War das Fahrzeug manipuliert?
Interessante Frage. Und ein Gedanke.
Gestern fragte mich schon ein Leser, warum bei dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg bei dem Fahrzeug die Airbags nicht ausgelöst haben.
Weiß ich nicht. Davon habe ich kaum Ahnung. Soweit ich weiß, gehen die Airbags erst bei einer gewissen Mindesthärte des Aufpralls los, damit erstens die Airbags nicht vorzeitig losgehen und dann beim Hauptaufprall schon verbraucht sind, und zweitens bei kleineren Unfällen, die für die Insassen nicht gefährlich sind, der Airbag nicht mehr Schaden anrichtet als der Unfall selbst, weil schon die beiden Fontairbags das Armaturenbrett und das Lenkrad demolieren, und damit Schaden von einigen tausend Euro verursachen, und heute ja noch weitere Airbags im Spiel sind. Ich habe irgendwo ein Foto des Fahrzeuges gesehen, auf dem zwar die Windschutzscheibe kaputt, das Auto augenscheinlich aber ansonsten intakt war. Als Laie hatte ich den Gedanken, dass Mensch gegen Auto schlicht nicht reicht, um den Airbag auszulösen, und ich mich auch nicht erinnern könnte, schon mal ein Foto von einem reinen Personenschadenunfall mit ausgelöstem Airbag gesehen zu haben. Ich hatte aber beschlossen, dazu nichts zu schreiben, weil ich davon schlicht zu wenig Ahnung habe, und jetzt auch nicht drauflosspekulieren wollte, weil es mir zumindest nicht zwingend erschien, dass der Airbag dabei hätte auslösen müssen.
Im Gegenteil: Laut den Festnahmebildern und -videos und den Aussagen der Polizei ist der Täter nicht wesentlich verletzt. Warum also hätte der Airbag dann überhaupt auslösen sollen, wenn kein Aufprall so hart war, dass er den Fahrer gefährdet hätte? Für die Leute auf dem Weihnachtsmarkt war der Aufprall gefährlich bis tödlich, aber da hilft ja der Airbag nichts. Warum also hätte der auslösen sollen?
Es erschien mir deshalb plausibel, dass er nicht ausgelöst hat, und nicht ausreichend, um eine Frage aufzuwerfen. Zumal sie das Auto ja haben und zu vermuten ist, dass sie das Auto schon ordentlich untersuchen und auseinandernehmen werden. Ich glaube auch nicht, dass die Mietwagenfirma den wiederhaben will. Die werden vermutlich sagen „behalten Sie den und machen Sie damit, was Sie für richtig halten“ und das als Versicherungsfall abrechnen. Das kann sich keine Firma leisten, so ein Auto wieder zu vermieten oder zu verkaufen. Das wäre PR-Selbstmord. Zumal ein Prozess womöglich zwei, drei Jahre dauern kann und das Fahrzeug als Tatwerkzeug beschlagnahmt bleibt und dann eingezogen wird.
Ergibt eigentlich keinen Blogartikel.
Nun schreibt mir aber ein anderer Leser:
Die ganze Angelegenheit stinkt zum Himmel. Folgend meine Analyse. Stand jetzt:
Der Wagen ist ein BMW X3 (Ver. G 45 / 24). Dieses Fahrzeug hat einen elektronischen Unfall-Zwangslastabwurf. Bei einer Kollision werden in Sekundenbruchteilen automatisch die Bremsen aktiviert und der Motor ausgekuppelt und abgestellt. Zusätzlich zünden die Front- und Seitenairbags. Diese Funktionen des Fahrzeuges können vom Nutzer nicht deaktiviert werden. Einfluss darauf ist nur durch Spezialisten und Eingriffe in die Fahrzeugsteuerung möglich. Die Software der zentralen Steuerungselektronik des Wagens muss umprogrammiert werden. Die Komponenten der Hardware (Controller und Sensoren) müssen überbrückt bzw. modifiziert werden.
Gestern teilte die Polizei und die Staatsanwaltschaft Magdeburg in der Pressekonferenz offiziell mit, dass das Zeitfenster der Todesfahrt drei Minuten (!!!) dauerte. Drei Minuten Todesfahrt ohne Motor, zwangsabgebremst und mit gezündeten Airbags? Die Frage nach der technischen Manipulation des Fahrzeuges im Raum.
Das mit den Airbags sehe ich immer noch nicht ein. Warum sollten die zünden, wenn das für den Fahrer nicht gefährlich war, der auch so völlig unverletzt da rauskam? Dann wären sie verbraucht und stünden für einen Aufprall gegen ein Fahrzeug oder eine Wand nicht mehr zur Verfügung.
Aber dass so ein Auto mit Elektronik vollgestopft ist und ich da noch auf dem Stand der Technik von vor 10, 20 Jahren denke, ist ein Punkt. Wenn das nämlich ein Mietfahrzeug war, und kein Billig-Kleinwagen, dann dürfte das Fahrzeug nicht sehr alt gewesen sein, normalerweise fahren die die höchstens zwei, drei, vier Jahre, also zu vermuten, dass die moderne Elektronik auf dem Stand der EU-Vorschriften haben.
Und das kann schon sein, dass die Funktionen haben, die ich noch nicht kenne. Ich hatte ja schon geschrieben, dass ich mich bei Mietwagen auf Zypern gewundert habe, weil die Funktionen hatten, die ich noch nicht kannte, etwa Schaltwagen mit Anfahrhilfe, der beim Anfahren bergauf nicht nach hinten wegrollt, wenn bei offener Bremse die Kupplung und das Gas tritt, obwohl er das ja eigentlich müsste. Oder die beim Einparken von selbst bremsen, bevor man irgendwo dagegen fährt.
Auf den Gedanken bin ich noch nicht gekommen, dass so ein modernes Auto mit automatischem Notfallruf usw. nicht nur Gefahren für den Fahrer, sondern auch Kollisionen etwa mit Fußgängern erkennen und das Fahrzeug automatisch zum Stillstand bringen soll.
Falls das ein halbwegs neues und kein altes Fahrzeug war. Aber „G45“ ist angeblich neu.
Das ist ein interessanter Punkt, auf den ich jetzt nicht gekommen wäre. Das wäre sinnvoll, so etwas in einem Fahrzeug zu haben, zumal die ja heute ohnehin alles per Computer steuern und man das Fahrzeug nicht mehr steuert, sondern den Computer bedient und ihm sagt, was man will.
Allerdings muss ich sagen, dass ich per Google dazu jetzt auch nichts gefunden habe, also nicht sagen kann, ob dieses Fahrzeug – oder überhaupt BMW-Fahrzeuge – so etwas haben.
Ich bin mir aber sicher, dass die EU bald für alle Fahrzeuge eine Weihnachtsmarktsperre vorschreiben wird. Entweder so etwas, was der Leser beschreibt, dass Personenaufprall erkannt wird und das Fahrzeug sofort blockiert und die Polizei ruft, um etwa Fahrerflucht zu verhindern.
Oder, wie man das bei Drohnen schon lange macht, der Bordcomputer eine Liste von Fahrverbotszonen als Teil der Landkarte hat und das Befahren blockiert. Bei Drohnen hat man das ja, dass die eine Liste von Bereichen haben, in die sie nicht fliegen, wie Flughäfen, Kernkraftwerke, Gefängnisse und solche Bereiche. Es wäre also denkbar, dass man solche Bereiche statisch oder dynamisch für den Autoverkehr sperrt, indem man vorschreibt, dass die Autos die Einfahrt auf Plätze, in Fußgängerzonen und so weiter verhindern muss, oder auch die Polizei Sender aufstellen kann, die rundherum ein paar Daten senden „hier nicht einfahren“, damit sich das Auto dann weigert. Oder optisch erkennbare Schilder.
Was auch immer man davon halten mag, ich bin mir bei dieser EU ziemlich sicher, dass das kommen oder dass man das zumindest fordern wird.
Dieter Nuhr sagte im Jahresrückblick, dass er ein Auto hat, das nach der EU-Vorschrift immer bimmelt, wenn er – vermeintlich – zu schnell fährt, weil das Auto glaubt, irgendwo ein Tempo-30-Schild gesehen zu haben. Wenn das Auto Geschwindigkeitsbegrenzungen erkennen und bimmeln kann, dann könnte es im Prinzip auch besondere Verbotszeichen optisch erkennen und die Einfahrt verweigern. Man könnte also ein besonderes, von Fahrzeugen gut erkennbares Einfahrt-Verboten-Schild entwerfen und dann rund um die Weihnachtsmärkte nicht nur Betonpoller, sondern solche Schilder aufstellen, die Autos blockieren wie das Kreuz Graf Dracula.
Was natürlich voraussetzen würde, dass das Fahrzeug gar nicht mehr oder nur noch im Notbetrieb fährt, wenn die Kamera usw. nicht plausibel funktionieren, etwa weil sie sabotiert, verklebt usw. wurden.