Der juristische Schwachsinn um § 188 StGB
Eigentlich gehören eine ganze Reihe von Staatsanwälten und Richtern wegen Verfolgung Unschuldiger und Rechtsbeugung aus dem Amt und ins Gefängnis.
Jemand hat mich auf einen Strafbefehl aufmerksam gemacht, den jemand bekommen hat. Ich sage mal nichts zum Fall, weil es nicht klar ist, ob das Verfahren beendet ist, und man sich mit der Mitteilung vor der Verhandlung oder Einstellung nach § 353d Nr. 3 StGB strafbar machen kann (was ich wiederum für unhaltbaren Unfug halte, solange Beschuldigte nicht darüber belehrt wurden).
Es geht darin wieder um den § 188 StGB, und wie immer darin die Formulierung
Sie werden beschuldigt, eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich und in einer Weise, die geeignet ist, deren öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, sowie aus Beweggründen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammehängen, beleidigt zu haben.
Das ist Bullshit. Ich erkläre gleich, warum. Ich weiß ja aus meiner Tätigkeit damals in der Vorratsdatenspeicherung, dass Juristen in Strafssachen äußerst gerne die Formulierung aus den Paragraphen abschreiben, um damit „revisionsfest“ zu sein. Und in § 188 heißt es:
§ 188 Strafgesetzbuch
Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung
(1) Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine Beleidigung (§ 185) aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Das politische Leben des Volkes reicht bis hin zur kommunalen Ebene.
(2) Unter den gleichen Voraussetzungen wird eine üble Nachrede (§ 186) mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren und eine Verleumdung (§ 187) mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Das „geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren“ ist keine Beschuldigungsformel wie ein Fluch, kein Teil des Vorwurfs, sondern des Tatbestands. Es geht nicht darum, dass der Staatsanwaltschaft das darunter subsumiert, also nicht die Formulierung als strafverschärfend anführt, sondern um den Tatbestand, den der Staatsanwalt begründen muss. Ich kann mich jetzt nicht erinnern, schon einmal eine Anklage, einen Strafbefehl oder ein Urteil zu § 188 gesehen zu haben, in dem irgendwie erklärt oder begründet wurde, warum das das Wirken des Beleidigten „erheblich zu erschweren“.
Das wird immer nur als Verdammungsformel und Empörungselement verwendet, aber nie dahingehend, dass der Tatbestand belegt und begründet wurde. Schon allein deshalb wäre das eigentlich alles Mist.
Ich habe mich ja mit der Entstehung des § 188 befasst, was gar nicht so einfach ist, denn es ist in Deutschland nicht leicht, alte Versionen der Gesetze zu finden. Dazu kommt, dass der erst in den letzten Jahren umbenannt wurde, der war früher § 187a. Wenn man also nach alter Literatur und Urteilen sucht, muss man nach § 187a suchen.
Der Knackpunkt ist aber, dass er der kürzlich in verschiedenen Schritten
- vom geschützten Personenbereich deutlich erweitert
- vom Strafmaß verschärft
- und um die Beleidigung ergänzt
wurde. Außerdem wurde die Begründung verbogen. Ursprünglich nämlich war das Ding dazu da, Politikern im Amt ihre Tätigkeit zu ermöglichen. Jetzt heißt es, das sei dazu da, damit die Leute überhaupt noch Politiker werden und bleiben wollen, als das subjektive Wohlfühlding.
Da haben irgendwelche korrupten und juristisch ahnungslose Politiker den Paragraphen aufgepumpt, ohne zu wissen, was er bedeutet.
Ursprünglich nämlich stammt die Vorschrift (damals noch mit deutlich härteren Strafen) aus dem Besatzungsrecht und wurde dann mit Gründung der Bundesrepublik in das Strafgesetzbuch übernommen.
Damals hatte man Verleumdung und üble Nachrede gegen Politiker unter Strafe gestellt, wenn die deren Wirken erschwerte, weil die Besatzungsmächte – es ging ja auch um die Abwehr gegen die Russen, hatte ich ja im Blog in anderem Zusammenhang, vor allem der CDU, Helmut Kohl, Wolfgang Schäuble, schon ausführlich erklärt – nach dem Krieg Deutschland möglichst schnell wieder in eine stabile Lage bringen wollten.
Dazu gehört, dass man damals auch Nazis wieder einstellte, wenn die nicht zu den oberen Etagen gehörten, die als Kriegsverbrecher verurteilt worden waren und unter die seichte „Entnazifizierung“ fielen. Denen blieb damals gar nichts anderes übrig, weil ja jeder, der nicht Parteinazi war, in den Krieg geschickt und getötet, verwundet, gefangen worden war, und nur die strammen Nazis in die Verwaltung durften, nur die sich damit auskannten. Deshalb hatten die da – notgedrungen – wenig Berührungsängste mit Altnazis, sofern aus den unteren Rängen und nur Mitläufer.
Deshalb gab das damals um Politiker eine wüste Schlacht – heute würde man es „shitstorm“ nennen – in der da jeder jeden beschimpfte und beschuldigte. So genau ist das nicht dokumentiert, aber man kann sich das leicht vorstellen: Der war Nazi, der war Kollaborateur, der war Kommunist. Der hat Juden umgebracht, der hat sich an Juden-Eigentum bereichert, und so weiter und so fort. Und so etwas waren dann Vorwürfe, die wirklich das Wirken von Politikern erheblich erschwerten, wenn über einen behauptet wurde, der habe Kriegs- oder Naziverbrechen begangen, Eigentum und Vermögen geraubt, und so etwas alles. Weil man aber gleichzeit die Meinungsfreiheit hochhalten und eine Zensur vermeiden wollte, hat man das dann so gebaut, Verleumdung und üble Nachrede unter Strafe gestellt, und mit drastischen Strafen (damals erhebliche Haftstrafen) belegt.
Und diesen Sachverhalt kann man mit einer Beleidigung überhaupt nicht erfüllen. Man kann den Tatbestand des 187a bzw. 188 mit einer Beleidigung gar nicht erfüllen, weshalb die Beleidigung bis neulich darin auch gar nicht erwähnt war. Es geht nicht.
Und weil man nun aber – neben der Volksverhetzung – einen weiteren Gummiparagraphen brauchte, um gegen Kritiker Strafverfahren zu fingieren, haben da einfach irgendwelche Laien und Leute ohne hinreichende Sachkunde, aber mit umsomehr Ignoranz, diesen Paragraphen einfach so hingebogen, dass er ihr persönliches Wohlfühlen schützen soll.
Damit ergibt das Ding aber noch keinen Sinn. Es gibt auch keine greifbare Begründung. Es ist schon sehr schwer, das Zustandekommen überhaupt nachzuvollziehen, weil das getarnt lief. Das war, soweit ersichtlich, eine Kooperation zwischen dem bayerischen Justizminister und der „Meldestelle REspect!“, um deren politische Aktionen durch fingierte Strafverfahren zu tarnen. Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass das ein Geheimdienstding war.
Und wenn man sich anschaut, was für Figuren da im Bundestag sitzen, kann man sich auch sicher sein, dass keiner von denen merkt, was man da ändert.
Aber auch wenn die Beleidigung da jetzt drin steht, ändert das nichts daran, dass man den Straftatbestand mit einer Beleidigung nicht erfüllen kann, und deshalb der § 188 auf Beleidigung nicht anwendbar ist.
Das merkt aber keiner, weil weder im Bundestag, noch in den Staatsanwaltschaften oder den Gerichten die nötige Rechtskunde herrscht, um das zu merken, und sie sich darum herummogeln, indem sie die Sache mit dem „Wirken erheblich erschweren“ zum Vorwurf und Beschuldigungsformel machen, und nicht als Tatbestand ansehen, den sie zu erklären und begründen hätten.
Deshalb müsste man die Leute eigentlich alle einbuchten. Aber erstens gibt es in Deutschland praktisch keine Strafverfolgung gegen Richter und Staatsanwälte, solange die politisch korrekt nach links handeln, und zweitens muss man in Deutschland einem Juristen schon böswilligen Vorsatz nachweisen, Inkompetenz reicht nicht als Vorwurf.
Im Ergebnis müsste der § 188 in seiner veränderten Form vom Verfassungsgericht kassiert werden, sobald mal jemand Beschwerde erhebt. Aber wie ich das Bundesverfassungsgericht einschätze, wisst Ihr ja.
Wäre ich Strafrichter, würde ich solche Strafanträge durchweg ablehnen, wenn nicht drin steht, welches Wirken denn wie erschwert worden sein soll.
Wäre ich Abgeordneter, würde ich nach der Bundestagswahl, wenn Rot-Grün hoffentlich weg vom Fenster ist, beantragen, den Mist wieder zu entfernen.