Hadmut Danisch
Prüfungsrecht

Bewertungsfehler

Unrichtige Sachverhalte

  • Der Prüfer, der sich über die Prüfungsaufgabe irrt, diese etwa nicht zur Kenntnis nimmt, Aufgaben verwechselt oder von einer anderen als der tatsächlich gestellten Aufgabe ausgeht, legt seiner Beurteilung einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde. Ein solcher Fehler wird von der ihm eingeräumten Beurteilungsermächtigung nicht gedeckt; er gehört zu den gerichtlich voll überprüfbaren Sachverhaltsirrtümern.

Aufgabenstellung

  • Ein Irrtum des Prüfers über die Prüfungsaufgabe ist gerichtlich voll überprüfbar. Denn der Prüfer, der sich über die Prüfungsaufgabe irrt, diese etwa nicht zur Kenntnis nimmt, Aufgaben verwechselt oder von einer anderen als der tatsächlich gestellten Aufgabe ausgeht, legt seiner Beurteilung einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde. Ein solcher Fehler wird von der ihm eingeräumten Beurteilungsermächtigung nicht gedeckt.

Falsche Auffassung in Fachfragen

  • Die falsche Auffassung des Prüfers zu einer wissenschaftlichen Fachfrage gehört nicht zu den "falschen Tatsachen", sondern sie führt zu einem inhaltlichen Fehler beim Bewertungsvorgang, der notfalls mit sachverständiger Hilfe festzustellen ist. Auch Fehlinterpretationen des Prüfers, z. B. bezogen auf den Inhalt der Prüfungsaufgabe oder der Antworten des Prüflings, sind keine "falschen Tatsachen", sondern ebenfalls Fehler beim Bewertungsvorgang.

    Quelle: ?? (versehentlich verlorengegangen, ich suche es noch raus)

  • Es genügt nicht zu kontrollieren, ob sich die Fehlerhaftigkeit einer wissenschaftlichen Annahme des Prüfers dem Richter als gänzlich unhaltbar "aufdrängt". Eine willkürliche Fehleinschätzung ist vielmehr schon dann anzunehmen, wenn sie Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muß.

Unsachliche und intolerante Bewertung

  • Das Gebot der Sachlichkeit geht über das Verbot sachfremder Erwägungen jedoch hinaus. Auch ohne sachfremde Erwägungen kann eine Beurteilung unsachlich sein, etwa wenn sie von Emotionen bestimmt ist. Mit dem Verbot sachfremder Erwägungen wird lediglich ein besonders eklatanter Fall der Nichtbeachtung des Gebots der Sachlichkeit erfaßt.

    Eine Prüfung wird rechtsstaatlichen Anforderungen nur dann gerecht, wenn der Prüfer sich dem Gebot der Sachlichkeit unterwirft.[...]

    Hierzu gehört, daß der Prüfer die Prüfungsleistung mit innerer Distanz und frei von Emotionen zur Kenntnis nimmt. Auch kann man von ihm erwarten, daß er sich bemüht, die Darlegungen des Prüflings richtig zu verstehen und auf dessen Gedankengänge einzugehen, ferner daß er gegenüber abweichenden wissenschaftlichen Auffassungen Toleranz aufbringt.[...]

    Ebenso wie bei einem Sachverhaltsirrtum [...] ist eine Prüfungsentscheidung grundsätzlich rechtswidrig, wenn der Prüfer sachfremde Erwägungen angestellt hat, und zwar auch dann, wenn die Bewertung nicht insgesamt, sondern nur teilweise von sachfremden Erwägungen beeinflußt ist.

    Quelle: BVerwG, 7 C 57.83 (151-153)

Verbot der Pauschalbewertung

  • Für die Beurteilung der Prüfungsleistungen darf auch eine Musterlösung herangezogen werden, wenn sie als ein sachkundiger Lösungsvorschlag gilt, so daß andere, gleichermaßen vertretbare Lösungen damit nicht von vornherein abgewertet werden. Hat der Prüfer dies verkannt und z. B. ohne die erforderliche Aufbereitung des Prüfungsgegenstandes oder sonstwie ohne eine tragfähige Bewertungsgrundlage nur eine pauschale und oberflächliche Beurteilung abgegeben, so kann diese keinen Bestand haben. Vielmehr ist dann über das Prüfungsergebnis erneut zu befinden, nachdem die für eine zutreffende Bewertung erforderlichen Grundlagen geschaffen worden sind.

    Quelle: Niehues, Rn. 338 m. w. N.

  • (Aus einem Urteil über eine Bewertung:)

    Mit der pauschalen Kritik, die Arbeit der Kl. sei "im Aufbau wie im Inhalt völlig verfehlt" hat der Erstprüfer aber nicht zu erkennen gegeben, worin er konkret die Aufbau- und Inhaltsmängel der Arbeit gesehen hat. Sollte die Beanstandung allein darin bestehen, daß die Kl. sich nicht an den Aufbau der vom Prüfer erarbeiteten "Musterlösung" gehalten und daß sie die darin aufgeführten einzelnen Punkte nicht behandelt habe, so wäre dies eine unzulässige Einengung des Antwortspielraums der Kl. Damit würde die Bewertung den Besonderheiten der Themenklausur nicht gerecht. Deren Prüfungswert besteht gerade darin zu ermitteln, ob der Prüfling in der Lage ist, eigenständig einen sachangemessenen Aufbau für die ihm zur Lösung vorgelegten Probleme zu finden und sodann diese Probleme im Rahmen seines Aufbaus sachgerecht zu erörtern, zu gewichten und einer Lösung zuzuführen.

    Um festzustellen, ob der Prüfling diesen Anforderungen gerecht geworden ist, muß der Prüfer, wenn und soweit die Aufgabenstellung dem Prüfling Raum läßt für einen eigenständigen Aufbau, diesen nachvollziehen und dessen Wert beurteilen. Er muß die vom Prüfling angesprochenen Gesichtspunkte und Gedanken - unabhängig davon, ob sie in der "Musterlösung" enthalten sind - danach beurteilen, ob sie sich im Rahmen des vom Prüfling gewählten Aufbauschemas bewegen sowie ob sie sachlich richtig oder zumindest vertretbar und logisch begründet sind.

Folge Inhaltlicher Bewertungsfehler

  • Materielle Fehler beim Entscheidungsvorgang haben deshalb regelmäßig die Rechtswidrigkeit des Entscheidungsergebnisses zur Folge.

    Quelle: BVerwG, 7 C 57.83 (148)

  • Im Falle inhaltlicher Bewertungsfehler ... ist die Prüfungsentscheidung nur dann aufzuheben, wenn der Mangel erheblich ist. Im Blickfeld stehen hier Mängel in dem inneren Bereich des Bewertungsvorgangs, z. B. falsche fachspezifische Wertungen, willkürliche Fehleinschätzungen oder unsachliche Beweggründe, aber auch - im Vorfeld dazu - die unvollständige Kenntnisnahme der erbrachten Leistungen des Prüflings. Dazu gehört auch der "Sachverhaltsirrtum", etwa wenn die Prüfer das Fehlen bestimmter Ausführungen kritisieren, dabei jedoch übersehen, daß der Prüfling hierzu an anderer Stelle Ausführungen gemacht hat.

    Quelle: Niehues, Rn. 364

Beweislast der Behörde bei Unsachlichkeit und Bewertungsfehlern

  • Es verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip und das Gebot, wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten, wenn dem Prüfling die Beweislast dafür auferlegt wird, daß sich ein Bewertungsfehler des Prüfers auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt hat.

    Die Beweislast dafür, daß sich ein solcher Bewertungsfehler des Prüfers auf das Prüfungsergebnis nicht ausgewirkt hat, trägt die Prüfungsbehörde.

  • In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, daß sachfremde Erwägungen eine unterschwellige Wirkung entfalten, die dem Prüfer in der Regel nicht bewußt sein wird und ihn zu einer kaum rationalisierbaren und quantifizierbaren Zurückdrängung des Gebots der Sachlichkeit verleitet. Daher ist bei einem Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot eine Prüfungsentscheidung nur dann nicht aufzuheben, wenn nachgewiesen wird, daß sie auf diesem Bewertungsfehler nicht beruhen kann.

    Hailbronner, § 15, Rn. 59; VGH BW, DVBl. 1988, 1125 f.

  • Siehe auch Niehues, Rn. 187