Warum kann Temu kostenlos versenden?

Die Antwort: Das tun sie ja gar nicht.

Ich hatte gerade so nebenher noch den Fernseher laufen. Im ZDF läuft gerade eine Wiederholung einer Sendung, die schon einige Monate alt ist: Der Temu-Hype – Die Strategie des Shopping-Giganten aus China

Darin ist mir gerade aufgefallen, dass sie die Frage stellen, wie das möglich sei, dass Temu kostenlos versendet.

Meine Antwort darauf ist: Das tun sie ja gar nicht. Das sieht nur so aus.

Ich habe ein paar Mal bei Temu bestellt. Zu Anfang, weil ich mir mal ein paar Klamotten habe schicken lassen, unter anderem hatte man mir als Erstkunden eine Outdoor-Jacke für 3,50 Euro angeboten. Da wollte ich einfach wissen, was eine 3,50-Euro-Jacke taugen kann. Und war dann überrascht, weil sie für 3,50 erstaunlich gut war (eigentlich kostet sie 35, aber da gab es einen Neukundenrabatt als Anwerbeköder), aber das karrierte Innenfutter, das so nach Burberry aussah, war nur aufgedruckt, und die Embleme schon sehr, sehr billig gemacht. Insgesamt ist mir aufgefallen, dass der Krempel oft schon sehr, sehr billiges Zeug ist.

Entsprechend habe ich auch nur billig-Kram bestellt: Deckelöffner für die Küche, Kleidungsanstecker mit blöden Sprüchen und aber auch inzwischen etwas Fotokram, den ich schon kenne und normalerweise bei Aliexpress bestelle, den die aber billiger oder schneller hatten. Sie sind tatsächlich besser im Versand.

Neulich hatte ich dann gestaunt: Ich bin ja so ein Container-Freak und räume meine Dinge gerne in Behälter, Beutel und Koffer ein, weil ich es partout nicht leiden kann, wenn irgendwo Teile fehlen oder man überlegt, wo ein Teil hingehört. Ich habe jede Menge von Schachteln, Dosen, Gerätekoffern. Ursprünglich angefangen habe ich mit Peli(can)-Koffern, die ja nun wirklich gut (und sautauer) sind, und hatte mich da mal sehr geärgert. Mir sind an einem Peli-Koffer durch normalen Gebrauch beide Schnallen gebrochen. Noch verwendbar, aber schon halb durchgerissen. Kein Problem, dachte ich, die geben ja Garantie. Denkste. Die Garantie kann nur über den Fachhändler, bei dem man den Koffer gekauft hat, geltend gemacht werden, und obwohl dieselbe Webseite noch existierte, gab es den Händler nicht mehr. Der hatte pleite gemacht, die Webseite verkauft, und dieselbe Webseite wurde von jemand anderem betrieben, der natürlich die Garantiesache ablehnte und sagte, er könne nicht, weil nicht bei ihm gekauft. Also wird aus der angeblich so tollen Garantie gar nichts. Also habe ich die Schnallen als Ersatzteile bestellt, was geht, dazu noch Werkzeug, weil man die mit normalem Werkzeug nicht wechseln kann und einen Splintentreiber einer bestimmten Größe braucht, und dafür mehr Geld gezahlt, als ein billiger China-Koffer gleicher Größe insgesamt kostet.

Also habe ich mir neulich noch 5 Kunststoffkoffer (wie Pelikoffer) zum Spottpreis in verschiedenen Größen bestellt, von ganz klein (Schatullengröße) bis mittel. Und einige kleine Sachen. Ein paar Tage drauf geliefert: Alles in einem Beutel, die Kleinteile flogen zwischen den Koffern rum.

Da muss man also schon sehr vorsichtig sein. Aber manchmal bekommt man identische Dinge aus China viel billiger als hier im Laden.

Und weil ich ja nun zwei Wohnungen habe, und mir auch schon an beide etwas habe schicken lassen, ist mir etwas aufgefallen:

Sowohl für Deutschland, als auch für Zypern wird angegeben, dass der Versand „kostenlos“ sei. Wähle ich aber Zypern aus, werden alle Dinge teurer. Und man muss ja immer eine gewisse Mindestsumme erreichen, um bestellen zu können.

Das heißt eindeutig, dass der Versand eben nicht „kostenlos“ ist, sondern anteilig in die Preise eingerechnet wird – und deshalb für eine Lieferung nach Zypern höhere Preise angezeigt werden, damit der Versand immer noch „kostenlos“ ist.

Der Versand nach Zypern dauert länger und kostet mehr als nach Mitteleuropa. Obwohl gerade auf Zypern fast alles aus China kommt. Soweit ich weiß, werden Lieferungen an die großen Länder in Europa nicht einzeln, sondern in Sammellieferungen versandt, ausgepackt und in einzelnen Lieferung landesintern weiterversandt. Ich kenne sowas auch schon von anderen Versendern von Fotokram in China, bei denen dann keine Umsatzsteuer anfällt, weil man zwar aus China bestellt, das Paket dann aber aus den Niederlanden oder Polen kommt, weil die da einen Remailer haben, der die große Lieferung auspackt und die vorverpackten kleinen Pakete weiterschickt (und anscheinend bei der Einfuhrumsatzsteuer bescheißt). Zypern ist aber zu klein. Da kommen manchmal Dinge, die man in China bestellt, auch aus den Niederlanden, selbst wenn nicht in Sammelpackungen, weil die großen Paketlogistiker gar nicht direkt nach Zypern liefern, sondern das an irgendwelche kleinen Contractors übergeben, die das dann weiterliefern.

Und das versteckt Temu eben in den Produktpreisen. Wenn da am Ende stehen würde „15 Euro Versand“ oder auch 25 oder 35 Euro, würden die Leute nicht kaufen. „Ich kauf noch nicht hin China, wenn ich dafür soviel Geld zahlen muss!“. Ja, klar. Wenn aber der Versand scheinbar kostenlos ist, weil er auf der Rechnung nicht explizit draufsteht, sondern in den Preisen versteckt ist, dann fehlt einem die Bezugsgröße. Dann weiß man, dass das beim Versender in Deutschland 5 Euro kostet, aus China aber „kostenlos“ ist.

So funktioniert das.

Bei „seriöseren“ Versendern bleiben nämlich die Produktpreise gleich, und die Versandkosten gehen hoch, wenn man als Ziel von Deutschland auf Zypern umstellt.