Ansichten eines Informatikers

Die Witz-Promotion aus Bratislava

Hadmut
16.4.2014 22:50

Boah. Ich hab hier gerade so eine Witz-Dissertation auf dem Tisch liegen. Eine Dissertation eines deutschen Professors.

Promotion an der Comenius University in Bratislava, Faculty of Management.

Netto-Text 62 Seiten, anscheinend A5 (hab nur einen Scan), dabei noch viel Platz geschunden mit großen Randabstand, großem Zeilenabstand, raumgreifenden Aufzählungen (itemize).

Englisch, aber kein gutes, nur Trivial-Geplauder ohne jegliche Wissenschaftlichkeit. Nur so Fasel-Formulierungen wie „seem to”, „should”, „can be seen as”, nur so Meinungsblubberei irgendwo im Ungefähren. Und vor allem inhaltsleeres, nutzloses Gefasel. Seicht, dass es einem graust.

Und damit ist hier einer in Deutschland Professor und Unternehmensberater geworden.

Frage an die Leser: Weiß jemand, ob Bratislava da schon öfters aufgefallen ist? Gab’s da schon mal was?

28 Kommentare (RSS-Feed)

Ronald F.
16.4.2014 23:01
Kommentarlink

Titel?


Hadmut
16.4.2014 23:06
Kommentarlink

@Ronald F.: Ich muss mich erst irgendwann näher damit befassen und substanziiert draufkloppen, bevor ich konkret sage, um wen es geht.


ST_T
17.4.2014 1:39
Kommentarlink

Bratislava scheint dafür bekannt zu sein, Titel zu verschenken.
Davon haben auch deutsche Bundestagsabgeordnete profitiert und eine Firma, die offensichtlich diese Doktortitel europaweit verkauft hat.

Quelle: http://www.sueddeutsche.de/karriere/promotion-dr-bratislava-befriedigt-die-eitelkeit-1.393149


chmt
17.4.2014 1:57
Kommentarlink

Bratislava war mal bekannt dafür das man relativ einfach an ein kleines Doktorat (PhDr) kommen konnte, der eher einem Master Abschluss entspricht. Den nimmt da niemand wissenschaftlich Ernst, sondern ist ein Relikt aus der Vergangenheit (so wie Diplom/Magister etc. bei uns)
Dazu würde auch Umfang und fehlender wissenschaftlicher Inhalt passen. Sowas geht bei uns (leider) locker auch als Masterarbeit durch.

In den Jahren nach dem Beitritt herum (2004+), war die rechtlage nach etwas unklar und einige konnten sich den PhDr, sogar als Dr. in den Pass schreiben lassen. Das war sehr Länder/Sachbearbeiter abhängig. Inzwischen scheint sich aber entgültig die Rechtsauffassung durchgestetzt zu haben (auch in Bayern), dass es sich nicht um einen wissenschaftlichen Abschluss handelt. Bekanntestes Beispiel für einen solchen Abschluss ist CSU Politiker PhDr. Scheuer.


Jens
17.4.2014 7:56
Kommentarlink

“Das war sehr Länder/Sachbearbeiter abhängig.”

Wenn man den in Bayern und Berlin führen kann, reicht das ja für einen Bundestagsabgeordneten aus Bayern.


Knorka Kinte
17.4.2014 10:37
Kommentarlink

“Netto-Text 62 Seiten, anscheinend A5 (hab nur einen Scan), dabei noch viel Platz geschunden mit großen Randabstand, großem Zeilenabstand, raumgreifenden Aufzählungen (itemize)”

Na immerhin Latex 😀


Hadmut
17.4.2014 17:17
Kommentarlink

> Na immerhin Latex

Nee, das sieht gar nicht nach Latex aus.


Francis Schmit
17.4.2014 11:46
Kommentarlink

In den späten 50er Jahren kursierte der Witz : “Graz Hauptbanhhof, Graz Hauptbanhof, 20 Minuten Aufenthalt zum Ablegen der Doktorarbeit…” Ein Witz, Graz ist eine anerkannte Alma Mater, zB. in der Linguistik.


NurSo
17.4.2014 14:19
Kommentarlink

@chmt: Danke, schöner Hinweis!

… Da dieser Grad nicht mit dem deutschen Doktorgrad äquivalent ist, darf ihn Scheuer in Deutschland (außer auf dem Gebiet der Bundesländer Bayern und Berlin) sowie im Internet nicht als Dr. führen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_Scheuer

Auch verrückt – oder? In Bayern und Berlin also schon. Wieso eigentlich im Internet nicht – könnte man da nicht eine Ausnahme für die Surfer in Bayern und Berlin machen?


NurSo
17.4.2014 14:42
Kommentarlink

@Hadmut:

Weiß jemand, ob Bratislava da schon öfters aufgefallen ist? Gab’s da schon mal was?

Ok – Bratislava ist nicht Prag, – aber werfen wir es mal in einen Topf. Wenn man den Einzelnachweisen im wiki-Artikel oben folgst, findet sich da sicher noch einiges – in der Kürze bei der FAZ gesehen:

… Ku?era ergänzte gegenüber dieser Zeitung, Scheuer habe keine Lehrveranstaltungen in Prag besucht; Kenntnisse des Tschechischen seien nicht verlangt worden. Der CSU-Politiker sei auch nicht der einzige Ausländer gewesen, der auf diese Weise ein Doktorat in Prag erworben habe; das sei zu dieser Zeit (2004) „ganz normal“ gewesen. …

http://www.faz.net/aktuell/politik/csu-generalsekretaer-andreas-scheuer-die-grosse-geschichte-vom-kleinen-doktor-12755293.html


TOPCTEH
17.4.2014 19:33
Kommentarlink

TeX muss auch nicht unbedingt nach TeX aussehen, siehe:

http://www.howtotex.com/templates/article-in-ms-word-style/

Das wäre mal auszuprobieren.


Joe
17.4.2014 21:37
Kommentarlink

\blockquote{http://www.howtotex.com/templates/article-in-ms-word-style/}

Kann das Ding auch das üble Word-Kerning und dessen miesen Blocksatz emulieren? 😉


Gender=Gehirnamputierung
17.4.2014 21:53
Kommentarlink

Warum Frauen Technik scheitern:
http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/geschlechterforschung-warum-frauen-am-dvd-spieler-scheitern-12890297.html

“irrender ist, dass Studieninteressierte über die Entstehung dieses Informationsportals in der „Herstory“ nachlesen können. Nein, das ist kein Tippfehler, sondern offenbar die weibliche Form von „History“. Schließlich versteckt sich in dem englischen Wort für „Geschichte“ das männliche Possessivpronomen „his“. Das hat zwar nichts mit der Wortabstammung aus dem altgriechischem „historia“ zu tun, aber hier geht es um anderes: um geschlechterkorrekte Sprache, weitläufig als „Gendern“ bekannt”

AAAAAAAARGH!


Manfred Pimmelmann
17.4.2014 22:16
Kommentarlink

Als ob so ein Schwafelkopf schlau genug dazu wäre, TeX zu benutzen…


quarc
18.4.2014 1:05
Kommentarlink

@Hadmut: als erstes solltest Du schauen, welcher Grad denn da wirklich verliehen wurde. Wie bereits mehrfach erwähnt, sind die “Dr” nicht die dem Ph.D. (oder dem Dr.) äquivalenten Doktorgrade. Die Dinger werden zuweilen nach dem Magister noch schnell drangehängt, es ist im wesentlichen eine weitere
Prüfung, soweit ich die Detail hier richtig verstanden habe:

http://www.fm.uniba.sk/index.php?id=2330

Hier ist nochmal die relevante Information in Englisch:

http://www.fm.uniba.sk/index.php?id=1961

Es genügt also, lediglich eine Masterarbeit einzureichen, oder sich einen zuvor erworbenen Master anerkennen zu lassen; dann kann man durch eine weitere Prüfung den “PhDr.” bekommen. Falls er das so gemacht hat und sich damit hier als “Dr.” ausgegeben hat, wollte er wohl die Provinzialität hiesiger Behörden ausnutzen.
Falls das auf dem Scan nicht mehr richtig zu erkennen ist, kannst Du den Namen auch in der Absolventendatenbank eingeben:

https://absolventi.uniba.sk/

Ich habe auf Anhieb schon mehrere Müllers gefunden (ich weiß den Namen nicht, habe einfach einen häufig vorkommenden deutschen Namen probiert).

Welche Rückschlüsse das auf die Komenius Universität zulässt, ist nicht so klar. An diesen traditionellen Universitäten sind die Fakultäten viel eigenständiger als an deutschen Universitäten (ganz zu schweigen von diesen Provinz TUs die alle ihre Fachbereiche in Fakultäten umbenennen und sich dann vornehm vorkommen). Dementsprechend schwankt die Qualität erheblich.

Aus http://www.uniba.sk/index.php?id=117 kann man ersehen, dass ab 1990 nur noch >/dev/null Fakultäten (Theologie, Management, Sozial- und Wirtschaftslehre) hinzugekommen sind. Es kann durchaus sein, dass diese Managementfakultät einfach nur als Cashcow eingeführt wurde, in der man auch mit den geistigen Fähigkeiten eines Salatblattes einen Abschluss schafft.


quarc
18.4.2014 1:08
Kommentarlink

Lost in html:

| Wie bereits mehrfach erwähnt, sind die “Dr” nicht
| die dem Ph.D. (oder dem Dr.) äquivalenten Doktorgrade.

soll sein

Wie bereits mehrfach erwähnt, sind die <FAKULTÄTSNAME>Dr” nicht
| die dem Ph.D. (oder dem Dr.) äquivalenten Doktorgrade.


Herrmann
18.4.2014 7:58
Kommentarlink

Leicht off-topic:

https://www.tu-braunschweig.de/gtm/mitarbeiter/bath
Frau Dr.-Ing. Corinna Bath hat endlich eine schöne Professur in Braunschweig bekommen. Kann man eine TU denn nicht zur Baumschule downgraden?


Peter Graf
18.4.2014 9:03
Kommentarlink

Hallo,

Bitte mal die Dissertation von John Nash lesen.
Die hat brutto 32 Seiten. Im Literaturteil sind 2 Einträge vorhanden. Eine Literaturquelle ist von ihm selbst. Das Layout ist furchtbar.

John Nash hat dafürt den Nobelpreis erhalten.

Gruss.

http://www.princeton.edu/mudd/news/faq/topics/Non-Cooperative_Games_Nash.pdf

http://de.wikipedia.org/wiki/John_Forbes_Nash_Jr.


Hadmut
18.4.2014 9:06
Kommentarlink

> Bitte mal die Dissertation von John Nash lesen.

Da stand aber auch was drin. In der Dissertation, die mir da vorliegt, steht nur dünnes nebulöses Geschwafel drin.


Peter Graf
18.4.2014 9:22
Kommentarlink

Hallo,

Bitte mal den Aufsatz von George A. Akerlof lesen.

The Market for ‘Lemons’: Quality Uncertainty and the Market Mechanism.
In: The Quarterly Journal of Economics. Band 84, Nr. 3, August 1970, S. 488–500.

Hat nur 12 Seiten. Der Artikel wurde 1968 fertiggestellt.
Von mehreren Zeitschriften wurde der Artikel wegen Trivialität (nebulöses Geschwafel?) abgelehnt.
1970 wurde er dann veröffentlicht.

George A. Akerlof hat dafür den Nobelpreis erhalten.

Gruss.


Hadmut
18.4.2014 9:45
Kommentarlink

@Peter Graf: Und Du willst hier vortragen, dass deshalb jeder, der eine kurze Diss schreibt, dafür den Nobel Preis verdient hat?


Peter Graf
18.4.2014 10:10
Kommentarlink

@Hadmut: Nein natürlich nicht. Nur darauf hinweisen, dass die Anzahl der Seiten (z.B. Netto-Text 62 Seiten) nicht wirklich relevant ist. Mehr nicht.


Hadmut
18.4.2014 10:21
Kommentarlink

@Peter Graf: Du meinst, mit zwei Dissertationen, allen Ernstes zwei Beispielen, willst Du belegen, dass die Anzahl der Seiten „nicht wirklich relevant” sei?


Manfred Pimmelmann
18.4.2014 15:11
Kommentarlink

@Peter Graf

Wieso furchtbares Layout? Das war bis in 1980er hinein ganz normales Layout für viele Mathebücher. Brieskorn, Lineare Algebra oder die 2. Auflage vom Jackson, Klassische Elektrodynamik, sehen ganz genauso aus.

LaTex hat sich erst in den 1990ern auf breiter Front durchgesetzt und ist heute natürlich der Standard.


Ulrich
19.4.2014 8:38
Kommentarlink

Wie lautet denn der Titel der Arbeit?


Hadmut
19.4.2014 9:55
Kommentarlink

> Wie lautet denn der Titel der Arbeit?

Geb ich erst bekannt, wenn ich sie soweit gelesen und geprüft habe, dass ich voll draufhauen kann.


Willi
22.4.2014 7:13
Kommentarlink

> Weiß jemand, ob Bratislava da schon öfters aufgefallen ist?

Na zu mindestens schafft es dort auch ein aktiver Fußballprofi (2.BL), seine Diss zu schreiben:

http://de.wikipedia.org/wiki/Volker_Oppitz_%28Fu%C3%9Fballspieler%29
http://www.sz-online.de/sachsen/regionalsport/dynamo-setzt-auf-doktor-oppitz-2328387.html


Paul
23.4.2014 18:46
Kommentarlink

Sind die Bratislava Dissertationen einsehbar? Ist die erwähnte Arbeit ein Plagiat?