Hadmut Danisch
Prüfungsrecht

Einleitung

Herzlich Willkommen in meiner kleinen Sammlung zum Prüfungsrecht. Die Sammlung soll kein Lehrbuch, kein juristisches Werk und schon gar nicht vollständig sein, sie ist auch nichts davon. Wer so etwas sucht, findet im Literaturverzeichnis gute Bücher von "richtigen Juristen".

Die Sammlung soll vielmehr ein "erster Hinweis" darauf sein, daß es so etwas wie Prüfungsrecht überhaupt gibt und worum es dabei geht. Wie ich nämlich in den letzten Jahren beobachtet habe, gibt es viele Studenten, Doktoranden und sogar Professoren, die nicht wissen, daß es Prüfungsrecht gibt, und ungläubig staunen, wenn man ihnen erzählt, daß es sogar Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Prüfungsrecht gibt. Das Merkwürdige am Prüfungsrecht ist, daß es fast nur aus Grundgesetz und Gerichtsentscheidungen besteht, Gesetze gibt es dazu praktisch nicht. Das ist eigenartig, denn die Gerichte haben dem Gesetzgeber schon vor Jahren aufgegeben, Prüfungsrecht gesetzlich zu verankern. Während politische Änderungen in Universitätsgesetzen u.ä. immer sehr schnell umgesetzt werden, interessieren sich Bund und Länder kaum dafür, wozu sie von den Gerichten verpflichtet wurden. Deshalb ist es immer noch so, daß das Prüfungsrecht fast nur aus einem großen Haufen von Gerichtsurteilen besteht.

Der Grund dafür, daß ich diese "staubtrockene" Sammlung erstellt habe, war die schiere Notwendigkeit, sich da durchzuarbeiten. In meinem eigenen Promotionsverfahren gab es eine schier endlose Folge von Fehlern, Willkürlichkeiten und Rechtsverstößen. Für die Klage vor dem Verwaltungsgericht mußte ich mir selbst die Rechtsgrundlagen, die für meinen Fall relevant sind, zusammensuchen. Die vorliegenden Webseiten sind eigentlich nur ein kleiner Auszug aus der Klage- und Widerspruchsbegründung. Sie ist aber nicht statisch, sondern ich werde sie stetig erweitern.

Ein anderes Problem ist, daß sich Prüfungsrecht noch nicht herumgesprochen hat. An unseren Universitäten sind Nachahmung, Tradition und Konsens viel wichtiger, als sich zu informieren (das nennt sich dann "Wissenschaft"). Haben es andere Doktoranden so gemacht, dann macht man es auch selbst so und verlangt es später als Professor von den eigenen Doktoranden ebenfalls so. Deshalb ist es praktisch nicht bekannt, daß das Prüfungsrecht 1991 nahezu neu erfunden wurde - vom Bundesverfassungsgericht, das das Prüfungsrecht aus den Artikeln 12 Abs. 1 (Berufsfreiheit) und 19 Abs. 4 (Rechtswegsgarantie) "extrapolierte". Es ist drollig, aber erst seit diesem Urteil gibt es ein schriftliches und verbindliches Verbot, eine richtige Antwort des Prüflings als falsch zu werten. Viele Professoren haben dies aber ehemals selbst anders verfahren und bleiben auch dabei. Unter den Talaren herrscht der Muff von 1034 Jahren. Auf Studentenseite sieht es aber auch nicht besser aus. Ich kenne Fachschaften und Mittelbauvertretungen, die stapelweise Prüfungsprotokolle produzieren, sammeln, tradieren, verleihen, an denen sich im Herdentrieb ganze Generationen von Akademikern orientieren und dann eigene Protokolle zu diesem Stapel beitragen. Da werden manchmal über Jahre hinweg Prüfungsfehler protokolliert. Auf die Idee, sich einmal zu informieren, was denn richtig wäre, kommt aber niemand. Wieviele Fachschaften sammeln Musterklausuren und Prüfungsprotokolle? Meines Wissens alle. Wieviele Fachschaften haben ein Buch über Prüfungsrecht? Ich kenne keine.

Beim Umgang mit Prüfungsrecht ist aber Vorsicht geboten:

  • Es gilt nur für berufsbezogene Prüfungen, weil es auf der Berufsfreiheit beruht. Wer zum Spaß die Prüfung zum Jodeldiplom ablegen will, kann sich nicht darauf berufen.

  • Es gilt nur für Prüfungen durch die öffentliche Gewalt, weil nur sie Adressat des Grundgesetzes ist.

  • Es gilt formal nur für Deutsche in vollem Umfang, weil eine Grundlage, der Art. 12 Abs. 1 GG, die Berufsfreiheit nur Deutschen zusichert. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß irgendeine deutsche Universität ernsthaft die Meinung vertreten will, daß ausländische Studenten in Prüfungen anders zu behandeln wären als deutsche.

  • Der Prüfling hat nicht nur Rechte, er hat auch Pflichten. Und die sind nicht zu vernachlässigen, denn mit der Einhaltung der Pflichten steht und fällt die Wahrnehmung der Rechte. Als wichtigste Pflichten würde ich ansehen, sich selbst rechtzeitig zu informieren, besonders die Prüfungsordnung ganz genau (!) zu lesen (macht eigentlich niemand), und sich eisern daran zu halten. Wenn irgendetwas nicht korrekt abläuft, dann darf man nicht warten, ob die Note vielleicht trotzdem was wird und die Beschwerde "in Reserve" halten. Man muß sich sofort (und später beweisbar) melden und den Prüfern bzw. der Prüfungsbehörde die Gelegenheit geben, den Mangel abzustellen.

  • Prüfungsrecht ist nicht einfach und für Nichtjuristen nur sehr schwer zu erfassen. Vieles ist mißverständlich oder in schwer verständlichem und sehr kontextabhängigem "Juristendeutsch" verfaßt. Man kann es nicht so eben mal selbst anwenden.

  • Man kann deshalb auf einen Anwalt eigentlich nicht verzichten, ein Anwalt ist aber bei Licht betrachtet auch keine wirkliche Hilfe, denn Anwälte können i. d. R. nicht mit der nötigen Geschwindigkeit arbeiten, Anwälte kosten (viel) Geld und welcher Anwalt kennt sich schon mit Prüfungsrecht aus?

  • Prüfungsrecht ist überhaupt ein Problem, man gewinnt nämlich nicht. Man hat nur die Wahl zwischen Pest und Cholera, denn man ist den Prüfern und der Universität im Endeffekt nahezuwehrlos ausgeliefert.

    Viele Prüfungen laufen fehlerhaft ab. Besonders bei mündlichen Prüfungen sind nach meinen Beobachtungen Bewertungsfehler, Willkür, Befangenheit nicht Ausnahme, sondern eher die Regel. Was aber will man dagegen unternehmen? Wehrt man sich nicht, bekommt man wegen des Verfahrensfehlers eine schlechte Note. Wehrt man sich aber, dann macht man sich Feinde und bekommt sehr viele schlechte Noten. Wenn man sich also schon mit Prüfern anlegt, dann muß man zumindest so sattelfest sein, daß man wenigstens den Waffengang überlebt.

Nichtsdestotrotz: Viel Spaß und Erfolg.

Hadmut Danisch