Teure Pseudo-Ausstattung in Autos
Ein interessanter Video-Beitrag bei Heise c’t Magazin über teure Auto-Sonderausstattung bringt einen dazu, sich als deutscher Kunde wieder mal verarscht vorzukommen.
Anders als beispielsweise in den USA oder in Asien ist es in Deutschland ja so üblich, daß sich der Kunde sein Auto höchst individuell zusammenstellt und alles einzeln zahlt.
c’t zeigt nun auf, daß viele dieser Funktionen reine Softwarefreischaltungen sind, man kauft also quasi nicht die Sonderaustattung sondern die Lizenzfreischaltung. Bordcomputer, automatisches Einparken und dergleichen Zeugs sind ab Werk bei allen Autos schon serienmäßig eingebaut, werden aber nur bei denen freigeschaltet, die teuer dafür bezahlen – in Deutschland. Bei Autos in Japan es ist angeblich so, daß die dort gleich alles freigeschaltet bekommen, ohne Aufpreis. Der Japaner möchte selbstverständlich den größtmöglichen Luxus, der Deutsche hingegen definiert sich selbst über seine individuelle Auswahl und möchte aus einer Zubehörliste das für ihn prägende Zubehör auswählen – und bezahlen. Entsprechend werden wir als Kunden verarscht.
Etwas in der Art ist mir vor ein paar Jahren schon mal aufgefallen. Ich hatte damals einen schönen neuen Skoda Octavia II (übrigens ein hervorragendes Auto) als Dienstwagen. Das heißt, ich hatte damals die Wahl zwischen einem Audi, einem VW Passat und dem Skoda Octavia. Obwohl von allen dreien am billigsten (spell: wenigsten teuer), hat der mir am besten “gepasst”. Und statt des teureren Fahrzeugs habe ich lieber fette Ausstattung genommen.
Beispielsweise einen Reifendruckwarner. Aber ach. Der funktionierte nicht etwa mit Sensoren in den Rädern (die für diesen Preis dann auch wieder nicht zu machen gewesen wären), sondern allein über den Bordcomputer und die Auswertung der Radsensoren. Wenn die Sensoren melden, daß die Radumdrehungen nicht gleichmäßig oder nicht in vernünftigem Verhältnis zueinander stattfinden, folgert der Bordcomputer daraus, daß ein Reifen zu wenig Luft hat. Nur: Das einzige, was dafür eingebaut wird, ist eine Taste im Armaturenbrett. Der Rest ist Software. Gut, warum auch nicht, es funktioniert ja. Aber warum muß man sowas extra dazukaufen? Und warum kostet es bei Skoda so ca. 70 Euro während es bei Audi viel teurer (und sogar dieselbe Taste) war?
Ärgerlich sind auch die unsäglichen Navigationssysteme. Momentan habe ich so ein sündhaft teures Navi ab Werk. Zugegeben, das Gekabels entfällt, es sieht besser aus, fliegt nicht im Auto herum wenn der Saugnapf mal wieder nicht mehr hält, und ist akkustisch viel besser und in das Autoradio integriert. Und es funktioniert auch mal kurzzeitig ohne GPS-Empfang, weil es die Radsensoren mit auswertet. Und kann zusätzlich das Mini-Display im Tacho steuern.
Aber warum zum Kuckuck bekommen die kein Auto-Navi mit brauchbarer Software hin? Ich hatte vorher ein Navi von Aldi mit Saugnapf, das etwa nur ein Achtel gekostet hatte. Und dessen Software war wesentlich besser, das konnte mehr, war einfacher zu bedienen und gab die besseren Hinweise, hatte eine bessere Karte, bessere Daten. Und war nicht auf ein lahmes und mechanisch anfälliges DVD-Laufwerk angewiesen, sondern nutzte Flash-Speicher. Warum zahlt man also so viel mehr Geld für ein technologisch gesehen lausiges eingebautes Navi?
Vielleicht ist die derzeitige Absatzkrise gar nicht so schlecht um die Hersteller mal von ihrem hohen Ross herunterzuholen. Vielleicht kommt so ja mal wieder etwas Wettbewerb ins Geschäft.
Was wäre daran so schlimm wenn alle Autos ab Werk Tempomat und Bordcomputer hätten und wenn man da mal ordentliche Navis zu marktüblichen Preisen einsetzen würde?
4 Kommentare (RSS-Feed)
Freilich kenne ich das, von Festplatten und Software usw. Aber daß die Softwaremarotten sich schon so in den PKW-Markt einschleichen find ich übel, vor allem daß es so Europa- bzw. Deutschland-orientiert ist.
Übrigens habe ich gehört, daß es bei manchen Herstellern auch unterschiedlich starke Motoren mit unterschiedlicher Leistung und natürlich unterschiedlichem Preis gibt, hinter denen eigentlich das exakt baugleiche Modell steht nur mit einer anderen Kennlinie im ROM.
“Übrigens habe ich gehört, daß es bei manchen Herstellern auch unterschiedlich starke Motoren mit unterschiedlicher Leistung und natürlich unterschiedlichem Preis gibt, hinter denen eigentlich das exakt baugleiche Modell steht nur mit einer anderen Kennlinie im ROM.”
Natürlich. Wieviele verschiedene Motorenmodelle willst Du denn entwickeln?!
“Früher war es übrigens auch durchaus üblich, daß die Autohändler ein radio ab Werk empfohlen haben, weil nur dann die Kabel für die Anschlüsse da wären, um ggf. ein anderes Radio einzusetzen oder man die Kabel selbst einzoiehen müßte. Das stimmt heutzutage auch nicht mehr, weil es für den Hersteller die Logistik meist teurer ist,”
Naja – abknipsen der Kabel sollte doch günstig machbar sein …
Bisher kenne ich es so, daß Motoren gleiche Grundbauteile und dann unterschiedliche Bohrungen oder andere Ventile haben, sich also in den Details und im Hubraum etwas unterscheiden. Daß die aber genau identisch sind und sich nur noch in der Software unterscheiden ist mir bisher so nicht untergekommen.
Aber Canon schaltet seine billigeren Kameras ja auch künstlich dumm, Festplatten werden nur noch in hoher Dichte hergestellt und dann runterkonfiguriert und Casio hat schon vor 30 Jahren Taschenrechner mit und ohne Statistikfunktion zu unterschiedlichen Preisen herausgebracht, deren einziger Unterschied die fehlende Tastaturbeschriftung und daß im LCD statt “Statistik” der Schriftzug “Error” auftauchte, die aber gleich funktionierten.
Was so schlimm wäre? Ganz klar: Die Margen der Hersteller/Händler wären noch kleiner. Sie würden noch weniger verdienen, müßten noch viel eher Konkurs anmelden. 😉
Das ganze ist doch nur deswegen, weil es keine einheitlichen Standard für den Anschluß von Navi, Radio, Mobiltelefon, etc. gibt. Man kann soagr glücklich sein, daß es eien Euro/ISo-Norm für den Einbauschacht von Autoradios gibt, womit man wenigstens sicher sein kann, daß man das Radio ins den Schacht und angeschlossen bekommt. Alles andere ist purer Luxus.
Abgesehen davon ist es natürlich nicht im interesse der Hersteller, weil die mit Sonderbauformen größere Margen einstreichen können.
Apropos Psudo-Extras per Lizenzfreischaltung. Als Informatiker müßte es Dir doch schon seit Urzeiten bekannt sein, daß das gang und gäbe ist.
Früher war es übrigens auch durchaus üblich, daß die Autohändler ein radio ab Werk empfohlen haben, weil nur dann die Kabel für die Anschlüsse da wären, um ggf. ein anderes Radio einzusetzen oder man die Kabel selbst einzoiehen müßte. Das stimmt heutzutage auch nicht mehr, weil es für den Hersteller die Logistik meist teurer ist, mehrere Varianten des Kabelbaums herstellen zu lassen und zu verwalten, als eine Variante in dem alles mit eingebaut ist.