Hadmut Danisch
Prüfungsrecht

Akteneinsicht

Recht auf Akteneinsicht

Akteneinsicht ist wichtig! Niemals vernachlässigen!
  • [Der Prüfling] kann auf vermeintliche Irrtümer oder Rechtsfehler nur dann wirkungsvoll hinweisen und damit ein Überdenken anstehender oder bereits getroffener Entscheidungen erreichen, wenn er die die Bewertung tragenden Gründe der Prüfer in den Grundzügen nachvollziehen kann. Das ist allein aufgrund der Note nicht möglich, sondern erst dann, wenn er z. B. die Kriterien kennt, die für die Benotung seiner Prüfungsleistung maßgeblich waren, und er ferner weiß, wie die Anwendung dieser Kriterien in wesentlichen Punkten zu dem Bewertungsergebnis geführt hat. Dieses ist grundsätzlich erst aufgrund der Bewertungsbegründung oder etwaiger Korrekturanmerkungen, die Bestandteile der Begründung sind, zu realisieren.
  • Zur Ermöglichung effektiven Rechtsschutzes ist dem Bewerber Einsicht in seine Prüfungsakten, insbesondere in die Gutachten und Prüferstellungnahmen sowie in etwaige Gegengutachten, zu gewähren.
  • Damit das Verfahren des "Überdenkens" der Prüfungsentscheidung seinen Zweck, das Grundrecht der Berufsfreiheit des Prüflings effektiv zu schützen, konkret erfüllen kann, muß gewährleistet sein, daß die Prüfer jedenfalls ihre Bewertungen von schriftlichen Prüfungsleistungen hinreichen begründen (vgl. BVerwG, 6 C 3/92 ), daß der Prüfling seine Prüfungsakten mit den Protokollen der mündlichen Prüfung und den Korrekturbemerkungen zu den schriftlichen Arbeiten einsehen kann, daß die daraufhin vom Prüfling erhobenen substantiierten Einwände den beteiligten Prüfern zugeleitet werden, daß die Prüfer sich mit den Einwänden des Prüflings auseinandersetzen und, soweit diese berechtigt sind, ihre Bewertungen der betroffenen Prüfungsleistung korrigieren sowie alsdann auf dieser - möglicherweise veränderten - Grundlage erneut über das Ergebnis der Prüfung entscheiden.
  • Der Anspruch auf Akteneinsicht gilt nicht nur für das Prüfungsrecht, sondern ganz allgemein im Verwaltungsrecht und entspringt aus der Rechtswegsgarantie (Art. 19 IV GG), denn man kann den Rechtsweg nur dann effektiv beschreiten, wenn man den Aktenstand kennt:

    § 29 VwVfG: Akteneinsicht durch Beteiligte
    1. Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluß des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung. Soweit nach den §§ 17 und 18 eine Vertretung stattfindet, haben nur die Vertreter Anspruch auf Akteneinsicht.
    2. Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit durch sie die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt, das BekanntwerdendesInhalts der Akten dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder soweit die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen, geheimgehalten werden müssen.
    3. Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

    Wichtig: Für Universitäten gilt nicht das VwVfG, sondern es gelten die jeweiligen Landesgesetze, die aber m. W. gleichgelagert normieren. Man muß sich also zuerst das jeweilige Landesgesetz heraussuchen, wenn man sich darauf berufen will, z. B. § 29 LVwVfG Baden-Württemberg.

    Hinzu kommt, daß es für die Behörde i. d. R. überhaupt keinen Grund gibt, dem Prüfling die Akteneinsicht zu verweigern, denn die Prüfer und die Prüfungsbehörde müssen der Prüfung neutral gegenüberstehen und dürfen kein Rechtsinteresse daran haben. Also können sie auch keinen Rechtsgrund für die Verweigerung der Akteneinsicht haben. Dann aber die Akteneinsicht rechtsgrundlos zu verweigern, verstößt gegen das verfassungsmäßige Willkürverbot und den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz.

An dieser Stelle eine Warnung: Da ist eine Stellungnahme eines Rechtsprofessors im Umlauf, die als Gutachten ausgegeben wird und in der behauptet wird, daß der Doktorand kein Recht habe, die Dissertationsexemplare mit den Prüferbemerkungen einzusehen. Dieses "Gutachten" ist falsch, es ist ein offenkundiges Gefälligkeitsgutachten. Es wird darin gezielt an der eigentlichen Frage vorbeiargumentiert und zivilrechtlich darauf abgesehen, wer Eigentümer des Dissertationsexemplars und wer Auftraggeber des Gutachtens ist. Das ist völliger Humbug, weil es sich hier nicht um Privatgutachten, sondern um Prüfungsbewertungen handelt. Da geht es nicht um einen zivilrechtlichen Auftrag, sondern um Verwaltungsrecht. Außerdem hat das BVerfG längst über den Anspruch auf Akteneinsicht entschieden. Es spricht aber Bände, daß sogar ein Rechtsprofessor solchen Blödsinn verbreitet um die Willkürstellung des Prüfers zu stärken.

Anfertigung von Fotokopien

  • Zum Recht der Anfertigung von Kopien bei der Akteneinsicht allgemein (nicht speziell für Prüfungen, sondern allgemein:

    Das Verwaltungsrecht argumentiert in Fällen wie diesen so: Man kann sich von einem Anwalt vertreten lassen. Der Anwalt hat das Recht, Verwaltungsakten in seine Kanzlei zu holen, wo er sie natürlich beliebig kopieren kann. Der Rechtssuchende, der anwaltlich vertreten ist, kriegt also Kopien. Da aber im Vorverfahren keine Anwaltspflicht herrscht, darf der anwaltlich nicht vertretene Rechtssuchende, der die Akten nicht ausleihen darf, nicht benachteiligt werden. Außerdem muß die Behörde die Akten spätestens in einem Verwaltungsstreitverfahren sowieso dem Gericht vorlegen, wo sie die Gegenpartei dann kopieren kann - sofern sich die Behörde nicht auf deren Geheimhaltungspflicht berufen kann:

    § 99 Abs. 1 VwGO:
    Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden oder Akten und dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheimgehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten und die Erteilung der Auskunft verweigern.

    In BayVGH, Nr. 235 III 77 wurde festgestellt, daß Prüfungsakten nicht im Sinne des § 99 Abs. 1 VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind.

  • Hierzu auch (ebenfalls allgemein und nicht nur für Prüfungsrecht):

    Die Behörde ist nicht verpflichtet, Abschriften und Ablichtungen aus den Akten selbst zu fertigen. Insbesondere besteht kein Anspruch des Beteiligten, ihm die Akten in Kopie zu übersenden, um ihm die Einsicht in die Originalakten zu ersparen. Die Behörde hat über die Anfertigung von Ablichtungen jedoch nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Befinden sich Fotokopiergeräte in der Behörde, ist es in der Regel ermessensfehlerhaft, dem Beteiligten die Anfertigung von Ablichtungen gegen Kostenerstattung zu versagen. Denn wegen der häufig langen Dauer der Verfahren ist es für ihn erforderlich, die in den Akten enthaltenen Informationen nicht nur zu lesen sondern auch zu speichern. Andernfalls würde dem Beteiligten die Verfolgung seiner Rechte ohne triftigen Grund erschwert.

    Quelle: Obermayer, Kommentar zum VwVfG,3. Auflage, § 29, Rn. 53

Und was heißt das jetzt?

Das bedeutet folgendes: Man hat formal keinen Rechtsanspruch darauf, daß einem die Behörde Fotokopien erstellt. Das stammt noch aus der Zeit, als Kopiergeräte eine Rarität waren. Hätte man nämlich einen allgemeinen Anspruch, dann müßte die Behörde ein Kopiergerät beschaffen, wenn sie keines hat. Daher fällt es zunächst in das Ermessen der Behörde, ob der Aufwand zur Anfertigung einer Kopie vertretbar ist.

Hat die Behörde jedoch ein Kopiergerät, dann handelt sie rechtsfehlerhaft, wenn sie verweigert, damit vor Ort Kopien anzufertigen. In unserem Zeitalter und insbesondere in Universitäten stehen genügend viele Geräte herum, damit darf die Behörde (oder Universität) Kopien nicht mehr verweigern. Aber: Sie darf die Kosten berechnen.

Tipps zur Akteneinsicht

Tipp 1:
Paragraphen kennen. Wenn einem jemand die Akteneinsicht verweigern will, kurz und trocken auf die Vorschrift verweisen und darauf hinweisen, daß das rechtswidrig ist und das Gesetz verletzt.
Tipp 2:
Bevor man die Behörde aufsucht oder wenn man in das Dienstzimmer bzw. Vorzimmer kommt, vorher umsehen, wo Kopiergeräte stehen. Notfalls irgendwelche Leute, die auf dem Gang herumlaufen, direkt ansprechen und einfach fragen, wo ein Kopierer steht. Be prepared! Wenn einem jemand Kopien verweigern will, direkt darauf hinweisen, daß da ein Gerät steht und daß es "ermessensfehlerhaft" und "unverhältnismäßig" ist, Kopien zu verweigern. Direkt danach fragen, welchem Rechtszweck die Verweigerung dienen soll. Wird weiter verweigert, gleich zum Vorgesetzten bzw. zur Rechtsabteilung und beschweren.
Tipp 3:
Die Behörde kann die Kosten berechnen und direkte Bezahlung verlangen. Man redet sich darauf hinaus, daß man nicht herausgeben könne o. ä.
Deshalb: Genügend viel Geld und insbesondere Kleingeld dabei haben.
Tipp 4:
Oft versucht die Behörde das Kopieren durch exorbitante Kosten zu versauern. Gerade bei Stadtverwaltungen u. ä. wird man dann auf die Gebührensatzung verwiesen, die dann z. B. 1 € pro Seite verlangt. Is nich: Wer seinen Anspruch auf Akteneinsicht wahrnimmt, muß keine Gebühren zahlen, sondern nur Kosten ersetzen, und die können nicht per Satzung festgelegt werden, sondern müssen real entstehen. Allgemein liegen die Kosten einer Fotokopie aber so in der Größenordnung von 5 Cent.
Tipp 5:
Selber kopieren und vorher nach den Kosten fragen. Oft ist es nämlich so, daß die Behörde einen nicht an die Akten lassen will, sondern der Sachbearbeiter, die Sekretärin o. ä. kopiert und man dafür dann wieder "Kosten" mit Arbeitszeit erhebt, die dann schnell wieder bei 1 € pro Seite liegen können. Das vorher abklären. Wenn man also für das "Kopieren lassen" viel zahlen soll, dann darauf bestehen, selbst zu kopieren und in der Größenordnung von 5 Cent pro Seite zahlen. (z. B. bei vielen Gerichten so)
Tipp 6:
Akten lesen und selber kopieren bringt den Vorteil, daß man fast immer interessante Sachen findet, von denen man noch nichts wußte. Gleich mitkopieren.
Tipp 7:
Wenn Barzahlung verlangt wird und es mehr als ein Kleingeldbetrag ist, Quittung geben lassen. Kommt man mit dem Widerspruch durch, kann man das Geld zurückfordern.
Tipp 8:
Wenn man sehr viel kopiert und die Behörde eine Rechnung schickt: Erst einmal darauf verweisen, daß man die rechtskräftige Entscheidung und damit die Kostenentscheidung abwarten will.
Tipp 9:

Nicht abwimmeln oder auf einen anderen Termin vertrösten lassen. Das bedeutet i. d. R., daß man die Akte erst "säubern" will, die wirlich interessanten Sachen sind dann nicht mehr drin.

Normalerweise kriegen Seiten in Verwaltungsakten handschriflich fortlaufende Nummern (meistens rechts oben oder unten). Wenn nicht, dann fragen, warum das nicht gemacht wurde. Wenn ja, dann kontrollieren, ob was fehlt.

Falls es wirklich bis zum Verwaltungsgerichtsstreit kommt, auch in die Gerichtsakte gucken. Es ist immer interessant, wenn da was vorgelegt wurde, was einem in der Akteneinsicht bei der Behörde nicht gezeigt wurde, oder andersherum, wenn etwas fehlt.

Tipp 10:
Eine Akteneinsicht reicht nicht. Regelmäßig - Besser: unregelmäßig - wiederholen und schauen, was dazugekommen ist.