Zum Crash von Toronto
Erste greifbare Informationen.
Ich hatte ja nach dem Video der Bruchlandung schon vermutet, dass es etwas damit zu tun habe, dass das rechte Hauptfahrwerk weggeknickt und/oder die rechte Tragfläche mit der Spitze im Schnee/Eis hängen geblieben ist.
Unzählige Leser schrieben mir, dass der Flug zwar ein Flug von Delta war, aber „operated by“ deren Tochtergesellschaft Endeavor Air, die ihrerseits heftig damit wirbt, „unmanned flights“ (unbemannte Flüge) zu betrieben, bei denen die gesamte Crew nur aus Frauen besteht. Das ist natürlich eine Einladung zu Spott jeder Art.
— Nathan the Black (@vantamaga) February 22, 2025
Die Frage war aber, ob überhaupt ein Pilotenfehler vorlag. Mir kam das zwar im Video etwas steil vor, wie die da runterkommen, aber es könnte genauso gut ein Defekt am Fahrwerk oder plötzlicher Seitenwind in Verbindung mit einer unzureichend schneegeräumten Landebahn sein.
Außerdem hätte der Spott nicht getroffen, denn der Kapitän war angeblich ein erfahrener Pilot namens James Henneman, der allerdings bei dieser Landung die Kommunikation und nicht die Landung selbst durchgeführt hat. Also war es keine reine Frauencrew.
Allerdings wurde die Landung wohl von einer Copilotin durchgeführt, die gerade erst im Januar ihre Lizenz bekommen hatte (ei, natürlich machen die Landungen, irgendwie müssen sie ja anfangen, und man spottet, dass sie erst unter 1500 Flugstunden hatte. Ich habe mit 18 Fahrstunden Führerschein gemacht und bin mit kaum mehr als weiteren 18 Stunden Fahrerfahrung LKW gefahren. 1500 Flugstunden muss man erst einmal haben.
Und: Sie sei Schönheitskönigin von Minnesota gewesen. Naja.
The pilot behind the dramatic Delta crash that flipped a plane upside down at Toronto Pearson Airport has been identified as 26-year-old First Officer Kendal Swanson.
A Minnesota beauty pageant winner who completed her training just last April with under 1,500 flight hours.
The… pic.twitter.com/fqv5hqNIyL
— Shadow of Ezra (@ShadowofEzra) February 22, 2025
— Nathan the Black (@vantamaga) February 22, 2025
Der sachliche Punkt ist aber wohl, dass sie da wohl mit einer Sinkrate von 1100 Fuß pro Minute runtergekommen sei.
The plane pretty much slammed on the tarmac and broke apart. The rate of descent has been reported to be 1100 feet per minute. A fighter jet hits a carrier deck at 800 feet per minute and you’re real serious about coming in hot in case you miss the cable. So ya, this was pilot…
— tigerloose (@tigerloose1) February 22, 2025
Und ich sitze da, und habe keine Ahnung, ob das gut oder schlecht ist, normal, wenig oder viel. Nun lässt sich das Googeln und ich habe gefunden, dass beim Abstieg aus der normalen Flugebene wohl eine Sinkrate von 2500ft/min die Standard-Sinkrate der Flugsicherung sei, man aber aus sehr großen Höhen auch mal 3000ft/min und aus niedrigen auch mal nur 1800ft/min nehme. Was dann auf so ungefähr 12 Minuten Abstieg hinauslaufen würde, was plausibel erscheint.
Bei der Landung selbst sind aber angeblich Sinkraten zwischen 50 und 200 ft/min geboten.
Ist das plausibel? Keine Ahnung.
Zur Landegeschwindigkeit habe ich Angaben von 240 bis 290 km/h gefunden, das wären so durchschittlich 15000 ft/min. Und irgendwo stand, dass man die Landebahn unter einem Sinkwinkel von 3° anfliegen solle. tan(3/360*2*3.1415926) * 15000 ft/min = 786 ft/min , was, wenn ich mich jetzt nicht irgendwo verrechnet habe, bedeuten würde, dass man von ganz oben mit 2500 ft/min sinkt, dann beim Landeanflug auf den Flughafen mit einer Sinkrate um die 750ft/min anfliegen würde, und die Landung selbst dann zwischen 50 und 200 ft/min vornehmen würde.
Da ich blutiger Laie bin, und mir das jetzt auf die Schnelle aus Google und nichts zusammengereimt habe, bitte ich um Korrektur, falls falsch.
Ich hatte doch neulich erwähnt, dass mir bei den Landungen von Ryanair häufig die ohnehin schon lädierten Bandscheiben sehr weh tun, weil die oft so hart aufsetzen, und das meines Wissens eine Methode ist, um Reifenabrieb und damit Geld zu sparen. Mir schrieb jemand, dass es vor allem um das Spritsparen gehe, weil man normalerweise den Flieger kurz vor dem Aufsetzen abfängt, in dem man Triebwerke nochmal kurz hochfahre, um sanft zu landen, was aber Sprit und damit Geld koste. Deshalb setzten die da so ruppig auf, das sei Anweisung. Und man sieht das ja auch gelegentlich, dass die beim Landen kurz vorher nochmal steiler werden. Ich bin noch nie ein Flugzeug gelandet, schon gar kein großes, aber es scheint so zu sein, dass die kurz vor dem Landen nochmal kurz „ziehen“. Und dann gibt es ja die bekannte Ansage „30 .. 20 .. retard“ (Ich dachte eigentlich, das wäre Boeing-typisch, aber es ist wohl – zumindest auch – in manchen Airbus-Modellen so).
Hier erklärt einer, warum das so ist:
Und dass der Bordcomputer da nicht den Piloten beleidigt (retard = verzögern, zurückhalten, bezieht sich eigentlich auf die Gashebel, bezeichnet im US-Slang als Schimpfwort und Schmähung aber auch einen Lernbehinderten, und ich wäre mir da vielleicht auch gar nicht so sicher, ob der Bordcomputer in wirklich jedem Fall die Triebwerkshebel und nicht den Piloten meint, nach der Bruchland in Toronto könnte der Bordcomputer nach dem Stillstand vielleicht noch ein lakonisches „retard!“ hintergeschickt haben. „Du Idiot!“)
Es könnte also durchaus sein, und das käme meiner ersten Einschätzung des Videos nahe, dass die da mit einer zu hohen Sinkrate runterkam, zu hart aufgesetzt ist, und dabei dann das Flugzeug ins Wackeln kam, oder vielleicht das Fahrwerk gebrochen ist, oder auch nur die Tragfläche durch ihre Eigenelastizität den Boden berührt hat und hängen geblieben ist. Man hat ja auf den Fotos des Wracks gesehen, dass das rechte Fahrwerk fehlte, und bei dem Video von der Landung sieht man es zwar nicht so genau, aber es sieht aus, als sei es beim Landen gebrochen oder eingenickt und deshalb die Tragfläche nach unten gekippt.
Wobei mich das nun wieder an meinen Blogartikel von 2008 erinnert: Der Sturm und die “schöne Co-Pilotin”… Sehr ähnliche Situation: Man hatte eine Lufthansamaschine dabei gefilmt, wie sie beim Aufsetzen wackelte, mit einer Tragflächenspitze deftig über den Boden schrammte, Seitenwinde und so, und dann sofort durchstartete und erfolgreich die Flucht nach oben antrat. Hinterher stellte sich heraus, dass die Landung von einer Copilotin mit wenig Erfahrung, aber tollem Aussehen und blonden Haaren durchgeführt worden war, und als die schief ging, der erfahrene Kapitän übernahm und das Flugzeug durchstartete.
Damals titelte die BILD was von der „Schönen Pilotin“, die nicht landen könne und der Mann im Cockpit die Situation habe retten müssen, obwohl Leute, die sich auskennen, sagten, das wäre Quatsch, denn bei fiesen Winden könne so etwas passieren, ohne dass man einen Fehler mache, und dass in solchen heiklen Situationen immer der Kapitän übernehme, sei Vorschrift und nicht Mann/Frau. Man könne daraus nicht folgern, dass der habe eingreifen müssen, weil sie nicht fliegen könne. Was übrigens bei der Notwasserung des Airbus im Hudson durch Chesley Sullenberger schön beschrieben wurde, wo auch zunächst der Copilot flog, und als man die Triebwerke verlor mit dem Kommando „My plane!“ übernahm, und ich glaube, der Copilot durch „Your plane!“ bestätigte. Da hat der Copilot auch nichts falsch gemacht.
Die Situation in Toronto hat also gewisse – auch personelle – Ähnlichkeit mit der Situation 2008 in Hamburg: Schöne junge blonde unerfahrene Copilotin fliegt, der erfahrene männliche Kapitän macht die Kommunikation, und es geht schief, die Spitze der Tragfläche schrabbert über den Boden. Nur: In Hamburg scheint die Integrität des Flugzeugs nicht versagt und der Kapitän sehr schnell reagiert zu haben, das Flugzeug an sich blieb ja flugfähig und hat sofort wieder abgehoben. Und es ist unklar gelieben, ob die Pilotin überhaupt einen Fehler gemacht hat (oder vielleicht nur mangels Erfahrung nicht schnell genug reagiert hatte, aber nach diesem Tag hatte sie diese Erfahrung dann).
In Toronto dagegen hat dann wohl entweder auch der Kapitän gepennt (warnt einen denn der Bordcomputer nicht, wenn man zu schnell sinkt?), oder die Wirkung mit dem wohl eingeknickten oder weggebrochenen Fahrwerk oder der hängen gebliebenen Tragflächenspitze war so heftig, dass da auch gar nichts mehr zu retten war.
Apropos Frau am Steuer: Bei der Kollision eines Militärhubschraubers mit einem Verkehrsflugzeug in Washington haben auch viele darüber gespottet, dass eine junge Quotenfrau mit zuwenig Flugkunde den verursachenden Heli flog. Der sei zu hoch geflogen. So wie ich gelesen habe, hatten im Heli aber aus ungeklärten Gründen unterschiedliche Höhenanzeigen, und das Flugzeug auf einer ungewöhnlichen Route unterwegs gewesen, von der die Militärpiloten nichts wissen konnten, sie hätten also gar nicht wissen können, dass da ein Verkehrsflugzeug quer kommen kann. Auch wenn es auf den ersten und zweiten Blick so aussieht, als habe der Militärhubschrauber den Crash verursacht, kann es gut sein, dass die gar nichts oder nichts Schweres falsch gemacht haben und nichts dafür konnten.