einmal klären, wie der deutsche Gleichheits-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitswahn überhaupt zu einem Sportwettbewerb passen soll. IOC-Präsident Thomas Bach hatte ja irgendwo die Frage aufgeworfen, wie man eigentlich mit diesem Geschlechtsproblem umgehen solle. Sie würden Frauenwettbewerbe auf Frauen beschränken, sobald ihnen jemand sagte, was eine Frau ist, und woran man das feststellt. (Kurios, dass wir vorher schon über hundert Jahre Spiele der Neuzeit mit Frauen aufführen konnten, und das Problem erst jetzt aufkommt.) Das würde mich nämlich auch interessieren, was denn nun Frau ist und was nicht, so von wegen Frauenquote und Frauenförderung. Wie konnte man eigentlich beim Reiten von Hengsten und Stuten reden, wenn man sie doch gar nicht nach deren Geschlechtspronomen fragen konnte? Und warum waren die Bahnfahrräder, die Speere, die Hanteln der Gewichtheber geschlechtsneutral? Warum war das das Fahrrad und kein Radhengst oder eine Radstute? Oder ein Radwallach, weil da ja alles ab ist, was man nicht unbedingt braucht, um schneller zu sein?

Das sollten wir klären, bevor wir uns bewerben.

Gratulation an alle Medaillengewinner! Hat mich gefreut!

Ein tröstendes Schulterklopfen oder auch dickes Drücken an die Pechvögel und die, bei denen es nicht funktioniert hat. Hat mir so leid getan.