Ansichten eines Informatikers

Über Rhetorik

Hadmut
12.9.2024 12:09

Eine Perle von einem Fundstück.

Ich hatte das ja hier im Blog vor einigen Jahren vertieft betrachtet und beschrieben: Diejenigen, die sich über den Hitler-Schnarr lustig machen oder den für eine Nazi-Besonderheit halten, haben die Mediengeschichte nicht verstanden. Leute wie Mussolini, George VI, Hitler waren die ersten Politiker, die mit moderner elektronischer Medientechnik konfrontiert waren und diese nutzen mussten oder konnten, die allerdings noch in den Kinderschuhen steckte und von miserabler Qualität war. Sie mussten lernen, damit umzugehen, und sie haben das vor allem von denen gelernt, die damals die besten Experten dafür waren: Schauspieler. Vor allem Theaterschauspieler und Bühnenautoren.

Und bei denen haben sie Artikulation, Intonation, Gestik, Mimik, Textschreiben, Rhetorik auf dem damaligen Stand des Wissen, des Könnens, der Technik erlernt.

Im Prinzip ist das auch nicht neu. Ich habe neulich über das Forum Romanum und Untersuchungen der Historiker geschrieben, die erforschen, wie und wie weit man damals auf einer Rednerbühne (rostra) eigentlich reden konnte. Das Reden gehörte schon immer zur Politik, und die Rhetorik ist eine der ganz großen Schwerpunkte im alten Rom und vor allem im alten Griechenland. Auch die Rabulistik.

Hitler hat auch nicht immer so gesprochen oder weil er das so schick und nazimäßig fand, sondern weil das die damalige Methode (oder was man dafür hielt) war, erstmals eine Vielzahl von Leuten anzusprechen, so wie auch PKW und Flugzeuge erstmals zur Verfügung stand. Bei einer Stadtbesichtigung in Wien samt Schlossbesuch erzählte uns damals die Frau, die die Führung im Schloss machte, dass die ach so beliebte Kaiserin Sissi (eigentlich Sisi) im realen Leben eine ziemliche Zicke und oft unausstehlich war, und der Kaiser sie, wenn sie wieder mal zu nichts zu gebrauchen war, einfach von ihrer Friseurin doublen ließ, die er in eines ihrer Kleider steckte. Das sei kein Problem gewesen, denn mehr als auf große Entfernung vom Balkon zu winken gab es nicht zu tun. Sie musste nichts sagen, man hörte sie nicht, man sah sie nicht aus der Nähe und es wusste ohnehin kaum jemand so genau, wie sie aussieht. Medien und Transportmöglichkeiten haben das alles völlig verändert. Während Mussolini und Hitler das zu nutzen wussten – weil sie es gelernt haben, Lehrer hatten, vor dem Spiegel geübt haben – hat es den Stotterer George VI fast aus der Bahn geworfen. Japaner waren zutiefst erschüttert, als sie zur Kapitulation nach den Atombomben zum ersten Mal überhaupt die Stimme ihres Gottkaisers im Radio hörten, der die Kapitulation erklärte. Ich bin mir jetzt nicht sicher, aber ich glaube mich erinnern zu können, dass es irgendwo hieß, das habe der Kaiser nicht freiwillig, sondern auf Zwang der Amerikaner getan, die wollten, dass die Bevölkerung merkt, dass ihr Gottkaiser ein gewöhnlicher Mensch sei.

Das Thema der Rhetorik in den modernen Medien und ihrer Entwicklung im 20. und 21. Jahrhundert ist faszinierend.

Umso drolliger, aber auch bezeichnender dieses Fundstück:

Ich suche allerdings noch nach dem Original von Scholz, um die Echtheit zu prüfen. … Ach, da ist es ja: