Ansichten eines Informatikers

Stadtarchiv Köln – Der Einsturz

Hadmut
5.3.2009 14:22

Ich wundere mich gerade über den Umgang mit Archiv-Daten.

Da ist in Köln das Stadtarchiv eingestürzt, kommt in allen Nachrichten. Unschätzbare Wert futsch. Versichert mit 400 Millionen, vermutlich noch viel mehr wert. Oder in Geld nicht auszudrücken, weil unersetzlich.

Ich kann mich momentan nur kopfschüttelnd wundern.

Im IT-Bereich ist das eigentlich selbstverständlich, daß man für Daten ein räumlich getrenntes Backup-Rechenzentrum oder – bei kleineren Firmen – außer Haus gelagertes Backup-Archiv anlegt. Weil man immer davon ausgeht, daß ein Gebäude komplett verloren gehen kann. Da muß nur ein Flugzeug drauffallen, ein richtiges Feuer ausbrechen, ein Erdbeben oder dergleichen. Selbst bei Firmen, die viel weniger als die 400 Millionen Euro wert sind, ist es eine Selbstverständlichkeit, Datenbackups anzulegen. Und zwar auch dann, wenn durch einen Komplettverlust der Firma kein gesellschaftlicher Schaden entstünde. Den Geschäftsführer würde man zur Rechenschaft ziehen, wenn er das unterläßt. Anforderungen wie Grundschutz, SOX usw. fordern das sowieso.

Geht es aber um solche unersetzlichen Werte, dann passiert da offenbar gar nichts. Und das Schlimme ist, daß das ja nicht zum ersten Mal passiert. Aus dem Brand der Anna-Amalia-Bibliothek hätte man ja etwas lernen können. Hat man aber wohl nicht. Was die Frage aufwirft, was für Leute da eigentlich das Sagen haben und auf den Chefposten sitzen. Wieder mal irgendwelche Partei-orientierten Pöstchen?

Jetzt kommen langsam in den Medien Berichte hoch, daß die einen fordern, daß man alles digitalisiert und zugänglich macht. Die anderen meinen, das bringt nichts, weil man das Original braucht, um das Material und die Schrift usw. zu untersuchen. Die Auffassung halte ich für dämlich. Natürlich kann eine Digitalisierte Aufnahme das Original nicht ersetzen. Aber wenn die Sachen jetzt futsch sind, dann wäre eine digitale Kopie sicherlich sehr nützlich. Und würde – öffentlich zugänglich gemacht – auch vielen Leuten das (Fern-)Studium der Bestände erlauben.

Ich kann mich erinnern, daß wir vom E.I.S.S. damals, so um 1997/98 auf mehreren Veranstaltungen der Archivare waren, wo es zunächst um Archiv-Sicherheit ging. Schon da kamen mir die Archivare aber als technologisch rückständige Puzzle-Ordner vor. Der Eindruck ist sicherlich unvermeidbar, weil Archivare nun einmal auf langfristige Technologien setzen müssen und nicht immer der neuesten Technologie hinterherrennen können. Mikrofilme haben sicherlich gewisse Vorteile gegenüber Digitaldaten. Umgekehrt aber auch. Und hätte man jetzt digitale Kopien, wäre man sicherlich entspannter und der Schaden geringer.

Ich würde gerne wissen, wer da eigentlich dafür verantwortlich ist, daß die archivierten Stücke nicht digitalisiert wurden. Einen Geschäftsführer einer IT-Firma würde man für so etwas feuern.

Wie gesagt, das Argument, daß man mit einem Gebäudeeinsturz nicht habe rechnen können, was man immer wieder liest, ist Geschwafel und nicht haltbar. Im IT-Bereich geht man (bei vergleichbarer Gebäudetechnologie) regelmäßig von einem Totalverlust eines Gebäudes als mögliches Szenario aus. Warum sind dann Archivare so überrascht davon? (Vor allem wenn es schon zum zweiten Mal passiert?) Kann das vielleicht sein, daß das Studium der Archivare nicht viel taugt?

3 Kommentare (RSS-Feed)

Stefan
6.3.2009 2:26
Kommentarlink

Nur Vermutungen: b) Geht jeder Archivar davon aus, daß es irgendwo zu einem Totalverlust kommen kann, und kommen muß. Nur nicht bei ihm selbst. 🙂

a) Wahrscheinlich ist die Datensicherung schlicht zu teuer. Bei angeblich 33 Archivkilometern und einem Schaden von 400 Mio. sind das etwa 10.000 € Schaden pro Archivmeter. Jetzt wäre interessant zu wissen, was die Digitalisierung eines Meters kostete, und wie hoch der Haushalt ist. 400 Mio. Schaden heißt ja nicht, daß man 400 Mio. bezahlt hat, um an das Material zu kommen.

Bestimmt ist der Anreiz auch größer an neues Material zu kommen, als altes zu sichern – letzteres ist sicher mehr das trocken Brot des Archivars. Aber keine dolle Veröffentlichung, keine Presseberichte, keine Lokalpolitiker, die sich im Lichte einer Neuerwerbung sonnen können. Nur ein Schulterklopfen im Fall der Katastrophe, die aber wahrscheinlich anderswo zuschlägt.

halb offtopic 1: In einer Nachrichtensendung war die Rede davon, ein Gutachter habe erst kürzlich eine Gefahr verneint. Betonung auf Gutachter. 🙂 Mußte gleich an Dich denken.

ganz offtopic 2: Und während Du in Peking weilst steckte hier ein Karlsruher IT-Prof sein Gesicht aus meinem Fernseher, und kommentierte das BVerfG-Urteil zu Wahlcomputern, hob vielsagend hervor, daß es keine Totalabsage sei, erwähnte aber keine Bingospielchen.
Vorgestern Frühstücksfernsehen, wenn ich recht erinnere; der Name mir aus Adele bekannt, aber schon wieder entfallen. War auch nicht spannend.


Julius
8.3.2009 12:32
Kommentarlink

Zitat:

Verfilmte Kölner Kulturgüter in Stollen gesichert

Ein Teil aus dem kürzlich eingestürzten Historischen Stadtarchiv Köln lagert in Form von Mikrofilmen im Untersuchungsstollen eines ehemaligen Silberbergwerkes bei Freiburg im Breisgau. Die Filme liegen im Zentralen Bergungsort der Bundesrepublik 200 Meter tief in 16 Metallfässern.

http://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=4583548/1x5kwro/index.html


nadar
9.3.2009 10:03
Kommentarlink

Bisher hörte ich nirgends von Datensicherung in Bezug auf das Kölner Unglück. Die vernichteten Werte können sich auf die verlorenen Originale beziehen.
Soeben kam auf Deutschlandfunk (wieder einmal) ein Beitrag über den von Julius erwähnten Bergungsort. Es wirde erwähnt, dass aus dem Kölner Archiv dort rund eine Million Dokumente auf Mikrofilm gelagert sind. Zum Nachhören tauchte bis jetzt nichts auf der DLF-Seite auf.

etwas OT: Kürzlich habe ich erfahren, dass Mikrofiches von Dokumenten des Staatsarchives Sachsen jeweils in Dresden, Leipzig und Freiberg gelagert werden. Leider sind auch hier nicht alle vorhandenen Archivbestände auf diese Weise gesichert.