Disziplinarstrafe gegen Professor wegen Kritik an Plagiaten
Ein mehrfach bedenklicher Vorgang.
Ein Leser wies mich heute auf eine Entscheidung der 80. Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Berlin (haben die allen Ernstes 80 Disziplinarkammern oder ist das nur insgesamt die 80. Kammer, die eben dafür zuständig ist?) hin, das eine Disziplinarstrafe in Höhe von 1000 Euro gegen einen Berliner Professor bestätigte.
Quellen: Heise Telepolis, Archivalia und die Entscheidung im Langtext (VG Berlin vom 29.10.2012, 80 K 23.12 OL).
Das Urteil veranlasst mich zu deutlicher Urteilsschelte, denn ich halte die Entscheidung nicht nur im Ergebnis für katastrophal und verfehlt, sondern auch juristisch handwerklich schlichtweg für fehlerhaft, um nicht zu sagen Pfusch. Sowas darf eigentlich nicht vorkommen.
Man sollte sich nun zuerst einmal den Urteilstext durchlesen, insbesondere die zitierten Äußerungen des Professors. Es ging um ein Plagiat, bei dem sich die Hochschule, laut Entscheidung die HTW Berlin, wohl – man kennt das ja, sowas wird in Deutschland immer unter den Teppich gekehrt und protegiert, wenn nicht von außen aufgeklärt wird – sehr passiv, schweigend und zurückhaltend verhalten hatte. Dem Professor ging das gegen den Strich und er äußerte daran Kritik, und bekam prompt eine Disziplinarstrafe auf’s Maul, damit er selbiges künftig hält. Denn der Fall war peinlich, weil nicht wieder mal nur ein externer Doktorand, sondern ein anderer Professor höchstselbst aus einer Studienarbeit abgeschrieben hatte. Sowas lässt sich nicht mehr auf die niedrigen Dienstgrade schieben, zumal Professoren meist verbeamtet sind. Die – und damit den Makel – wird man nicht mehr los, zumal die Gefahr besteht, eine Lawine loszutreten.
Der Professor rügte insbesondere das Schweigen der Professoren und verglich es mit der Omerta der Mafia. Wikipedia erklärt diesen Begriff (mir war zwar die Praxis der Mafia, bisher aber nicht der Begriff dafür bekannt) so:
Omertà bezeichnet im engeren Sinne die Schweigepflicht der Mitglieder der Mafia und ähnlicher krimineller Organisationen gegenüber Außenstehenden und ist Teil des Ehrenkodex der Organisation. Eine Person, welche dagegen verstößt und insbesondere mit den Behörden zusammenarbeitet, wird Pentito (it.: „Reuevoller“ und „Geständiger“) genannt.
Im erweiterten Maße erwartet die Mafia dieses ungeschriebene Gesetz des Schweigens auch von Nichtmitgliedern, betroffenen Opfern und potentiellen Zeugen. Insbesondere auf Sizilien ist es deshalb in der Bevölkerung verankert, sich nicht als Zeuge zur Verfügung zu stellen. Beschuldigte klären aus diesem Grund auch unberechtigte Verdächtigungen nicht auf, sondern akzeptieren stattdessen sogar eine fälschliche Verurteilung oder Bestrafung.
Dies trifft sehr genau das Verhalten der Universitäten, wie ich es selbst erfahren habe und wie es mir seit Führen meines Blogs und meiner Webseiten Hunderte von Leuten beschrieben haben. Nicht grundlos habe ich mein Blog dazu Forschungsmafia genannt. Und ich habe genau dieses Verhalten ja selbst miterlebt: Ich wurde von zwei Professoren erpresst, typische Schutzgelderpressung im Stil der Mafia, und wie sich später herausstellte, weder innerhalb dieser Uni, noch deutschlandweit ein Einzelfall. Betrug, Schutzgelderpressung und dergleichen Mafia-typische Praktiken sind, ebenso wie erzwungenes Ghostwritertum, gängige und verbreitete Praxis.
Und auch das mafiatypische Brauchtum, Leute, die gegen das Schweigegebot verstoßen, zu „exekutieren”, findet seine Analogie im Hochschulbereich. Dem bekannten und kürzlich verstorbenen Dresdner Professor Andreas Pfitzmann wollte man wegen interner Streitigkeiten, Korruption und Platzhirschgetue die Promotion kaputtmachen. Andere Professoren halfen ihm und ermöglichten ihm die Promotion (und damit die Professur), wurden dafür aber hart bestraft. Man schlug ihnen über gezielt falsche, für sie nachteilige Gutachten ihre Forschungsanträge tot, schnitt sie von Drittmitteln ab und erledigte sie damit faktisch oder fügte ihnen enormen Schaden zu. Die Folge war, dass ich dann keinen mehr fand, der mir offen helfen wollte. Ich musste mich dann konspirativ mit Professoren treffen, in Cafes in anderen Städten, in Hinterzimmern, mit einem sogar mal in einer abgelegenen Herberge tief im Wald, weil die Leute fürchteten, mit mir gesehen zu werden.
Wenn das nicht Mafia-Methoden sind, was dann? Die Kritik des bestraften Professors trifft hier doch auf den Punkt. Die deutsche Professorenszene ist organisiert wie die Mafia, und sie beruht auf Kriminalität, Betrug, Schwindel und eben Plagiaten und dergleichen. Sie ist eine Mafia.
Dazu schreibt nun das Gericht in seiner Begründung:
1. Aus der dem Beamten obliegenden Treuepflicht als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) sowie der Berufspflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (auch) gegenüber dem Dienstherrn (§ 34 Satz 3 BeamtStG) folgt, dass die Meinungsäußerungsfreiheit nach Maßgabe der Erfordernisse des Amtes Einschränkungen unterliegt.
Da begeht das Gericht schon drei Fehler, einen formalen und zwei materielle.
Der formale Fehler ist, dass das Gericht versäumt hat festzustellen und zu begründen, dass die von dem Professor gescholtene Hochschulleitung eben jener Dienstherr ist. Das ist nicht unproblematisch, denn normalerweise ist bei Beamten das Bundesland oder der Bund der Dienstherr. Das war bis vor einiger Zeit auch bei Professoren die Regel und wurde erst in manchen Bundesländern und bei neueren Professuren geändert und auf die Hochschule übertragen (was ich übrigens für verfassungswidrig halte). So konnten etwa in Baden-Württemberg Professoren dem Übergang widersprechen. Ich hab es jetzt für Berlin nicht genau recherchiert, zumal nichts näheres über die Dienststellung und das Dienstalter in der Entscheidung steht (es wurde anonymisiert, aber zumindest ist er seit 19.. Professor, und damit vor der Liberalisierungswelle berufen worden), aber auch von Berlin weiß ich, dass es zumindest Professoren gibt, deren Dienstherr das Land und nicht die Hochschule ist. Und dazu fehlt außerdem die Feststellung, dass die Hochschule auch Disziplinarvorgesetzter des Professoren ist. Denn auch auch das ist nicht selbstverständlich, in vielen Bundeslandern ist oder war das jeweilige Forschungsministerium bzw. der Minister Disziplinarvorgesetzter. Es fehlen also die Feststellung, ob die kritisierte Hochschulleitung bzw. die kritisierten Professoren überhaupt mit dem rechtlich geschützten Dienstherrn identisch waren und warum die Hochschulleitung Disziplinarvorgesetzter war. Das ist schon grobe richterliche Schlamperei.
Der zweite, materielle Fehler liegt in der Schlussfolgerung. Denn weder Art. 33 Abs. 5 GG noch § 34 BeamtStG sagen konkret, dass der Beamte Kritik zu unterlassen hätte. Das sind lediglich allgemeine, substanzlose Gummiparagraphen, die im Wege des Richterrechts nach aktuellem Wetter auszulegen sind. § 34 spricht von Achtung und Vertrauen, die der Beruf erfordert. Das ist bei manchen Beamten einfach, etwa Polizisten, bei Professoren aber eben nicht. Das hätte das Gericht ausführen müssen, hat es aber nicht. Im Gegenteil, gerade diese Achtung und dieses Vertrauen widersprechen der Entscheidung. Denn wer entspricht eher der Stellung eines Wissenschaftlers: Der Professor, der Betrug und Plagiate anprangert, oder der, der sie verschweigt? Man müsste eher zu dem Schluss kommen, dass der Professor sogar verpflichtet war, öffentliche Kritik zu üben, als schweigend zu bleiben. Denn dem, der da schweigt, können Achtung und Vertrauen als Wissenschaftler nicht mehr entgegengebracht werden.
Ein dritter, noch größerer materieller – und verfahrensrechtlicher – Fehler liegt aber darin, die Freiheit von Forschung und Lehre aus Art. 5 Abs. 3 GG zu übergehen. Denn diese hat Priorität gegenüber den vom Gericht herangezogenen Normen. Art. 5 Abs. 3 GG kennt keinen Ausnahmetatbestand und gibt keine Ermächtigung zu einfachgesetzlicher Einschränkung. Deshalb kann und darf der Gesetzgeber die Forschungsfreiheit nicht durch einfache Gesetze wie das BeamtStG einschränken. Deshalb hätte das Gericht zunächst klären und begründen müssen, ob die beanstandete Äußerung von der Forschungsfreiheit gedeckt ist (es kommt weiter unten auf das Thema, aber unsachgemäß und grob fehlerhaft, dazu unten mehr). Wenn sie das ist, dann darf sie nicht nur nicht vom Disziplinarvorgesetzten oder der Hochschule sanktioniert werden, die in diesem Fall als grundrechtsverpflichtete Exekutive tätig sind, sondern auch das Gericht selbst hätte nicht urteilen dürfen, denn Fragen der Forschung und Lehre sind allen drei Staatsgewalten entzogen und damit auch den Gerichten. Sie sind schlichtweg nicht justiziabel. Das Verwaltungsgericht ist für Fragen aus Forschung und Lehre schlichtweg nicht zuständig und nicht ermächtigt, es darf nicht urteilen. Die Richter hätten also erst einmal begründen müssen, worauf sie die Zuständigkeit der Hochschulleitung und des Verwaltungsgerichts zur Beurteilung der Äußerungen stützen, warum sie also außerhalb der Forschungs- und Lehrfreiheit liegen soll.
Der schwerwiegende Punkt daran ist nämlich, dass die Freiheit von Forschung und Lehre auch die Kritik an den Methoden anderer umfasst. Und damit auch die Aufdeckung und Kritik an Plagiat und solchen Forschern, die Plagiate dulden oder schützen. Denn es gibt – auch wenn man es kaum glauben sollte – durchaus Leute, die Plagiate rechtfertigen oder für vertretbar halten. Ich erinnere da auch daran, dass die Staatsanwaltschaft Darmstadt mir damals geschrieben hat, dass es Usus und akzeptiert sei, dass Professoren sich ihre Papers von Mitarbeitern schreiben lassen. Das Schreiben hat inzwischen durchaus schon Eingang in die Rechtsliteratur gefunden und zu viel Empörung geführt. Und der hier vom bestraften Professor kritisierte Fall, in dem ein Professor von seinem Studenten abgeschrieben hatte, fällt ja durchaus in diese Kategorie. Und ist damit zweifellos ein legitimer Gegenstand wissenschaftler Methodenkritik. Und damit unterliegen die Diskussion darüber und auch die Kritik daran der Freiheit von Forschung und Lehre, die (so das BVerfG) vor jeder staatlichen Ingerenz geschützt ist und damit auch dem Zugriff der Exekutive, also der Hochschulleitung, und der Judikative, also dem Verwaltungsgericht, entzogen ist.
Die Hochschulleitung und das Verwaltungsgericht haben damit also die Freiheit von Forschung und Lehre verletzt und in etwas eingegriffen, worin sie nicht eingreifen dürfen.
Dies gilt nicht nur bei politischen Meinungsäußerungen in der Öffentlichkeit, sondern und gerade bei der innerdienstlichen Beurteilung des Verhaltens eines Dienstherrn.
Und genau das gilt in Fragen der Forschung und der Lehre eben nicht. Weil man damit nämlich die Politik in ihrer Besetzungs- und Gesetzgebungsmacht und die Exekutive in Form der Universitätsleitung über die Forschungsfreiheit stellt und damit Kritik verbietet. Nebenbei bemerkt finde ich diese Auffassung dieser Kammer von der Verfassung erschreckend. Erschreckend schlecht.
Zwar darf auch ein Beamter rechtswidriges oder sonst beanstandungswürdiges Verhalten seiner Behörde kundtun, insbesondere wenn dies intern geschieht. Jedoch trifft den Beamten bei Meinungsäußerungen in Form und Inhalt eine Mäßigungspflicht auch und erst recht bei Kritik an seinen Vorgesetzten (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 20. September 2007 – 2 BvR 1047/06 – nach juris Rn. 6 ff.).
Das ist seltsam. Denn weder unter dem Datum, noch unter dem Aktenzeichen habe ich die angebliche Entscheidung in der Online-Datenbank des Bundesverfassungsgerichts gefunden.
Die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung in diesem Sinne sind überschritten, wenn diese verleumderische, diffamierende oder beleidigende Aussagen über andere oder sonst wissentlich oder unter Verletzung der zumutbaren Sorgfalt getätigte unwahre tatsächliche Angaben enthält (BVerfG a.a.O., Rn. 8). Dies gilt nicht nur bei internen Beschwerden oder Eingaben, sondern erst Recht und verstärkt bei Kritik am Dienstherrn in der Öffentlichkeit oder – wie hier – bei quasi öffentlichen Äußerungen, die aufgrund vom Beamten ausdrücklich gestatteter Verbreitung über das Internet („Youtube“) einen unübersehbar großen Empfängerkreis erreichen können.
Dazu müsste man aber als Gericht belegen, dass eine Aussage verleumderisch ist. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich in seiner Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit ausdrücklich und umfangreich dargelegt, dass die Meinungsfreiheit sehr weit geht, insbesondere dann, wenn sie auf tatsächlichen Umständen beruht und begründet wird. Erst dann, wenn unwahre Tatsachen behauptet werden oder die Meinungsäußerung verbal (und nicht schon inhaltlich!) beleidigend ist, sind die Grenzen überschritten. Harte und harsche Kritik sind sogar ausdrücklich gestattet. Dass der Professor hier aber irgendjemanden verleumdet oder verbal beleidigt hätte, ist aus der Entscheidungsbegründung nicht ansatzweise ersichtlich. Ich sehe nicht, dass irgendeine Tatsachenbehauptung inhaltlich bestritten worden wäre.
Die Ausführung des Gerichts sind also juristisch einfach falsch.
Die Aussage des Klägers, die Mitglieder des Akademischen Senats sowie die Mitglieder der Kommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs (FNK) hätten nach der Sitzung des Akademischen Senats vom 11. Oktober 2010 neun Monate lang hinsichtlich des Plagiatsfalls geschwiegen und zwar „eisern geschwiegen, sozusagen das Gesetz der Mafia Omerta“, ist allein schon in der Form beleidigend, da der Eindruck erweckt wird, die genannten Mitglieder der Hochschule seien ähnlich wie die Mitglieder der Mafia zum Schweigen über ihre kriminelle Organisation und deren Machenschaften verpflichtet und handelten gleichsam nach den Regeln organisierter Kriminalität.
Nein. Das ist keine Beleidigung in der Form, und durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Die Meinungsfreiheit ist erst dann verletzt, wenn verbal beleidigt wird. Ist es aber nicht, weil es eine Wertung ist, die insbesondere der politischen Meinungsbildung dient und sich etwa auf politische Wahlentscheidungen auswirken kann, und dadurch besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Erst in verbalen Ausfälligkeiten liegt eine Beleidigung. Beispielsweise hätte der Professor seine Kollegen nicht als „Schweine” bezeichnen dürfen. Sowas hat er aber auch nicht getan.
Das Verwaltungsgericht verbiegt hier in ganz massiver Weise die Verfassungsrechtsprechung zur Meinungsfreiheit.
Und das Verwaltungsgericht setzt sich auch über den Umstand hinweg, dass eine Meinung nicht nachprüfbar richtig sein muss. Auch eine falsche Meinung ist eine geschützte Meinung. Man darf falsche Meinungen haben. Man darf nur nicht falsche Tatsachenbehauptungen aufstellen.
nicht jedoch, Angehörige der Hochschulleitung in diesem Zusammenhang mit kriminellen Organisationen zu vergleichen.
Doch, das darf er, denn die Meinungsfreiheit gestattet auch, starke Sprache zu wählen und seiner Kritik solches Gewicht zu verleihen, dass sie auch verstanden wird. Man muss seine Kritik nicht so zügeln, dass sie nicht mehr ankommt oder nicht mehr verstanden wird.
Ebenfalls nicht mehr von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt war die Aussage des Klägers, es bestehe der Verdacht, die Hochschulleitung habe eine Strafvereitelung im Amt begangen, weil sie den Plagiatsfall nicht zur Strafanzeige gebracht habe. Der öffentlich geäußerte Vorwurf an die Dienstvorgesetzten des Klägers, mit ihrer Dienstausübung eine Straftat begangen zu haben, ist, auch wenn er im Konjunktiv formuliert wurde, so erheblich und ehrenrührig, dass ihn der Kläger nicht ohne sich zuvor hinreichend sicher informiert zu haben hätte äußern dürfen. Ganz offensichtlich hat der Kläger dies nicht getan, da ihm sonst hätte klar sein müssen, dass die Hochschulleitung kein zur Strafverfolgung berufener Amtsträger i.S. des Strafgesetzes (§ 258a StGB) ist, die – zumal durch Unterlassen – eine Strafvereitelung im Amt hätte begehen können, zumal auch die Frage, ob überhaupt eine Straftat vorlag, durchaus zweifelhaft war. Die Vorwurf der Strafvereitelung geschah demnach ins Blaue hinein; eine derartige quasi öffentlich vorgetragene („Youtube“) Verdächtigung seiner Dienstvorgesetzten mit einer dienstlich begangenen Straftat überschritt die Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit deutlich, zumal der Kläger dem Vorwurf der Strafvereitelung einen längeren Abschnitt seiner Rede widmete.
Und auch das ist juristisch falsch.
Die Meinungsfreiheit gestattet nicht, falsche Tatsachenbehauptungen aufzustellen. Falsche rechtliche Wertungen sind aber durchaus zulässig und gestattet. Meinungen müssen nicht richtig sein. Und juristische Wertungen sind ohnehin nicht klar nach falsch und richtig einzustufen, zumal die Rechtsprechung davon ausgeht, dass man nur von einem Juristen erwarten kann, die Richtigkeit zu überprüfen. Nur Juristen müssen bei ihrer Meinungsäußerung zu juristischen Wertungen eine gewisse Sorgfalt an den Tag legen, weil dies anderenfalls sonst dazu führen würde, dass die Weite der Meinungsäußerung sich nach dem Bildungsgrad und sprachlichen Fähigkeiten richten würde. Analphabeten und Ausländer hätten da weitaus größere Probleme und damit weniger Meinungsfreiheit.
Es ist auch in der Strafrechtsliteratur längst geklärt, dass es nicht verboten ist, eine richtig dargestellte Tatsache, zumal als Nichtjurist, juristisch falsch zu bewerten.
Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung auch geklärt, dass man sich in der Meinungsäußerung keineswegs immer nur an juristische Begriffe halten muss, sondern durchaus auch umgangssprachliche Auslegungen zulässig sind. So darf man durchaus etwas als Betrug bezeichnen, wenn man sich hereingelegt fühlt, selbst wenn es kein Betrug im juristischen Sinne ist.
Auch das ist also falsch.
Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre berufen (Art. 5 Abs. 3 GG). Abgesehen davon dass nicht ersichtlich ist, welchen inhaltlichen Zusammenhang der Umgang des Plagiats-Falles durch die Hochschulleitung mit der Lehrveranstaltung des Klägers gehabt haben sollte, bedeutet Freiheit der Lehre nicht, dass der Kläger als Hochschullehrer in diesem Rahmen von seinen allgemeinen beamtenrechtlichen Pflichten befreit wäre, insbesondere von seiner Treuepflicht gegenüber dem Dienstherrn. Insoweit gilt grundsätzlich nichts anderes als für das Verhältnis der allgemeinen Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) zur beamtenrechtlichen Treuepflicht (vgl. dazu die Ausführungen des BVerfG a.a.O. Rn. 7 ff.).
Und auch das ist mehrfach falsch.
Dass die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre durchaus zutrifft, habe ich oben ausgeführt.
Falsch ist auch, dass die Wissenschaftsfreiheit ein Zusammenhang mit der Lehrveranstaltung des Professors haben müsste, denn die Forschungsfreiheit ist nicht an eine Lehrveranstaltung gebunden. Sie steht jedem zu, der wissenschaftlich tätig werden will, und nicht nur denen, die eine Vorlesung haben, und nicht nur in Zusammenhang mit Vorlesungen. Sonst könnte die Fakultät ja willkürlich festlegen, wer wo forschen darf. Oder überhaupt die Regierung durch Berufung oder Nichtberufung auswählen, wem überhaupt das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit zukäme. Dass Wissenschaftsfreiheit ein Monopol oder Privileg der Professoren sei, ist ein oft behauptetes, aber dennoch falsches Märchen. Aber wieder ein Zeichen mafiösen Verhaltens und eines künstlichen Monopols – nicht unähnlich der New Yorker Mafia, die den Betonhandel für sich alleine beansprucht.
Beispielsweise unterliegen auch viele meiner Blogartikel der Wissenschaftsfreiheit, obwohl ich nicht mal an der Universität tätig bin und keine Vorlesung halte. Ich kann und darf einfach so, weil es mir gefällt, Wissenschaft kritisieren, forschen und lehren, weil die Wissenschaftsfreiheit jedem zukommt. (Und damit habe ich sogar schon einen Rechtsstreit vor einem Landgericht gewonnen, wo mir jemand Äußerungen verbieten wollte.) Die inhaltliche Bindung an eine Lehrveranstaltung ist willkürlich und verfassungsrechtlicher Unfug.
Es stimmt auch nicht, dass die Wissenschaftsfreiheit hier nicht von beamtenrechtlichen Pflichten befreien würde. Es ist gerade umgekehrt: Der Gesetzgeber ist daran gehindert, beamtenrechtliche Pflichten zu normieren, die mit der Wissenschaftsfreiheit kollidieren. Im Kollisionsfall gewinnt die Wissenschaftsfreiheit, nicht das Beamtenrecht, denn die steht im höheren Rang.
Juristischer Pfusch ist es auch zu behaupten, dass sich Wissenschafts- und Meinungsfreiheit gleich zu den Beamtenpflichten verhielten. Denn die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG ist in Abs. 2 durch die allgemeinen Gesetze eingeschränkt. Die Wissenschaftsfreiheit ist es nicht. Damit kann der Gesetzgeber durch Beamtenrecht zwar dessen Meinungsfreiheit einschränken, nicht jedoch dessen Wissenschafsfreiheit.
Erstaunlich viele juristische Fehler in einer erstaunlich kurzen Entscheidungsbegründung.
Verwundert hat mich, dass man das, womit man ihm rechtlich viel eher hätte kommen können, nicht erwähnt hat, nämlich das Dienstgeheimnis.
Die Entscheidung erscheint umso fragwürdiger, wenn man sie mit einer anderen vergleicht, über die ich 2007 berichtet habe. Dort hatte ein Professor seine Fakultät als „korrupten Sauhaufen” bezeichnet und dafür eine Disziplinarstrafe bekommen, die das OVG Koblenz als zulässig bezeichnet hatte. Dabei hatte das OVG dem Professor aber ausdrücklich die Kritik erlaubt und auch überhaupt nicht in Frage gestellt, dass die Fakultät tatsächlich ein korrupter Sauhaufen war. Es ging aber darum, dass der Professor dort zuvor den Vorgesetzten darüber hätte informieren müssen, was hier ja passiert war. Ich habe diese Entscheidung jetzt nicht mehr zur Hand und nicht mehr so ganz in Erinnerung, aber wenn ich mich recht entsinne, war dem Professor damals die Kritik nicht grundsätzlich verboten worden, sondern lediglich die Reihenfolge getadelt worden.
Es bleibt der üble Geschmack, dass man hier auf Recht gepfiffen, sich sogar darüber hinweggesetzt hat, um da Kritiker in den eigenen Reihen zum Schweigen zu bringen. Wieder mal das Prinzip, nicht Rechtsfindung zu betreiben, sondern zu entscheiden, wie man will, und dann nur Begründungsfindung zu treiben.
Das kommt mir sehr bekannt vor. Mich hat man damals zwar ausgebremst, weil ich das verlangte Schmier-/Schutzgeld nicht geleistet habe, aber richtig kaltgemacht hat man mich erst, als ich öffentlich das Maul aufgemacht und die mafiaartigen Zustände kritisiert habe. Und auch bei mir hat damals ein Verwaltungsgericht gerade gemacht, was es will, um mich als Kritiker aus dem Universitätsbetrieb rauszuhalten. Auch da gab es diesen kriminellen Schweigezwang, von dem sich viele Professoren so eingeschüchtert und bedroht fühlten.
Insofern ist es beängstigend, dass ein Verwaltungsgericht diesem Professor zwar vorhält, dem akademischen Zirkus mafiaartige Schweigesitten vorzuhalten, sich die Verwaltungsgerichte aber gerade daran beteiligen.
16 Kommentare (RSS-Feed)
“Das Urteil veranlasst mich zu deutlicher Urteilsschelte, denn ich halte die Entscheidung nicht nur im Ergebnis für katastrophal und verfehlt, sondern auch juristisch handwerklich schlichtweg für fehlerhaft, um nicht zu sagen Pfusch. Sowas darf eigentlich nicht vorkommen.”
Sowas kommt ständig vor, das ist der Sinn des Justizsystems, es ist eine Disziplinierungseinrichtung, der letztlich Gerechtigkeit, Recht und Widerspruchsfreiheit egal sind. Wer es immer noch nicht begriffen hat, der befasse sich mit dem Fall Mollath. Das ist kein Einzelfall, das ist tägliche Praxis. Und da stehen geheime Klüngelklubs dahinter.
Carsten
—
Hier stinkt doch was
http://images.derstandard.at/2009/08/13/1250011509413.jpg
OT: “Generisches Feminimus” an der Uni Leipzig eingeführt:
http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/gleichberechtigung-uni-leipzig-nutzt-weibliche-bezeichnungen-a-903530.html
@mann: Na, wenigstens kann man deren Ordnungen jetzt wieder lesen, ohne Augenkrebs zu bekommen. Ernsthaft, die ständigen Doppelbezeichnungen nerven mich einfach. Oder auch die total gehirntoten Partiziopkonstruktionen, die Gott sei dank auf die StVO begrenzt bleiben. Mir egal, ob man die einfachen Bezeichnungen männlich oder weiblich macht, auch wenn es traurig ist, dass man Feministinnen erklären muss, dass grammatisches und biologisches Geschlecht zwei verschiedene Paar Schuhe sind.
Gut, Zyniker würden jetzt sagen, dass es der Gleichberechtigung wohl eher nicht so sehr hilft, dass man in der Hausordnung ein paar Worte ausgetauscht hat.
Eventuell sollte ich hier nicht mehr mitlesen, das deprimiert mich alles immer so.
Hallo Hadmut, ich wundere mich ein wenig darüber, dass dieser Beitrag nicht auf Forschungsmafia erscheint.
Wenn man das Aktenzeichen aus der Entscheidung googlet, landet man hier:
https://www.jurion.de/de/document/show/0:3628543,0/
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Unabhängig davon, ob der bewusste Professor nun im Recht war oder nicht, stellt sich mir doch die Frage ob nun eine Lehrveranstaltung der geeignete Ort und Studenten die richtigen Diskussionspartner für solche Einlassungen / Vorwürfe sind.
So jedenfalls ließt sich das für mich, als ob da jemand Opfer der eigenen Eitelkeit bzw. dem Drang nach Selbstdarstellung geworden ist.
Hätte ich ein Problem mit der Handhabung der Hochschulleitung eines Plagiatvorwurfs so fielen mir sicherlich zweckdienlichere Massnahmen ein, als meinen Unmut im Kreis von Studenten kund zu tun.
Das Urteil und insbesondere dessen Begründung ist ohne Frage absolut unterirdisch – entspricht aber auch meiner überwiegenden Einschätzung von Juristen und bestätigt zudem meine Ansicht, dass Jura absolut gar nichts mit Wissenschaft zu tun hat und somit auch nicht an eine Uni sondern allenfalls an eine Fachschule gehört.
> Dies trifft sehr genau das Verhalten der Universitäten,
> wie ich es selbst erfahren habe und wie es mir seit Führen
> meines Blogs und meiner Webseiten Hunderte von Leuten
> beschrieben haben. Nicht grundlos habe ich mein Blog dazu
> Forschungsmafia genannt.
Dann wäre es eigentlich besser gewesen, diesen Beitrag auch in
jenem Blog zu veröffentlichen.
@Quarc:
> Dann wäre es eigentlich besser gewesen, diesen Beitrag auch in jenem Blog zu veröffentlichen.
Ich habe drüber nachgedacht, und im Prinzip hätte es da auch gut gepasst. Aber eigentlich war es ein Artikel über das Gericht und nicht die Hochschule, und das ist dann im Prinzip Staat.
Der zweite Grund ist, dass ich derzeit nicht dazukomme, das Forschungsmafia-Blog dauerhaft zu befüllen und deshalb auch die Leserzahlen gerade runtergehen. Das wird sich in Kürze wieder ändern, aber da war’s mir wichtiger, einen großen Leserkreis zu erreichen. Hatte noch andere Gründe.
@dieter: nach Kant wäre das, was der Professor da gemacht hat, falsch. Beamte in “Dienstzeit” haben sich nicht politisch zu äußern, das dürfen sie nur ausserhalb ihrer Arbeitszeit, dann aber vor allem öffentlich und nicht “kungelnd” (“Zur Beantwortung der Frage: was ist Aufklärung?”).
Für den Professor und diesen speziellen Fall würde ich aber behaupten, dass ein kritische Haltung zugunsten der Redlichkeit der Wissenschaft sehr wohl ein wichtiger Lehrinhalt jeden Studiums ist. Der Mann hätte dann lediglich eine normale Veranstaltung in “Methodik” gegeben in der Lektion “Betrüger nicht gewähren lassen, denn ein fauler Apfel verdirbt die ganze Ladung”. Zudem hat er durch das, was ihm nun passiert ist, auch gleich mitgelehrt, dass es nicht ausreicht, auf der Seite der Wahrheit zu stehen, um ihr zu ihrem Recht zu verhelfen. Man muss auch als Wissenschaftler dafür kämpfen und kopernikanisch bleiben (“e si mouvere!”). Sowas lockt vor allem eher mutige und auch kampflustige Jungtalente in die Wissenschaft statt der allseits bekannten Trantüten, Nachplapperer, Weggucker und Ja-Sager.
Die Kürze und Diletanz des Urteils sieht für mich nicht gerade nach souveräner Machtdemonstration aus. Wer sich seiner Macht sicher ist, der bleibt nämlich ruhig und vor allem “wetterfest”. Dieses Urteil scheint mir eher unter die Kategorie “bloß nicht hochkochen lassen” zu fallen, wobei man hierbei recht nervös war. Mit ein bisschen Willenskraft geht der Schuss aber ins Knie.
@Flo: Äh, wat fürn Bescheid des Bundesamts für Finanzen, und wat fürn Urteil aus dem Saarland?
@Jens:
Ich hab keine Ahnung, was da genau hinter steckt.
Aber das Aktenzeichen stimmt mit dem überein, das im von Hadmut genannten Urteil erwähnt wird – und allem Anschein nach wurde diese Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Das wiederum deckt sich mit Hadmuts Beobachtung, dass er dieses Aktenzeichen nicht in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes finden konnte: Über die Verfassungsbeschwerde wurde nie entschieden.
Im Urteil ist außerdem ‘nur’ von einem Beschluss die Rede, dem Beschluss zur Nichtannahme vermutlich. Jetzt könnte man also hingehen und den Werdegang der Verfassungsbeschwerde mit dem Aktenzeichen: 2 BvR 1047/06 analysieren, wozu ich mich allerdings nicht berufen fühle, da ich mich im juristischen Bereich nicht wirklich gut auskenne.
Mein Kommentar war nur ein Hinweis.
Volltext der BVerfG-Entscheidung:
http://treffer.nwb.de/completecontent/dms/content/000/276/Content/000276611.htm
Der Kläger war Beamter beim Bundesamt für Finanzen in Saarlouis und hat dessen Personalpolitik in durchaus harten Worten kritisiert.
Um die Entscheidung des BVerfG zu verstehen, müßte ich juristisch weit ausholen. Das will ich mir und Euch ersparen.
Gruß aus der Anstalt.
@anstaltszauber (((“Volltext der BVerfG-Entscheidung
http://treffer.nwb.de/completecontent/dms/content/000/276/Content/000276611.htm
Der Kläger war Beamter beim Bundesamt für Finanzen”)))
Aha, die Brechstange bei solchen Entscheidungen ist wieder einmal…
“Teh Beleidigung”.
Solange Beleidigungen und alle ähnlichen Straftatbestände (Verleumdung, Verunglimpfung, Verhetzung usw.) nicht abgeschafft werden, wird man Kritik immer angreifen können. Selbst wenn man vor Gericht letztendlich verlieren sollte, so wird die Angst vor Anklage dafür sorgen, dass Kritik unterdrückt wird.
Es ist schon lustig: da hat die HTW schon mit DWW ein Schlachtross in Sachen Plagiatsbekämpfung (was nun sicher auch eine gute Werbung ist), und nun machen sie sich das durch diesen Blödsinn wieder kaputt.
> Doch, das darf er, denn die Meinungsfreiheit gestattet auch, starke Sprache zu wählen und seiner Kritik solches Gewicht zu verleihen, dass sie auch verstanden wird. Man muss seine Kritik nicht so zügeln, dass sie nicht mehr ankommt oder nicht mehr verstanden wird.
Naja es wurde auch schon jemand verurteilt, der in der GEMA “mafiöse Strukturen” erkannt hat – also scheint das Gericht nicht das einzige zu sein, dem Meinungsfreiheit nicht wichtig ist…
> Falsche rechtliche Wertungen sind aber durchaus zulässig und gestattet.
Vor allem stellt sich oft die Frage, was denn nun “richtig” und was “falsch” ist – da sind sich die Gerichte ja in vielen Fällen selbst nicht einig, bzw. praktizieren eine … abenteuerliche Auslegungsweise.