Ansichten eines Informatikers

Als ich aufhörte zu böllern

Hadmut
1.1.2025 13:52

Kleine Anmerkung.

Ich habe früher leidenschaftlich gerne zu Silvester geböllert, natürlich nur zugelassenes Zeug aus dem Supermarkt.

Ich kann mich noch an einen „Betriebsunfall“ erinnern, der passierte, als ich noch Kind war. Wir waren bei einem Studienfreund meines Vaters zur Feier, und beide wollten sich natürlich überbieten, wer die größeren, dickeren Böller hat. Jeder hatte eine große Tüte (kennt Ihr noch die riesigen C&A-Tüten von Ende der 1960er, Anfang 1970er Jahre?), und damals hatten Raketen noch keinen Schutzdeckel auf der Zündschnur. Beide hatten sich auf je einer Straßenseite postiert und mit einer großen Flasche, Feuerzeug und ihrem Sack voll Feuerwerk aufgebaut, als mein Vater zum Anlassen so um 5 oder 10 vor zwölf mal einen dieser „Pfeifer“ in die Luft warf, diese kleinen Dinger, die laut pfeifend aber unkontrollierbar richtungswechselnd durch die Luft schwirren. Und dieses Ding flog nach einigen Wendungen genau in die Tüte des Studienfreundes. Und dessen ganzer Sack voll Feuerwerk ging um kurz vor zwölf auf einmal und in alle Richtungen los. Ich kann mich noch erinnern, dass da an einem Haus ein Mädchen mit kurzem Rock vor einer offenen Balkontür stand und eine Rakete horizontal in Bodennähe abflog, genau durch deren Beine hindurch in deren Wohnzimmer, wo irgendwer drinnen die aber geschickt parierte. Die Kleine vergaß vor Schreck zu schreien und holten ihren Schrei dann mit etwas Verzögerung noch nach. Weil es zwar großen Schrecken und den vorzeitigen Totalverlust des Böllervorrats zu beklagen gab, aber keine Schäden entstanden und das dann doch sehr eindrucksvoll war, hat man das nachher begossen und unter „war auch lustig“ abgehakt und positiv vermerkt, dass man ohne Aufwand ein recht schönes Feuerwerk gehabt habe, für das man nicht angestrengt noch oben habe schauen müssen.

Mir ging das allerdings schon zu Studentenzeiten auf den Wecker, weil wir als Studenten natürlich zusammen feierten und irgendwer immer auch ein paar Frauen dazu organisierte, es aber die todlangweiligsten, humorlosesten, unangenehmsten (außerfamiliären) Feiern waren, die ich je erlebt habe. Nichts mit guter Stimmung, alle nur am lauern, wann sie sich über irgendwas oder irgendwen aufregen konnten. Irgendwie wurde dann erwartet, dass ich jetzt Feuerwerk mache, was ich dann natürlich auch eingekauft hatte, und ich hatte dann das ganze Gehuddel, und die standen regungslos mit einem Glas Sekt am Rande, haben desinteressiert und gelangweilt zugeguckt und mal „Mmmh, schön…“ gebrummelt, und sind nach der Hälfte wieder reingegangen, weil ihnen zu kalt war (klar, wennn man sich nicht bewegt…), und die Kosten sind immer an mir hängen geblieben (als Student halt sehr übel in der Kasse). Da hatte ich eigentlich schon die Schnauze voll.

Einige Jahre später hatte ich dann an anderer Stelle in anderem Kreis geböllert und es kam zu einem Unfall: Ich hatte so eine Riesenpackung mit mindestens einem Dutzend verschiedener Raketen, und die eine nach der anderen aus einer großen leeren Flasche am Boden abgefeuert, als es zu einer Fehlfunktion kam. Eine besonders große Rakete ist nicht, wie normal, mit der Verzögerung der Zündschnur, die einem Zeit lässt, auf Abstand zu gehen, hochgegangen, sondern sofort beim Anzünden direkt vor meinem Gesicht explodiert.

Mir ist, außer ein paar ganz leichten, nicht weiter erwähnenswerten und kaum sichtbaren Verbrennungen im Gesicht nichts passiert, weil mein persönliches „Schutzkonzept“, für das ich vorher oft ausgelacht worden war, funktioniert hat: Böllern nur mit Arbeitsschutzbrille, Gehörschutz, robuster Jacke und Schutzhandschuhen. Man hatte immer gelacht, dass der Hadmut sich anzieht, als würde er Kriegsbomben entschärfen. Die Brille hat mir vermutlich die Augen gerettet. Ich war nur für ein, zwei Sekunden geblendet und benommen, habe dann langsam wieder sehen können und festgestellt, dass mir nichts passiert war.

Dann hörte ich hinter mir ein Kind lachen, das sich darüber amüsierte, aber viel zu nah dran stand, obwohl ich dem vorher gesagt hatte, es solle da weg bleiben (Kinder eben), worauf die Eltern dann aber nicht geachtet hatten. Das Kind merkte nicht, dass es brannte. Zwei oder drei dieser Leuchtkugeln aus der Rakete hatten das Kind am Bauch getroffen und dessen Synthetik-Winterjacke (Polyester oder etwas in der Art) in Brand gesetzt, weil die glühenden Dinger sich in das Futtergewebe schweißten und leuchteten. Und das Kind merkte es selbst nicht.

Glücklicherweise lagen so 30, 40 Zentimeter Schnee, ich habe das Kind gepackt, in den Schnee geworfen und mit einem Haufen Schnee zugeworfen. Schnee ist ein sehr effektives Löschmittel, der hat das dann auch innerhalb einer Sekunde sofort gelöscht. Ohne den Schnee hätte ich ein Problem gehabt (obwohl ich normalerweise auch immer einen Eimer Wasser parat stehen habe). Das Kind quietschte dabei noch vor Lachen, weil es dache „Au fein, der Hadmut macht eine Schneeballschlacht mit mir!“, während die Eltern verständnislos fragten, was das jetzt solle. Erst bei Licht bemerkte man dann die Brandlöcher in der Kinderjacke. Dem Kind ist auch nichts passiert, es davon gar nichts mitbekommen.

Das war aber der Punkt, an dem ich mir dachte „So, reicht, jetzt ist Schluss damit“, zumal mich Feuerwerk eigentlich unglaublich langweilt. Ich habe das eigentlich immer für die Zuschauer gemacht, aber die fanden es irgendwann auch langweilig. Es ist zwar schon schön – aber es ist halt auch immer gleich. Das ist mehr so ein sozialer Erwartungsdruck, dass man das schön zu finden hat um kein Muffel zu sein. Seither habe ich nicht mehr geböllert. Weiß nicht mehr, wann das war, aber so mindestens 25 Jahre muss das her sein.