Bewertungsfehler
Unrichtige Sachverhalte
- Der Prüfer, der sich über die Prüfungsaufgabe irrt,
diese etwa nicht zur Kenntnis nimmt, Aufgaben
verwechselt oder von einer anderen als der tatsächlich
gestellten Aufgabe ausgeht, legt seiner Beurteilung
einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde. Ein solcher
Fehler wird von der ihm eingeräumten
Beurteilungsermächtigung nicht gedeckt; er gehört zu
den gerichtlich voll überprüfbaren
Sachverhaltsirrtümern.
Quelle: BVerwG, 7 C 57.83
Aufgabenstellung
- Ein Irrtum des Prüfers über die Prüfungsaufgabe ist gerichtlich
voll überprüfbar. Denn der Prüfer, der sich über die
Prüfungsaufgabe irrt, diese etwa nicht zur Kenntnis nimmt,
Aufgaben verwechselt oder von einer anderen als der tatsächlich
gestellten Aufgabe ausgeht, legt seiner Beurteilung einen
unrichtigen Sachverhalt zugrunde. Ein solcher Fehler wird von
der ihm eingeräumten Beurteilungsermächtigung nicht gedeckt.
Quelle: BVerwG, 7 C 57.83
Falsche Auffassung in Fachfragen
- Die falsche Auffassung des Prüfers zu einer
wissenschaftlichen Fachfrage gehört nicht zu den
"falschen Tatsachen", sondern sie führt zu einem
inhaltlichen Fehler beim Bewertungsvorgang, der
notfalls mit sachverständiger Hilfe festzustellen
ist. Auch Fehlinterpretationen des Prüfers,
z. B. bezogen auf den Inhalt der Prüfungsaufgabe oder
der Antworten des Prüflings, sind keine "falschen
Tatsachen", sondern ebenfalls Fehler beim
Bewertungsvorgang.
Quelle: ?? (versehentlich verlorengegangen, ich suche es noch raus)
- Es genügt nicht zu kontrollieren, ob sich die Fehlerhaftigkeit
einer wissenschaftlichen Annahme des Prüfers dem Richter als
gänzlich unhaltbar "aufdrängt". Eine willkürliche
Fehleinschätzung ist vielmehr schon dann anzunehmen, wenn sie
Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muß.
Quelle: BVerfG, 1 BvR 419/81, 213/83
Unsachliche und intolerante Bewertung
Das Gebot der Sachlichkeit geht über das Verbot sachfremder Erwägungen jedoch hinaus. Auch ohne sachfremde Erwägungen kann eine Beurteilung unsachlich sein, etwa wenn sie von Emotionen bestimmt ist. Mit dem Verbot sachfremder Erwägungen wird lediglich ein besonders eklatanter Fall der Nichtbeachtung des Gebots der Sachlichkeit erfaßt.
Eine Prüfung wird rechtsstaatlichen Anforderungen nur dann gerecht, wenn der Prüfer sich dem Gebot der Sachlichkeit unterwirft.[...]
Hierzu gehört, daß der Prüfer die Prüfungsleistung mit innerer Distanz und frei von Emotionen zur Kenntnis nimmt. Auch kann man von ihm erwarten, daß er sich bemüht, die Darlegungen des Prüflings richtig zu verstehen und auf dessen Gedankengänge einzugehen, ferner daß er gegenüber abweichenden wissenschaftlichen Auffassungen Toleranz aufbringt.[...]
Ebenso wie bei einem Sachverhaltsirrtum [...] ist eine Prüfungsentscheidung grundsätzlich rechtswidrig, wenn der Prüfer sachfremde Erwägungen angestellt hat, und zwar auch dann, wenn die Bewertung nicht insgesamt, sondern nur teilweise von sachfremden Erwägungen beeinflußt ist.
Quelle: BVerwG, 7 C 57.83 (151-153)
Verbot der Pauschalbewertung
- Für die Beurteilung der Prüfungsleistungen darf auch
eine Musterlösung herangezogen werden, wenn sie als
ein sachkundiger Lösungsvorschlag gilt, so daß andere,
gleichermaßen vertretbare Lösungen damit nicht von
vornherein abgewertet werden. Hat der Prüfer dies
verkannt und z. B. ohne die erforderliche Aufbereitung
des Prüfungsgegenstandes oder sonstwie ohne eine
tragfähige Bewertungsgrundlage nur eine pauschale und
oberflächliche Beurteilung abgegeben, so kann diese
keinen Bestand haben. Vielmehr ist dann über das
Prüfungsergebnis erneut zu befinden, nachdem die für
eine zutreffende Bewertung erforderlichen Grundlagen
geschaffen worden sind.
Quelle: Niehues, Rn. 338 m. w. N.
(Aus einem Urteil über eine Bewertung:)
Mit der pauschalen Kritik, die Arbeit der Kl. sei "im Aufbau wie im Inhalt völlig verfehlt" hat der Erstprüfer aber nicht zu erkennen gegeben, worin er konkret die Aufbau- und Inhaltsmängel der Arbeit gesehen hat. Sollte die Beanstandung allein darin bestehen, daß die Kl. sich nicht an den Aufbau der vom Prüfer erarbeiteten "Musterlösung" gehalten und daß sie die darin aufgeführten einzelnen Punkte nicht behandelt habe, so wäre dies eine unzulässige Einengung des Antwortspielraums der Kl. Damit würde die Bewertung den Besonderheiten der Themenklausur nicht gerecht. Deren Prüfungswert besteht gerade darin zu ermitteln, ob der Prüfling in der Lage ist, eigenständig einen sachangemessenen Aufbau für die ihm zur Lösung vorgelegten Probleme zu finden und sodann diese Probleme im Rahmen seines Aufbaus sachgerecht zu erörtern, zu gewichten und einer Lösung zuzuführen.
Um festzustellen, ob der Prüfling diesen Anforderungen gerecht geworden ist, muß der Prüfer, wenn und soweit die Aufgabenstellung dem Prüfling Raum läßt für einen eigenständigen Aufbau, diesen nachvollziehen und dessen Wert beurteilen. Er muß die vom Prüfling angesprochenen Gesichtspunkte und Gedanken - unabhängig davon, ob sie in der "Musterlösung" enthalten sind - danach beurteilen, ob sie sich im Rahmen des vom Prüfling gewählten Aufbauschemas bewegen sowie ob sie sachlich richtig oder zumindest vertretbar und logisch begründet sind.
Quelle: BVerwG, 6 C 5/93
Folge Inhaltlicher Bewertungsfehler
- Materielle Fehler beim Entscheidungsvorgang haben deshalb
regelmäßig die Rechtswidrigkeit des Entscheidungsergebnisses zur
Folge.
Quelle: BVerwG, 7 C 57.83 (148)
- Im Falle inhaltlicher Bewertungsfehler ... ist die
Prüfungsentscheidung nur dann aufzuheben, wenn der
Mangel erheblich ist. Im Blickfeld stehen hier Mängel
in dem inneren Bereich des Bewertungsvorgangs,
z. B. falsche fachspezifische Wertungen, willkürliche
Fehleinschätzungen oder unsachliche Beweggründe, aber
auch - im Vorfeld dazu - die unvollständige
Kenntnisnahme der erbrachten Leistungen des
Prüflings. Dazu gehört auch der
"Sachverhaltsirrtum", etwa wenn die Prüfer das
Fehlen bestimmter Ausführungen kritisieren, dabei
jedoch übersehen, daß der Prüfling hierzu an anderer
Stelle Ausführungen gemacht
hat.
Quelle: Niehues, Rn. 364
Beweislast der Behörde bei Unsachlichkeit und Bewertungsfehlern
- Es verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip und das
Gebot, wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten, wenn
dem Prüfling die Beweislast dafür auferlegt wird, daß
sich ein Bewertungsfehler des Prüfers auf das
Prüfungsergebnis ausgewirkt hat.
Die Beweislast dafür, daß sich ein solcher Bewertungsfehler des Prüfers auf das Prüfungsergebnis nicht ausgewirkt hat, trägt die Prüfungsbehörde.
Quelle: BVerwG, 7 C 57.83
- In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, daß
sachfremde Erwägungen eine unterschwellige Wirkung
entfalten, die dem Prüfer in der Regel nicht bewußt
sein wird und ihn zu einer kaum rationalisierbaren und
quantifizierbaren Zurückdrängung des Gebots der
Sachlichkeit verleitet. Daher ist bei einem Verstoß
gegen das Sachlichkeitsgebot eine Prüfungsentscheidung
nur dann nicht aufzuheben, wenn nachgewiesen wird, daß
sie auf diesem Bewertungsfehler nicht beruhen
kann.
Hailbronner, § 15, Rn. 59; VGH BW, DVBl. 1988, 1125 f.
- Siehe auch Niehues, Rn. 187