Die Blockparteien und der Bratpfanneneffekt
Warum haben die Leute eigentlich CDU gewählt?
Ich habe heute morgen einen Tweet gelesen und auch mit einer Bookmark markiert. Manchmal kommen die Bookmark-Markierungen aber nicht bei Twitter/X an, oder der Tweet wurde wieder gelöscht, jedenfalls finde ich ihn nicht mehr. Weil es auch ganz viele sinngemäße Tweets gibt und ich mich nur noch sinngemäß, aber nicht mehr an die genauen Begriffe erinnere, hilft auch die Suchfunktion nicht weiter.
Der Tweet lief darauf hinaus, dass die Wähler systematisch verarscht werden und immer denselben Quatsch bekommen, weil sie aus Protest immer nur eine andere innerhalb der Blockparteien wählen (also immer zwischen SPD, CDU, Grünen hin- und herspringen) um „Extreme“ zu vermeiden, und deshalb nicht merken, dass sie effektiv immer denselben Quatsch unter verschiedenen Namen bekommen. Also genau das, was ich immer damit umschreibe, dass wir eine leninistische Einheitspartei haben, die Pluralität vorgaukelt, indem sie unter verschiedenen Handelsmarken auftritt.
Zwei Assoziationen hatte ich dazu.
Der Bratpfanneneffekt
Es kam mal vor einiger Zeit eine Sendung über Verkaufstricks, wie man den Leuten Zeugs andreht.
Einer der vorgestellten Tricks handelte davon, wie IKEA Bratpfannen verkauft.
Denn IKEA bietet nie nur eine Bratpfanne an. IKEA bietet (mindestens) drei Bratpfannen an: Eine ganz billige, die vom Preis, aber auch von der Machart merklich billig ist und nicht viel taugt. Eine richtig teure, die nach Profi und Chefkoch aussieht. Und eine von mittlerem Preis und mittlerer Qualität.
Weil man die mittlere kaufen soll. Die billige und die teure sind eigentlich nur dazu da, dass man die mittlere kauft.
Denn auf diese Weise wird dem Hirn ein preislicher und qualitativer Bezugsrahmen geliefert. Man schaut nicht nach, was Bratpfannen gerade kosten oder ob die da überhaupt preisgünstig ist, weil man den Bezugsrahmen gleich geliefert bekommt. Der Mensch neigt dazu, die Extreme zu meiden und den mitten-nahen Kompromiss zu wählen.
Hier sieht er nun: Ach, guck mal, die ist qualitativ viel besser als der billige Mist.
Und: Schau mal, die ist auch gut, aber viel, viel günstiger als das teure Profiding, das ich eh nicht brauche.
Also ist es doch ein gutes Schnäppchen, die mittlere Pfanne zu kaufen, weil ich beides bekomme: Gute Qualität zu günstigem Preis. Obwohl beides, gute Qualität und günstiger Preis, nur suggeriert ist, weil man zu beidem das abschreckende Beispiel danebenlegt.
Und ich habe den Eindruck, dass Wahlen genauso funktionieren: Man gibt zwei abschreckende Beispiele als Bezugsrahmen dazu, schaut mal, die durchgeknallten Linken und die Nazi-Rechten, also wählt der Bürger das, was vermeintlich Mitte und gemäßigt, in jeder Hinsicht besser als irgendetwas anderes ist.
Der Türschlosseffekt
Es erinnert mich noch an etwas anderes. Nicht öffentlich bekannt.
Ich kannte mal jemanden (lebt nicht mehr), der so eine Art Verfolgungswahn hatte und fest davon überzeugt war, dass finstere Organisationen und böse Angreifer auf irgendeine Weise an Zweitschlüssel für seine Wohnungstür kämen und in seiner Abwesenheit in seiner Wohnung irgendwas herummachten.
Also tauschte er jedesmal, wenn er so einen Panikschub hatte, den Schließzylinder der Tür aus.
So weit, so gut. Kann man ja tun.
Der Brüller war aber, dass er noch so eine altmodische Tür hatte, die noch keinen modernen Schließzylinder hatte, sondern einen – die kennt heute kaum noch jemand – eine BKS Rundzylinder. Und die waren damals schon sauteuer und schwer zu bekommen. Da musste man ins Fachgeschäft. Dafür sind die Dinger, wenn man weiß, wie es geht, ruckzuck und blitzschnell auszutauschen, viel schneller als ein normaler, moderner Zylinder. Kann man deutlich unter 10 Sekunden schaffen. Wenn man es drauf anlegt, auch in 5.
Deshalb hatte er genau zwei dieser Zylinder. Einen in der Tür, und einen im Keller liegen. Und bei jedem Panikanfall tauschte er die, weil er meinte, er habe noch ein Schloss in Reserver im Keller liegen. Mindestens ein Dutzend Male hat der die beiden gegeneinander getauscht. Immer dieselben beiden, immer das eine gegen das andere.
Ich habe ihn mal gefragt, was das bringen soll, denn das Schloss, das er gerade einbaue, habe er doch erst vor drei Monaten (und davor schon viele Male) ausgebaut, weil die Bösen einen Nachschlüssel hätten. Die hätten dann doch inzwischen beide Nachschlüssel. Ob man nicht konsequenterweise irgendwann mal einen neuen Zylinder kaufen müsse.
Nein, das sah er nicht ein. An sein Geld wollten sie ja auch noch.
Dem ging es nicht um die Logik, ob die Bösen einen Nachschlüssel für seine Tür hatten, sondern allein darum, dass er sein Bedrohungsgefühl damit bekämpfte, dass er das Schloss wechselte, also der Vorgang als solcher. Wenn der Panikschub kam, hat es geholfen, das Schloss auszuwechseln, auch wenn er immer nur zwischen den beiden wechselte und beide Schlösser aus seiner Sicht eigentlich gleich kompromittiert sein müssten.
Genauso machte er es mit Webseiten. Er verwendete überall dasselbe Passwort, weil das „sein“ Passwort war, wie er auch „seine“ Lottozahlen hatte. Und immer, wenn er meinte, da sei was nicht in Ordnung, wechselte er es – abwechselnd mal mit, mal ohne Ausrufezeichen am Ende.
Anscheinend funktioniert der Wähler genauso, und protestiert, indem er zwischen SPD und CDU hin- und heroszilliert.
— Rothmus (@Rothmus) March 17, 2025
Der Türschlosseffekt
— Rothmus (@Rothmus) March 16, 2025