Ansichten eines Informatikers

Journalisten: Digitale Angst oder digitale Analphabeten?

Hadmut
14.6.2013 12:06

Ein erster Kommentar zur Journalisten-Konferenz Netzwerk Recherche in Hamburg.

Den Anfang hab ich gleich verpasst, ich bin etwas zu spät gekommen, weil ich im Verkehr stecken geblieben bin. Womit ich auch schon voll im Thema bin. Denn zwar habe ich nicht (oder nur von der Ankündigung und ein paar letzten Minuten) mitbekommen, worum sich die Einführungsveranstaltung und ein parallel laufender Vortrag über “Digitale Waffen” drehten, aber soviel war klar: Es geht um die Digitalisierung.

Journalisten haben einen gehörigen Respekt vor der digitalen Welt entwickelt, und das aus verschiedenen Aspekten. Ein Problem ist das wirtschaftliche, ihnen brechen die bisherigen Vertriebswege weg, bevor sie äquivalente digitale Wege eröffnet haben. Ein anderes Problem ist eine inhaltliche Bedrohung, denn mit der Digitalisierung kommt auch die Überwachung und bedroht journalistische Arbeitsweisen, Informanten, Vertraulichkeit.

Allerdings erscheinen mir als Informatiker viele Probleme der Journalisten hausgemacht. Denn viele rennen zwar mit iPad herum, haben Webseiten, twittern und bloggen, sind aber in einer romantisch-alten Arbeitsweise festgehangen, als würde man ihnen die alte Schreibmaschine digital simulieren, statt sie zu modernisieren.

Man sieht das sehr gut an Problemen dieser Konferenz: Einerseits sind die Vortragsevents total überfüllt und man kommt kaum rein, weil sie halt partout ihre Veranstaltung im Norddeutschen Rundfunk abhalten wollen, wo es einfach die Raumkapazitäten nicht gibt. Und sie bieten keine Videoaufzeichnung der Vorträge an. Andererseits – Leute, wir sind hier mitten im Norddeutschen Rundfunk! – rennen sie draußen mit Kameras herum und interviewen sich gegenseitig.

Das heißt, sie haben zwar die besten, modernsten und teuersten Digitalgeräte, und sind eigentlich die Fernsehmacher, arbeiten aber wie vor 50 Jahren. Sie kennen praktisch nur Interviews. Digitaltechnik als Arbeitswerkzeug zu verwenden, und beispielsweise die Sitzungen aufzuzeichnen und zum Download anzubieten, wie es bei Informatikern längst üblich ist, scheint nicht üblich zu sein. Es wäre weitaus nützlicher, die Fernsehkameras nicht draußen zur Selbstdarstellung von Leuten zu nutzen, die sich im Fernsehen sehen wollen, sondern sie in die Vortragsräume zu stellen, für die, die die Vorträge sehen wollen. Mein Vorschlag, das zu tun, schien auf Überraschung zu stoßen. Ja, das wär mal ne Idee.

Es fällt mir als Informatiker immer wieder auf, wie unendlich schwer die sich im Umgang mit Digitalem tun. Und wer nur den Hammer kennt, für den sieht alles wie ein Nagel aus. Selbst dann, wenn der Hammer von einer iPad-App simuliert wird.

Ich hab mir vorhin die boshafte Bemerkung nicht verkneifen können, darauf hinzuweisen, dass man kleine, billige, brauchbare Videokameras bei Aldi bekommt.

5 Kommentare (RSS-Feed)

lothar
14.6.2013 13:17
Kommentarlink

poese, poese ….


Christian
14.6.2013 14:23
Kommentarlink

Ich wage die Behauptung, dass sich in jedem Berufszweig irgendwann Methoden festfahren, die man aufgrund von Betriebsblindheit nicht mehr als Problem wahrnimmt.

Populäres Beispiel ist auch die “Map of the cat”-Anekdote von Feynman.

Hin und wieder braucht es wohl Fachfremde, um einen darauf aufmerksam zu machen. Man muss dann nur aufpassen, die Leute nicht als Ahnungslose abzustempeln sondern wirklich zu überlegen, ob man gerade auf eine Chance zur Verbesserung hingewiesen wurde.


Steffen
14.6.2013 14:27
Kommentarlink

> Es fällt mir als Informatiker immer wieder auf, wie unendlich schwer die sich im Umgang mit Digitalem tun. Und wer nur den Hammer kennt, für den sieht alles wie ein Nagel aus.

Lustigerweise hatte ich mal von einem Journalisten exakt den gleichen Vorwurf gehört (“Wer nur den Hammer kennt, für den sieht alles wie ein Nagel aus”). Allerdings meinte der die IT und Informatiker, und wie sehr die sich unendlich schwer mit allem Nicht-Digitalem tun…


Hadmut
14.6.2013 17:44
Kommentarlink

@Steffen: Informatiker dürfen das aber, weil sie einen inhaltliche Scope haben.

Journalisten betreiben eine methodische Begrenzung, und die ist falsch.


Hanz Moser
14.6.2013 22:10
Kommentarlink

@ Christian
“Populäres Beispiel ist auch die “Map of the cat”-Anekdote von Feynman.”

Was hat die mit Betriebsblindheit zu tun? Wäre da nicht eher das Kapitel “String Beans” relevant, dass auch gleich noch die Lektion mitbringt, initiale Probleme und Rückschläge als Untauglichkeitsbeweis zu sehen?

Und ja, Journalisten lernen über alles zu schreiben – aber nicht mehr.