Ansichten eines Informatikers

Die Verweiblichung der Stellenanzeigen

Hadmut
14.9.2024 19:00

Was mir gerade noch auffällt.

Ein Leser schreibt mir zu den Stellenanzeigen und bringt mich auf einen Gedanken.

Miserable Stellenanzeigen

Hallo Hadmut
Was mich bei Stellenanzeigen über die Jahre immer wieder genervt hat:
Sie suchen junge, dynamische, blabla-Personen, mit 20 Jahren xy-Erfahrung, einem Hochschulabschluss und unter dreissig.
Dann erwarten Sie einen Teamplayer, Leistungsbereitschaft und was weiss ich.

Aber was sie, als Arbeitgeber bieten, was bei ihnen besonders heraussticht, sie interessant macht für zukünftige Angestellte? Kein Wort.

Grüsse aus der Schweiz,

Da ging bei mir im Kopf die deja-vu-Lampe an. Sowas habe ich doch mal geschrieben. Genau sowas habe ich doch schon mal geschrieben.

Aber herrje, wo habe ich das geschrieben? Wann? Und warum?

Ach, ja.

Ich hatte mich so zur Frühzeit meines Blogs, als ich noch in Dresden und München gewohnt habe, noch vieeel Freizeit hatte und noch Sport machte, an der Elbe skaten ging, den Elberadweg entlang, unter der Carolabrücke durch, an langen finsteren Winterabenden viel im World Wide Web herumgetrieben, das damals noch neu war, und die Möglichkeiten erkundet, e-Bay, Onlineforen, Fotografenforen, Aktfotoforen, reichlich nackte Weiber, durchaus auch halbseidene und dubiose Seiten — natürlich rein von Berufs und Blogs wegen, ist ja klar – und war bei meinen Streifzügen auch auf Partnersuchseiten gelandet. Nicht ernstlich, nur aus Amusement über die lächerlichen Anzeigen, zumal alles, was auch nur drittelseriös gewirkt hat, Geld gekostet hätte, und dazu bin ich grundsätzlich nicht bereit. Und ich da sowieso kein Wort glaube. Es gibt (oder gab) in Dresden und München genug Lokationen um reale Menschen zu treffen und sofort zu sehen, mit wem man es zu tun hat. (Es gab in Dresden ein bekanntes Cafe, ich komme nicht mehr auf den Namen, die mit dem ersten Frauenstehpissoir auf dem Damenklo, von dem mir dann eine Kellnerin verriet, es sei ein voller Erfolg, denn benutzt habe es nach Eröffnung noch nie jemand, und das funktioniere auch nicht sauereifrei, aber alle kämen sie, um es sich anzuschauen, es habe Umsatz gebracht, und von dem es hieß, man müsse sich als Mann einfach nur reinsetzen, gar nichts tun und werde zuverlässig innerhalb von 10 Minuten von Frauen angequatscht – ich habe es ausprobiert und es stimmte) und mir war so bei meinen Streifzügen etwas aufgefallen:

Männer
bieten sich an und beschreiben nur sich selbst. Was die Tastatur hergibt, sportlich, kinderlieb, gepflegt, Nichtraucher, Porsche, eigene Wohnung, Geld, Sportarten, berufliche Erfolge, toller Hecht, was er alles kann und macht, sein Tag hat 36 Stunden, und singen kann er auch, weiß der Teufel was alles. Sie sagen aber kaum etwas dazu, wen oder was sie suchen, sind da weit offen.
Frauen
dagegen beschrieben sich nie selbst – je nach Forum, Formularvorgaben und Pflichtangaben – entweder gar nicht oder minimal (Körpergröße, Körbchengröße), aber sehr ausführlich, was der Mann für Eigenschaften haben muss. So groß, so alt, dieses Einkommen, diese Berufsgruppe, er muss tanzen, und diese und jene Musik mögen und so weiter und so fort, endlose Kataloge von Muss-Anforderungen, was er an Geschenken kaufen muss, wohin man reisen muss, und so ein Kram, aber so gut wie nichts dazu, was sie dafür bieten. Sie wollen alles, und der Mann bekommt die Katze im Sack.

Was mir so bekannt vorkam, als ich dann später den Witz vom Männerkaufhaus gelesen habe, bei dem Frauen mit nichts zufrieden sind und immer noch mehr wollen. Und einem Artikel, den ich irgendwo gelesen habe, bei dem sich Werbeagenturen inoffizielle Nonsens-Wettbewerbe liefern, um auszuschießen, wer der beste ist. Und die hätten mal einen Wettbewerb gemacht, wer bei – damals waren noch rein textuelle Kontaktanzeigen in Zeitungen unter Chiffre-Nummer üblich, an die man dann an die Zeitung geschrieben hat, die das dann weitergeleitet hat, so war das vor dem Internet – Kontaktanzeigen an einem bestimmten Tag in einer bestimmten Zeitung die meisten Zuschriften bekam. Inhalt völlig freigestellt. Es gewinnt, wer die meisten Zuschriften bekommt. Die meisten beschrieben sich in den höchsten Tönen, lange Anzeigen, endlose Listen von wunderbaren Eigenschaften, Doktor, Akademiker, Arzt, hohes Gehalt, sportlich, gutaussehend, 1,80 groß, tolles Auto, eigenes Haus, Millionär, blablabla. Hat alles nichts gebracht. Den Vogel abgeschossen und einen ganzen Korb voller Zuschriften bekam der Gewinner für

Ficken? Sie sucht ihn.

Sonst nichts, außer natürlich der Chiffre-Nummer. Exakt auf den Punkt, Zielgruppe, Bedarf und Ansprache genau getroffen. Keine unnötigen Details, die nur ablenken. Und das noch mit dem geringsten Aufwand, denn der Einzeiler war natürlich viel billiger als die Eigenlobromane.

Was mir von damals eben so in Erinnerung blieb: Männer beschreiben sich selbst. Frauen beschreiben den Mann, den sie wollen.

Und bei dieser Leserzuschrift aus der Schweiz ging eben diese deja-vu-Lampe an, diese Mustererkennung, und mir ging die Frage durch den Kopf: Laufen Stellenanzeigen nach demselben Muster wie Kontaktanzeigen? Also über die Amygdala?

Führte die Verweiblichung der Unternehmen, vor allem die Einlagerung von Quotenfrauen in den Personalabteilungen, dazu, dass die Stellenausschreibungen sich zunehmend den Kontaktanzeigen von Frauen angleichen, die nicht sich, sondern das beschreiben, was sie gerne wollen, was sie wuselig im Schritt macht?

Und ist das vielleicht mehr als nur ähnlich?

Sind Stellenausschreibungen, die von Frauen geschrieben werden, am Ende in den Hirnwindungen und ganz unbewusst vielleicht so etwas wie heimliche Kontaktanzeigen?

Die Ähnlichkeit drängt sich mir gerade so auf.