U8
Berlin am schönsten Ende.
Lange Zeit war die U-Bahn-Linie U1 die übelste von Berlin, weil da bei der Fahrt am Görlitzer Park vorbei und zur Warschauer Brücke die übelsten Drogenlocations Thema waren. Mir ist es beim aussteigen aus der U1 (die fährt in dem Bereich nicht unterirdisch, sondern über der Straße auf Stelzen) einmal passiert, dass ich auf dem Weg vom Bahnsteig oben runter auf die Straße von drei Drogendealern angequatscht wurde, ich müsse ihre Drogen kaufen. Da wird’s einem schon mulmig.
Das ist vorbei.
Also, nicht die Drogendealer, die sind noch da. Sondern dass die U1 die übelste Strecke ist. Die U8 ist längst noch übler. Und ich weiß, wovon ich rede, das ist hier bei mir die nächstgelegene U-Bahn. Man merkt richtig den Unterschied zur U2, die ein bisschen weiter entfernt ist, aber eben durch Mitte und nicht durch Kreuzberg und Neukölln fährt. Die U2 ist viel ziviler und sicherer, was die Fahrgäste angeht, dafür sind da die Tunnel (neulich bei der Absenkung Richtung Alex) und Bahnhoftreppen (Haltestelle Märkisches Museum) einsturzgefährdet. Das ist ein Riesen-Unterschied, ob die Fahrgäste widerlich und kriminell sind, oder die Bausubstanz im Eimer. Das merkt man so richtig. Ganz anderes Fahrerlebnis. Die U2 zum Beispiel ist immer bausubstanzgefährdet, da kommt es auf die Uhrzeit nicht an. Die U8 dagegen ist nachts noch viel schlimmer als tags.
Wobei auch das nicht immer gilt. Ich stand schon am Alex am Bahnsteig der U2 mit einem Stück Pizza auf der Hand, da kam so einer völlig versiffter, dreckiger Typ, der forderte, dass er mitessen und auch abbeißen dürfe. Das geht noch. Manchmal stoßen sie in Berlin Leute vor die einfahrende Bahn.
Jedenfalls will die Berliner Regierung, dass wir alle auf das Auto verzichten und auf die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen.
Die BZ hat eine Lobeshymne auf die U8: Meiner Schwester hat Berlin gefallen, bis sie U8 gefahren ist
Schon an der Station Alexanderplatz tümmeln sich viele Menschen auf dem Bahnsteig. Klaustrophobie. In der Bahn fällt die Sitzplatzwahl schwer. Viele Sitze sind mit undefinierbarer Flüssigkeit behaftet. Als die Bahn an der Heinrich-Heine-Straße hält, finden wir einen sauberen Platz. Eine halb volle Bierflasche kullert durch den U-Bahn-Wagen.
Es riecht nach Bier, Schweiß und billigem Parfum. Eine Frau mit zerzausten Haaren, einer dreckigen Adidas-Jacke und wirrem Blick steigt ein. Mit krächzender Stimme erzählte sie den Fahrgästen ihre Lebensgeschichte. Auf der Straße, Drogenabhängig. Ob wir nicht einen Euro oder wenigstens ein paar Cent über hätten.
[…]
Fazit: Sechs Stationen und zwölf Minuten Fahrt reichen aus, um jedem Berlin-Touristen einen authentischen Einblick in die U8 zu geben und nachhaltig zu traumatisieren. Zur nächsten Sehenswürdigkeit, dem Mauerpark, bestellten meine Schwester und ich uns ein Taxi. Doch die U8 MUSS jeder Berlin-Touri erlebt haben!
Die Abgeordneten der Grünen und der SPD fahren natürlich mit dem Limousinenservice des Bundestags und ziehen sich gerade einen Wassergraben um den Bundestag.