Die Fälschungsorgie – ein vergifteter Brunnen?
Mir geht gerade ein Gedanke durch den Kopf.
Ich habe zu diesem angeblichen geheimen Staatsvertrag eine ganze Reihe von Zuschriften bekommen, die viele Details gefunden haben, die daran nicht stimmen können, etwa widersprüchliche und nicht existierende Geheimklassifikationen, falsche Daten, nicht existierende Personen und noch vieles mehr.
Das Ding ist eine Fälschung.
Kennt Ihr das, wenn man so vornerum eigentlich aufgehört hat, über etwas nachzudenken, und einem dann hintenrum noch so vagabundierende Gedenken im Hirn rumkriechen?
Ich habe die Tage – weiß nicht mehr, Arte oder 3Sat – „Mord im Orient-Express“ gesehen, die Verfilmung von 1974, obwohl ich den Film schon x-mal gesehen habe. Immer noch besser als das, was an dem Abend in ARD und ZDF kam. Ein Film dieser ganz seltsamen Kategorie von Filmen, die ich gerne sehe, obwohl ich sie gar nicht mag.
Darin gibt es, kurz nachdem sie den Toten in seinem Abteil gefunden und den Toten und den Tatort in Augenschein genommen haben, eine Szene, in der Hercule Poirot sagt, dass es an diesem Tatort zu viele Beweise gebe. Ihm fällt auf, dass die Beweise geradezu hingelegt wurden, damit sie gefunden werden. Ich weiß noch, dass mir beim Zuschauen ein Begriff durch den Kopf ging, der im Film zwar nicht genannt wird, aber genau das beschreibt: Beweisorgie
Kriminalbeamte und Detektive bezeichnen es als Beweisorgie, wenn es viel zu viele, unnatürlich viele Beweise gibt, wenn diese gar zu offensichtlich und beweisfähig quasi hingelegt, angerichtet wurden, um sie zu täuschen und zu einem bestimmten Ergebnis zu leiten. So nennen sie es, wenn jemand Beweise gefälscht und zurechtgelegt und es dabei übertrieben hat.
Und dieser Begriff der Beweisorgie krabbelte mir im Hirn zwischen den Windungen herum. Es gibt eigentlich nur eines, was wirksam gegen Hirnkrabbeln hilft: Einen Blogartikel zu schreiben. (Dann krabbelt’s immer noch, aber dann bei den Lesern.)
Kann man sich soviel Mühe machen, so ein Schriftstück zu fälschen, es in Umlauf zu setzen, und dann trotzdem so viele Fehler zu machen, die so eindeutig zu widerlegen sind?
Ich hatte vor einigen Jahren schon mal dieses Agitationsprinzip des „vergifteten Brunnens“ beschrieben. Der Anlass war, dass ein Schriftstück in den Social Media in Umlauf kam, in dem es – scheinbar – amtlich darum ging, der Antifa für irgendwelche Aktionen im Auftrag Geld zu überweisen, oder so ähnlich. Man neigt dazu, das als Beweis zu nehmen, dass die Antifa Auftragsschläger der Regierung ist. Das Ding enthält aber einige Fehler und sogar Anspielungen (weiß nicht mehr, irgendwas mit der Seitenzahl usw.), mit denen man dann, wenn man sie kennt, sofort die Reißleine ziehen und den, der das Ding als Beweis präsentiert, komplett durchblamieren kann. „Wie blöde bist Du, auf eine so offensichtliche Fälschung hereinzufallen?“. Wenn ich mich recht erinnere, enthielt das Ding irgendwo in der PDF-Datei einen Dateipfad, der nahelegte, dass das Ding in irgendeiner SPD-Ortsgruppe geschrieben worden war.
Der Knackpunkt ist aber: Die Antifa wird tatsächlich von der Bundesregierung bezahlt. „Kampf gegen Rechts“. Das Ding war zwar eine – leicht beweisbare – Fälschung, und der Inhalt war auch bezüglich der darin beschriebenen Zahlungen gefälscht, aber dem Grunde nach war das zutreffend.
Irgendwer setzte da eine entlarvbare, überführbare Fälschung in Umlauf, die sich unter einer Schicht von Lügen im Kern um eine wahre Sache dreht, um jeden, der das Thema anspricht, als Idioten, Fälscher oder Lügner hinzustellen. Jeder, der weiß, dass so eine Fälschung in Umlauf ist, wird sich hüten, so ein Blamierrisiko einzugehen und irgendwo zu sagen, dass die Antifa von der Regierung bezahlt wird. Und wer es nicht weiß und das erwähnt, wird sofort ausgelacht „Da fällt immer noch einer auf die Fälschung rein!“
Diese Technik ist bekannt als Methode der Agitation, auch bei der Stasi beliebt. Man nennt das „vergifteter Brunnen“. Wenn man das einmal in Umlauf bringt, dass etwas gefälscht ist und man sich damit blamieren kann, wird jeder künftig die Finger davon lassen.
Mir ging deshalb die Frage durch den Kopf, wer und warum jemand so etwas fälscht. Ganz einfach ist das ja nicht, dazu braucht man ja schon einiges an Arbeit, Aufwand, Material und Gerät. Und dann trotzdem so viele Fehler?
Deshalb krabbelt nun die Frage hinterher, ob die Fehler absichtlich platziert wurden um gefunden zu werden.
Die Frage, ob das Ding ein vergifteter Brunnen ist, um jeden, der das Thema anspricht, zum Reichsbürger zu erklären. Gerade der Gedanke treibt mich um, weil mich ja ein Leser so deutlich genau davor warnte. Und mich damit auf den Gedanken brachte, ob genau dass das Ziel der Fälschung ist. Geheimdienste denken und arbeiten so. Da läuft nichts geradeaus, da muss man immer mindestens einmal um die Ecke denken.
Könnte es also sein, dass man so eine Fälschung in Umlauf setzt, um einen „Brunnen zu vergiften“, damit man jedem, der das Thema anspricht, sagen kann „Ein Reichsbürger“. Oder „Der fällt immer auf die offensichtlichste Fälschung“ herein?
Das alles beruht auf einem Denkfehler.
Der Mensch neigt nämlich dazu, wenn er eine Behauptung als falsch widerlegt, einen Beweis als fehlerhaft erkannt, ein Dokument als Fälschung entlarvt hat, von der Fälschung der Nachricht auf die Falschheit des Inhalts zu schließen. In der Mathematik zum Beispiel kann ein Beweis schwere Fehler enthalten. Das heißt aber nicht, dass seine Aussage falsch wäre, denn ein falscher Beweis ist ja noch kein Beweis für sein Gegenteil. Trotzdem geht man fast unweigerlich davon aus, dass wenn ein Beweis gefälscht ist, auch seine Aussage falsch ist, weil man unterstellt, dass der Fälscher ja nur das Motiv haben kann, eine falsche Aussage mit gefälschten Beweisen zu belegen. Was aber, wenn es genau umgekehrt ist, wenn der Fälscher eine wahre Aussage mit einer erkennbaren Fälschung beweist, um genau diesen Gedankengang auszulösen? Damit niemand mehr die Aussage ernst nimmt?
Die Älteren unter Euch werden sich beispielsweise noch an das Debakel beim Stern mit den gefälschten Hitlertagebüchern erinnern. Stellt Euch einfach mal vor, welchen Marktwert echte Hitlertagebücher gehabt hätten, mit denen irgendwer in den Jahren danach versucht hätte, an die Öffentlichkeit zu gehen. Jeder hätte ihn ausgelacht, keiner hätte die angefasst, selbst wenn sie echt gewesen wären. Niemand hätte sich da erneut die Finger verbrennen wollen, niemand hätte das noch geglaubt.
Ist das also eine plumpe Fälschung, oder ist es ein vergifteter Brunnen mit Fehlerorgie, der irgendetwas schützen soll – nämlich genau das, was drin steht?
Bedeutet die Existenz dieser Fälschung also, dass es eine Vereinbarung eines solchen Inhaltes gibt, die man vor Aufdeckung schützen will?